Direkt zum Inhalt
Kolumne „Ein bisschen besser“

Hase, wir bleiben liegen

„Mir ist heute gar nicht so nach Auferstehung“, sage ich zu Judith und bleibe liegen. Es ist ein Kreuz mit dem Aufstehen. Ich ziehe mir den Mantel der Nächstenliebe bis über beide Ohren meines Adamskostüms und denke: „Nach mir die Sintflut“. Pontius und Sodom, Pilatus und Gomorra können mich mal, die ersten werden die letzten sein, und heute könnte Eva doch bitte schön noch ein bisschen bei mir liegen bleiben.

Dass Jesus auferstand, ist so sicher wie das Amen in der Kirche, dass er verheiratet gewesen sei, das glauben zumindest einige wenige. Ohne sein Single-Dasein brächen Teile der Kirchenlehre zusammen wie ein morscher Dachstuhl. 

Meine Frau lässt nicht locker

Die Debatte um Gleichberechtigung und ums Gendern hätten wir uns erspart, wenn irgendwo bibelfest geschrieben stünde, dass der Herr eine Herzensdame gehabt hätte, mit der er auf Augenhöhe auch mal liegen blieb. Die Sache wäre von vornherein klar wie Taufwasser, aber so tappen wir noch immer im Dunkeln. Die Kirchenväter haben uns das eingebrockt. „Liegenbleiben ist nicht, mein Lieber“, sagt Judith. 

Sie lässt nicht locker, ich erhebe mich, mampfe ein hart gekochtes Osterei, greife nach Mantel und Hut, überrede die Hündin, und wir stapfen durch die Wolken den rauen Berg hinauf, dorthin, wo der abgenutzte Winter, in seiner Schwäche, sich zurückgezogen hat. „Von dort her sendet er, fliehend, nur ohnmächtige Schauer körnigen Eises.“ So steht es im Osterspaziergang vom alten J.-W.-Goethe. 

„Hier bin ich Mensch, hier darf ich sein“

Hat Opa stets Ostern zitiert, und kam nie über die erste Strophe hinaus. Dabei geht es weiter. „Kehre dich um, von diesen Höhen nach der Stadt zurückzusehen.“ Ich steige ab, lande in der Schenke, wo sie eine Taufe feiern und der Pastor die Ziehharmonika quetscht. Der alte Dichter hat recht: Ich höre „des Dorfs Getümmel, hier ist des Volkes wahrer Himmel, zufrieden jauchzet groß und klein:Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein.“

Später sage ich zu Judith: „Es war ein bisschen besser, dass ich auferstanden bin.“ „Einstweilen bist auch du nur Mensch und aufgestanden“, antwortet sie. Der Rest habe Zeit. „Okay“, sage ich und das sei mein Osterwunsch an sie, „dann hauen wir uns doch noch mal hin, Hasi“.

 

Kennen Sie schon unseren Telegram- und WhatsApp-Kanal?

1
4

Kommentare

Comment

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Website- und E-Mail-Adressen werden automatisch in Links umgewandelt.
Kommentar