Zwischen Hörsaal und Hassparolen

Universitäten: Räume des freien Denkens, des Austauschs, der Wissenschaft. Ein Ort, an dem Argumente zählen, nicht Parolen. An dem Vielfalt bedeutet, dass alle Stimmen gehört werden – auch jene, die nicht im linken Gleichschritt marschieren. Doch wer einen Blick auf den „Verband der Studierenden der Universität Zürich“ (VSUZH) wirft, merkt schnell: Diese Zeiten sind vorbei.
Was sich da an der größten Hochschule der Schweiz abspielt, ist weniger akademische Kultur als eine Mischung aus ideologischem Gleichschritt, politischem Aktivismus und, man muss es so sagen, einer gefährlichen Nähe zum Antisemitismus.
Da werden Demonstrationen organisiert, bei denen „Global Intifada!“ und „No tech for genocide!“ gebrüllt wird. Da wird das Hauptgebäude der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) besetzt, als wäre Zürich ein Nebenschauplatz des Nahostkonflikts. Und wenn die Polizei die selbsternannten Freiheitskämpfer höflich hinausbegleitet, steht der VSUZH-Rat bereit – nicht etwa, um Ordnung und Anstand einzufordern, sondern um 12.000 Franken Prozesskosten für die Besetzer lockerzumachen. Bezahlt aus den Beiträgen jener Studenten, die eigentlich zum Studieren hier sind und nicht zur Finanzierung politischer Eskapaden. Und zudem für Demonstranten an einer anderen Hochschule.
Antisemitismus oder „Israelkritik“?
Der Fall zeigt exemplarisch, wie weit sich gewisse Studentenvertretungen von ihrem eigentlichen Auftrag entfernt haben. Anstatt die Interessen aller Studenten zu vertreten, wird der Verband gekapert – von einer lautstarken Minderheit, die glaubt, die Universität sei ihr persönliches Protestlager. Die Mehrheit schweigt. Aus Angst, aus Gleichgültigkeit oder weil sie längst resigniert hat. Die Neue Zürcher Zeitung hat sich tief in diesen Sumpf vorgewagt, und die Bilanz ist erschreckend.
Man stelle sich vor, ein konservativer oder bürgerlicher Studentenverband würde Universitätsgelder dafür einsetzen, Aktivisten zu unterstützen, die wegen politischer Aktionen verurteilt wurden. Der Aufschrei wäre grenzenlos. Medien, Unileitung, Politik – alle wären empört. Doch wenn es sich um linke, „postkoloniale“ Kämpfer handelt, wird das Ganze als Ausdruck von Zivilcourage verkauft.
Noch beunruhigender wird es, wenn man die Haltung zum jüdischen Staat betrachtet. Kritik an Israel ist legitim. Das sagt auch Salome Kornfeld vom Verein Jüdischer Studenten Zürich (VJSZ). Aber was sich an der Universität Zürich abspielt, hat mit legitimer Kritik nichts mehr zu tun. Hier werden Parolen skandiert, die das Existenzrecht Israels infrage stellen. Hier werden jüdische Stimmen niedergebrüllt, wie beim Auftritt des Präsidenten des Israelitischen Gemeindebundes. „Free Palestine!“ hallt es durch die Hörsäle, während der Dialog auf der Strecke bleibt.
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Kampfparolen statt Wissenschaft
Der VSUZH gibt sich im Nachhinein betont diplomatisch. Man habe das Gespräch gesucht, heißt es. Doch das wirkt wie ein Feigenblatt, nachdem man zuvor zugesehen hat, wie der Verband zum Sprachrohr einer radikalen Agenda wurde.
Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet Vertreter der „kritischen Politik“, wie sich eine Gruppierung nennt, den Ton angeben. Wer ein rotes Megafon als Logo führt und stolz auf seine antikapitalistischen Wurzeln verweist, hat wenig Interesse an ausgewogener Vertretung. Hier geht es nicht um die Studenten – hier geht es um Ideologie.
Dass die frühere Co-Präsidentin des VSUZH gleichzeitig von der Palestine Student Association hofiert wird und Ausstellungen über einen angeblichen „Genozid“ plant, passt ins Bild. Wissenschaftliche Standards? Ausgewogenheit? Fehlanzeige. Hauptsache, der Aktivismus stimmt.
Die Universität Zürich droht, zu einem Ort zu werden, an dem lautstarke Minderheiten den Diskurs diktieren, während die Mehrheit der Studenten – jene, die wirklich wegen Bildung und Zukunftsperspektiven hier sind – nur noch Zuschauer eines ideologischen Schauspiels sind.
Es wäre an der Zeit, dass sich die Vernünftigen zu Wort melden. Dass Studenten, die kein Interesse daran haben, dass ihre Semesterbeiträge in politische Abenteuer fließen, endlich laut sagen: Nicht in unserem Namen! Eine Universität ist kein Spielplatz für linke Träume von Weltrevolution und Dauerdemonstrationen. Und sie ist schon gar kein Ort, an dem antisemitische Tendenzen unter dem Deckmantel von „Israelkritik“ toleriert werden dürfen.
Die Universitätsleitung hat ein Auge zugedrückt. Der VSUZH hat längst beide Augen geschlossen. Bleibt zu hoffen, dass wenigstens die Studenten selbst aufwachen – bevor aus der Hochschule endgültig ein politisches Kampfgebiet wird.
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Kommentare
Danke an die NZZ und an den Autor, das wirklich mutig beim Namen zu nennen!
Denn die linken Mainstream-Medien bleiben dazu nicht nur stumm, sie unterstützen diese Entwicklungen noch.
Ja, der Teufel bäumt sich nochmal richtig auf.
Ein Problem, das ich in diesem Zusammenhang sehe: Unser Bildungssystem ist nicht neutral, es hat klar linke Schlagseite. Deswegen sind auch tendenziell Linke in ihm erfolgreich. Das wirkt sich dann auf die Universität aus, und dann wieder auf das Bildungssystem. Ein Teufelskreis also. Stattdessen wäre es Aufgabe des Bildungssystems, Wissen zu vermitteln anhand dessen sich Schüler und Studenten selbstständig eine politische Meinung bilden können. Heute spricht man von "Bildung" und meint "Indoktrination". Das merkt man sehr gut daran, dass man oft hören kann, gegen rechtes Gedankengut helfe nur mehr Bildung. Wie soll aber eine neutrale Bildung vorbeugen, dass die Leute "rechts" werden? Es wäre wohl eher das Gegenteil der Fall. Hier spiegelt sich auch die Arroganz gewisser Linker, die anscheinend meinen, nicht links zu sein wäre einfach ein Mangel an Intelligenz. Was wir brauchen, wäre also eine "Reconquista" des Bildungssystems von konservativer und rechter Seite. Wie das innerhalb der gegebenen linken Strukturen gelingen soll, ist allerdings eine sehr schwere Frage.