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Der Philosoph Josef Pieper

Appetit auf Wahrheit

Die zehnteilige Reihe über Josef Pieper (1904–1997) soll der Corrigenda-Gemeinde den Philosophen nicht in erster Linie als Person, sondern als Helfer in vielen intellektuellen Nöten der Gegenwart vorstellen. In unseren Tagen, wo sich das Denken nicht nur im Klammergriff von unreflektierten Ideologien, sondern unter der Knute der digitalen Diktatur befindet, ringen viele um den rechten Blick auf die Welt – einen Blick, der ihnen nicht nur hilft, sie zu verstehen, sondern auch in ihr zu leben.

Die Philosophie Josef Piepers stellt dabei einen wichtigen Beitrag zur (Wieder-)erlangung dessen dar, was wir „Wirklichkeit“ nennen. Und diese Wirklichkeit erahnen mehr und mehr Menschen als etwas, das sich ihnen als ein Gegenüber darstellt, das sie erfassen können und das sich genau darin – glücklicherweise – als etwas erweist, das sie nicht geschaffen haben.

Diese Ahnung ist der Anfang einer Suche nach der Wahrheit, deren vermutete Herkunft aus dem Verstand des Menschen sich als vielfach korrumpiert erwiesen hat. Josef Pieper stößt mit seinem Denken in einer klaren Diktion zu dem vor, was dem Menschen entzogen ist und – gerade deswegen – zu sich selbst finden lässt.

Die großen Linien des Pieperschen Denkens aufzeigen

Die Reihe, die in kleinen Appetithäppchen das Werk Piepers präsentiert, will Hunger nach der Wahrheit machen oder – sofern er schon vorhanden ist – Wege zeigen, ihn zu stillen. Sie erhebt nicht den Anspruch einer wissenschaftlichen Zugangsweise, sondern will den Leser selbst zum Philosophen machen, der mit den Möglichkeiten seines Erkennens zu den Dingen durchzudringen vermag – ohne Einreden und gefärbte Brillen, sondern mit den Mitteln, die er in sich selbst als Fähigkeit zu entdecken vermag, dem Ganzen des Seins gegenüberzutreten.

Die Werke Josef Piepers, die in diesem philosophischen Degustationsmenü vorgestellt werden, können allen, die auf den Geschmack gekommen sind, zu einer weiteren Beschäftigung dienen – zu einer Beschäftigung mit dem, was dem Menschen voraus ist und ihn deswegen von der in unseren Tagen so emsig betriebenen Beschäftigung mit sich selbst befreit, die das Versprechen, sich zu finden, nicht halten kann.

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Für mich ist die Anregung zu dieser Reihe eine besondere persönliche Freude, hatte ich doch als junger Priester die Möglichkeit, im Rahmen einer Dissertation das Werk Josef Piepers zu durchdringen, zu dem bis in die 1990er Jahre noch nichts Umfassendes erschienen war. Dabei sind mir – und hoffentlich auch denen, die sich wider Erwarten durch meine Dissertation gequält haben – die großen Linien des Pieperschen Denkens aufgegangen.

Nach der Fertigstellung war ich froh, dass sich die Josef-Pieper-Stiftung in Münster für die Arbeit interessierte und mit ihr eine eigene neue Schriftenreihe begann. Unter dem Titel „Die Anwesenheit des Verborgenen“ erschien 1997 das Buch als Angebot eines gebündelten Zugangs zur Philosophie Josef Piepers.

Philosophie verständlich, um zu verstehen

Das, was nun hier auf Corrigenda zu lesen sein wird, stellt im Wesentlichen den Versuch einer hoffentlich allgemeinverständlichen Fassung dieses Zugangs dar, aufgeteilt auf die einzelnen Gänge eines opulenten Menüs, von dem ich hoffe, dass sie dazu anregt, sich selbst hier und da den Originalrezepturen des großen Philosophen zu nähern und in seine Werke zu schauen.

Um den Abschreckungswert philosophischer Gedankengänge für den Leser zu minimieren, verzichte ich auf jede wissenschaftliche Stilistik mitsamt ihren Fußnoten und detaillierten Quellenangaben. Und ich erlaube mir, bei mir selbst abzuschreiben, ohne es dem Leser zu verraten, wo er Passagen aus meiner Dissertation begegnet. Denn es hat sich schließlich in meinem Denken in den letzten dreißig Jahren zum möglichen Grausen aller Konstruktivisten nichts geändert, weshalb ich zu den Einsichten von damals beherzt stehe – ganz im Einklang zu Josef Pieper und seinem Realismus.

