Wo ist das C im Regierungsprogramm?

Markus Söder sagte bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags zwischen Union und SPD:
„Dieser Koalitionsvertrag – ich empfehle übrigens, ihn genau zu lesen, von jedem einzelnen –, es wird ein kleiner und kann ein kleiner Bestseller werden. Denn jeder Satz ist Politik pur. Jeder Satz. Um jedes Komma wurde gerungen.“
Dieser Koalitionsvertrag sei „eine Antwort auf die Probleme unserer Zeit“.
Das klang gut. Denn der Wähler einer Regierungspartei erhofft sich natürlich, dass möglichst viel des Parteiprogramms auch in das Regierungsprogramm fließt. Im Fall der C-Parteien, also CDU und CSU, ist in den vergangenen Wochen schon viel geschrieben und geredet worden. Und jeder christdemokratische Wähler wird sich inzwischen seine Gedanken dazu gemacht haben.
Doch ein kleines, aber relevantes Detail blieb bislang unbemerkt. Als nämlich Union und SPD das vorige Mal zusammen regierten, von 2017 bis 2021, da wiesen sie im Koalitionsvertrag auf die „christliche Prägung unseres Landes“ hin. Insgesamt sieben Mal findet sich der Wortstamm „christ-“ in dem Dokument.
Die „christliche Prägung“ fällt komplett hinten runter
In der Neuauflage 2025 steht er nur ein einziges Mal: „Der Schutz religiöser und weltanschaulicher Minderheiten sowie insbesondere der Schutz der weltweit größten verfolgten Gruppe, der Christen, ist von besonderer Bedeutung.“
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Der Begriff „christliche Prägung“ fiel komplett hinten runter. Dabei wäre gerade die religiöse und die damit einhergehende kulturelle Identität in einer Zeit des Umbruchs überlebenswichtig.
AfD: „Merz-CDU und Söder-CSU pfeifen auf jegliche Prinzipien“
Wo sich eine Lücke auftut, stößt die Konkurrenz hinein. Der frisch gewählte stellvertretende Vorsitzende der AfD-Fraktion im Bundestag, Sebastian Münzenmaier, sagte Corrigenda:
„Wenn CDU und CSU im Koalitionsvertrag sogar das C über Bord werfen, dann ist das ein weiterer Beweis dafür, dass die völlig rundgelutschte Merz-CDU und Söder-CSU auf jegliche Prinzipien pfeifen. Hauptsache regieren. Kein Wunder, dass die Zustimmung der SPD zum Koalitionsvertrag bei über 84 Prozent lag. Es ist eben ein reines SPD-Papier.“
Bei der Mitgliederbefragung der Sozialdemokraten votierten 84,6 Prozent für den Vertrag. Die Beteiligung lag bei 56 Prozent. Bei CDU und CSU war eine Mitgliederbefragung nicht nötig, hier stimmten die Parteigremien zu. Allerdings räumte CDU-Chef Friedrich Merz ein, die Koalition löse bisher keine große Euphorie aus.
Anlass für ein bisschen Hoffnung für Christen indes könnte das Personal der neuen Regierung bieten. Eine Mehrzahl der von CDU und CSU benannten Minister sind katholisch. Zudem gibt es Protestanten sowie eine Jüdin und eine Moslemin in dem Kabinett, das am 6. Mai vereidigt werden soll. Die SPD muss ihre Minister noch bekanntgeben.
Designierter Kulturstaatsminister: „21. Jahrhundert wird Zeitalter der Religion“
Der designierte Kulturstaatsminister Wolfram Weimer schrieb in seinem 2018 erschienenen „Konservativen Manifest“:
„Das 21. Jahrhundert wird ein Zeitalter der Religion. Gott kehrt zurück, und zwar mit Macht – im doppelten Sinn des Wortes. Nicht nur als philosophische Kategorie, revitalisierte Tradition, theologische Überzeugung oder spirituelle Kraft. Er kommt mitten hinein in den politischen Raum. Ob wir es mögen oder nicht – wir gehen gerade vom postmodernen ins neoreligiöse Zeitalter.“
Der Katholik und Verleger spricht von einer positiven Aussicht, wenn nach „Phasen der kulturellen Regression“ nun eine Zeit anbreche, in der mit der Wiederkehr des Religiösen auch das Kulturbewusstsein zurückkomme.