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Darüber hinaus sind wir hier nicht in einem Hauptseminar an der Philosophischen Fakultät, sondern in einem Onlinemagazin, in dem Kürze und Schnelligkeit gefragt und die Inhalte stets der Gefahr ausgesetzt sind, beim Scrollen überwischt zu werden. Ich hoffe also, dass die Form, nämlich die Verständlichkeit, dem Inhalt, nämlich dem Verstehen, entgegenkommt.

Die Werke Piepers als philosophisches Degustationsmenü

Die Menüfolge sieht nun die folgenden Gänge vor:

 

Josef-Pieper-Reihe I: Gruß aus der Küche

Der Chefkoch und seine Rezepte

 

Josef-Pieper-Reihe II: Die Vorspeise

Was heißt Philosophieren?

 

Josef-Pieper-Reihe III: Die Meeresfrüchte

Wie man den Ozean in einen Eimer schaufelt

 

Josef-Pieper-Reihe IV: Die Kraftbrühe

Die Erkenntnisfähigkeit des Menschen

 

Josef-Pieper-Reihe V: Das Geflügel

Ganz oder gar nicht

 

Josef-Pieper-Reihe VI: Der Hauptgang

Wie die Wahrheit Fleisch wird

 

Josef-Pieper-Reihe VII: Der Käsewagen

In Muße zum Ziel

 

Josef-Pieper-Reihe VIII: Der Nachtisch

Der kultische Höhepunkt

 

Josef-Pieper-Reihe IX: Der Mokka

Belebung als Sättigung

Was verbirgt sich hinter dieser kryptischen Gangfolge? Nichts weniger als ein Durchgang durch das Werk Josef Piepers und die Entdeckung seiner Zugänge zu Wahrheit und Kultur, zum Menschenbild und zu seinem Gottesbezug.

Der Bogen beginnt bei der Vorstellung dessen, der das Menü kreiert hat und steigt dann ein in die Welt der Philosophie als Möglichkeit des Menschen, Fragen an die Wirklichkeit zu richten. Er entdeckt dabei den großen Ozean dessen, was ist, ohne daran zu verzweifeln, dass sein Verstand einem kleinen Eimer gleicht, in den der Ozean nicht hineingeschaufelt werden kann.

Denn sein Erkennen ist fruchtbar, weil es auf das stößt, was ist. Auch wenn ihm das meiste unbekannt bleibt, ist sein Verstand fähig, zur Wirklichkeit vorzudringen – zur Welt, die nicht aus ihm stammt, die aber in ihn hineingelangen kann.

Zum Beschluss einen Mokka, der für den weiteren Weg belebt

Das Consommé bildet die Kraft des Menschen ab, theoretisch und schöpferisch zu erkennen – und wie ein Vogel sich über Erdhaftes zu erheben und das Ganze in den Blick zu nehmen. Der Mensch kann sich selbst überschreiten, offen sein für alles. Und eben dies „alles“, das Gesamt an Wirklichkeit, wird ihm zur Prägung und zur Lebensstütze. Die Wahrheit wird ihm zur Bildung. Es verbinden sich Sein und Geist zu den verschiedensten Formen menschlicher Kultur, in denen der Mensch er selbst wird.

Der Fleischgang des Menüs serviert die im Menschen inkarnierte Wahrheit der Dinge, bevor der Käsegang die Ruhe und Muße einkehren lässt, die alles andere ist als eine Ermattung des Geistes, sondern ein Eintauchen in das ist, was jenseits der Arbeitswelt liegt.

Damit man nun den eigentlichen Höhepunkt am Ende des Menüs erleben kann: den zweckfreien Genuss dessen, der der Urgrund allen Sein ist – den Kult als höchste Form der Wirklichkeitsbegegnung, die Anwesenheit Gottes, die als Süßigkeit jenseits klebriger Betäubung den Menschen als das Wesen mit der Fähigkeit zur Wahrheit zur Vollendung bringt.

Das Menü wird nicht beschlossen ohne den Mokka, der für den weiteren Weg belebt: Es sind die Schlüsse aus den angestellten Überlegungen, die sich für das Leben in der Gegenwart ergeben. Einer Gegenwart, die den Menschen mit dem Fastfood ungesunder Tagesprodukte auf eine gefährliche Weise satt macht, anstatt mit feinen und langsam eingenommenen Menüs seinen Geschmack am Schönen zu stärken.

 

Der erste Teil des Josef-Pieper-Menüs erscheint im Mai, die nächsten Gänge servieren wir Ihnen im Monatsrhythmus.

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