Der letzte Satz des Buches lautet: „Der Konservative wird sich selber daher nur finden, wenn er bis zur untersten Tiefe seiner eigenen Prinzipien hinabsteigt und aus dieser seiner alten Brunnenstube religiöses Wasser herausholt.“
Bleibt die Frage, wie viel Konservatismus in der Union noch steckt und wie viel davon sie dem roten Koalitionspartner aufdrücken kann.
Kommentare
Ja, ich würde mir manchmal auch (noch) mehr „C“ bei den C-Parteien wünschen. Und ja, es waren womöglich selige Zeiten, als die GroKo (angeführt von einer evangelischen Pfarrerstochter und einer gelernten Ministrantin und bekennenden Katholikin) die „christliche Prägung unseres Landes“ beschworen. Ganz zu schweigen vom frommen Europäer Robert Schuman (https://www.vaticannews.va/de/vatikan/news/2021-06/vatikan-seligsprechung-dekret-schuman-jeningen-europa-bio.html). Allein: Diese Zeiten sind leider vorbei!
Allerding: Sind die C-Parteien die wirklich Verantwortlichen, dass Christen in unserem Land – mit hoher Negativ-Dynamik – in die Minderheit gerieten??!!!
Dr. Markus Söder dürfte bei seinem Kreuzerlass klar gewesen sein, dass er aus dem linken politischen Spektrum nur wenig Applaus erhalten wird. Dass ihm ausgerechnet die Hauptrepräsentanten der beiden großen Kirchen dafür medial in die Kniekehlen traten, scheint ihn (fast traumatisch) überrascht haben. Es waren pikanterweise die gleichen geistlichen Herren, die auf dem Tempelberg in Jerusalem ihr Brust-Kreuz ablegten ... und, als die Schäflein murrten, die Schuld auf andere schoben (https://www.bild.de/politik/ausland/michael-wolffsohn/antwort-an-kardin…). 😢
Wie bitte sollen Politiker, die auf die Unterstützung des Wahlvolks angewiesen sind, in einem mehrheitlich nicht-christlichen Land dessen „christliche Prägung“ hochhalten, wenn der Herr Kardinal, Erzbischof, Vorsitzender der deutschen bzw. europäischen Bischofskonferenz, das Mitglied im päpstlichen Kardinalsrat, den Begriff „christliches Abendland“ als „ausgrenzend“ kritisiert (https://www.katholisch.de/artikel/20283-kardinal-marx-kritisiert-begrif…)??!!!
Dass im o. g. Artikel die AfD als Kronzeuge für das mangelnde „C“ angeführt wird, überrascht mich, sind doch weder Frau Dr. Weidel noch Herr Chrupalla als eifrige Kirchgänger bekannt. Und nicht-christliche CDU-Ministerinnen, die an den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs (Matthäus 22, 32) glauben, sind mir nicht nur politisch, sondern auch religiös näher als der bekennende Neuheide Höcke.
Wer noch Zweifel an meiner Argumentation hat, möge sich die Frage stellen, wo wohl mehr Menschen die Osterbotschaft vom leeren Grab nicht für ein frommes Märchen, sondern für einen Tatsachenbericht halten: a) auf dem evangelischen Kirchentag, b) im „Synodalen Ausschuss“, c) an den theologischen Fakultäten unseres Landes oder d) auf einem CSU-Parteitag.
@Dr. Gerald Seidel Und nicht-christliche CDU-Ministerinnen, die an den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs (Matthäus 22, 32) glauben, sind mir nicht nur politisch, sondern auch religiös näher als der bekennende Neuheide Höcke.
Absolute Zustimmung! Dies gilt übrigens für Ihren ganzen Beitrag, und insbesondere auch für den letzten Absatz.
Sebastian Münzenmaier …
Sicherlich der richtige Ansprechpartner, wenn es um das Christliche in der Politik geht …
@Braunmüller Was spricht gegen ihn?