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Christen unter Druck

Der Fall Pater Wernersbach verdeutlicht den Kampf ums Menschenbild

Die mediale Empörungsmaschinerie setzte zwar spät ein, aber dann mit voller Wucht. „Katholischer Priester erntet für Skandal-Predigt heftige Kritik“, titelte Focus Online. „Homophob und frauenfeindlich: Pater löst mit Predigt in Wittichenau bundesweite Empörung aus“, legte der MDR nach. „Eklat um homophobe Äußerungen eines Paters“, schrieb die Rheinpfalz.

Die Kritik, auf die sich Zeitungen und Fernsehsender bezogen, setzte wie so oft zuerst in sozialen Medien ein. Twitter-Nutzer verbreiteten Ausschnitte aus einer Predigt während der Christmette im sächsischen Wittichenau. Zwei Besucherinnen starteten darüber hinaus eine Petition gegen den Priester, die allerdings inzwischen nicht mehr aufrufbar ist.

In seiner Predigt sprach der Benediktinerpater Joachim Wernersbach über das Weihnachtsfest und die „Heiligkeit der Familie“. Diese, betonte der Priester, bestehe aus Mann, Frau und Kind. Er wies jedoch auch auf die christliche Lehre über die Heilige Familie hin, die so etwas wie eine „Patchwork-Familie“ gewesen sei.

„Josef hatte ja nichts mit der Zeugung von Jesus zu tun. Und Maria und Josef hatten keine sexuelle Beziehung. Und das alles ist in den Augen Gottes vollkommen okay, solange das Familienprinzip Mann, Frau, Kind nicht infrage gestellt wird. Adoption ist vollkommen in Ordnung. Josef hat ja Jesus adoptiert und dann seine Vaterrolle in beispielhafter Weise ausgeführt. Und auch Maria hat Ja gesagt und ihre Mutterrolle in beispielhafter Weise ausgeführt. Und als Ehepaar haben Maria und Josef sich gegenseitig unterstützt und einander geliebt.“

„Eine große Dissonanz ist über unser Land hereingebrochen“

Pater Wernersbach versuchte, mit dem Begriff Patchwork-Familie eine Brücke zu bauen in die progressive Begriffswelt. Dann sprach er aber auch jene Worte, die von den Medien als „Homophobie“ ausgelegt werden:

„Es gibt so viele seltsame, moderne Strömungen, man hört von Gender und Transgender, von Transhumanismus und reproduktiver Gesundheit, von Wokeness und LGBTIQ, von Diversität und Identität, von multiplen Geschlechtern und Geschlechtsumwandlungen, dazu noch von diesem verheerenden neuen Offenbarungsverständnis des Synodalen Weges. Schon die Begriffe, meine Lieben, sind absolut befremdlich. Sie haben alle eines gemeinsam: Es fehlt ihnen an Schönheit, es fehlt ihnen an Stimmigkeit, und es fehlt ihnen an Natürlichkeit. Es fehlt einfach der Wohlklang, sie sind sperrig und bringen unsere Seele, unser Innerstes, einfach nicht zum Schwingen. Sie sind nicht im Einklang, nicht in Harmonie mit der unvorstellbar schönen göttlichen Ordnung. Eine große Dissonanz ist über unser Land hereingebrochen.“

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Schon kurz nach Veröffentlichung der ersten Artikel äußerte sich die saarländische Benediktinerabtei St. Mauritius zu Tholey – das älteste Kloster Deutschlands, das Pater Wernersbach als Aushilfsseelsorger nach Sachsen entsandt hatte. Doch statt sich vor ihren Mitbruder zu stellen, warf die Abtei den Pater den Medien und Kirchenkritikern auf Twitter und Co. zum Fraß vor.

Wir verwehren uns ausdrücklich gegen das von ihm darin gezeichnete Menschenbild und die dort getroffenen schöpfungsgeschichtlichen Aussagen. Wir bedauern dadurch hervorgerufene Wut, Leid, aber auch Bestürzung“, hieß es in einer am vergangenen Dienstag veröffentlichten Presseerklärung. „Die von unserem Mitbruder getroffenen Wertungen und fehlendes pastorales Einfühlungsvermögen widersprechen nicht nur der gesellschaftlichen Realität, sondern diskriminieren in vielfacher Hinsicht große Teile der Gesellschaft, etwa im Bild der Frauen, im Verständnis von Familie und auch gegenüber den queeren Mitmenschen sowie der LGBT-Gemeinde. Dies gilt auch unbeschadet der gültigen katholischen Lehre.“

Zudem untersagte die Gemeinschaft ihrem Mitbruder vorläufig jede Art der pastoralen Tätigkeit im Umland der Abtei. Aus Klosterkreisen hieß es, man habe mit der Erklärung den Kritikern Wind aus den Segeln nehmen wollen, und ein pastoraltheologisches Gutachten werde Klarheit bringen.

Katholische Ordensleute, die von der angeblichen „gesellschaftlichen Realität“ als Maßstab für eine Predigt sprechen? Das für Wittichenau zuständige Bistum Görlitz teilte mit, „dass in der Kirche die Sünde zu verurteilen ist, aber der Sünder zu lieben ist“. Dies bedeute: Ein Homosexueller sei von Gott geliebt und angenommen, ausgelebte homosexuelle Verhaltensweisen aber nicht. Bischof Wolfgang Ipolt wollte sich zu dem Fall auf Corrigenda-Anfrage nicht mehr äußern.

„Schöpfungsordnung spiegelt die Tatsache wider, dass es zwei Geschlechter gibt“

Das Menschenbild der katholischen Kirche ist klar definiert. Im Katechismus heißt es: „Der Mensch nimmt in der Schöpfung eine einzigartige Stellung ein: er ist ‘nach Gottes Bild’ geschaffen (GS 12,1; 24‘2; 39,1.); in seiner Natur vereint er die geistige mit der materiellen Welt; er ist ‘als Mann und Frau’ geschaffen.“

Doch dieses Menschenbild und die daraus resultierende Sexuallehre wird heute infrage gestellt – mit Plattformen wie dem Synodalen Weg teilweise sogar innerhalb der Kirche. Gut möglich, dass auch die Nennung des Synodalen Weges mindestens ebenso zur Empörung beigetragen hat wie die angeblich homophoben und transfeindlichen Äußerungen.

Einer, der sich mit dem Spannungsverhältnis zwischen dem katholischen Menschenbild und modernen, diesem widersprechenden Ideologien bestens auskennt, ist Ralph Weimann. Er lehrt Bioethik und Theologie an der Päpstlichen Universität des hl. Thomas von Aquin (Angelicum) in Rom.

Der Mensch hat seine Würde als Geschöpf Gottes, als Mann und Frau. Wenn jemand in der Kirche jedoch anfangen sollte, sich von der Schöpfungsordnung abzuwenden, dann hätte dies schwerwiegende Konsequenzen für Kirche und Gesellschaft“, erläutert Weimann gegenüber Corrigenda. Letztere würde orientierungslos, die Kirche hingegen sich vom Schöpfer abwenden und Gefahr laufen, gottlos zu werden. „Die Schöpfungsordnung spiegelt die biologische Tatsache wider, dass es zwei Geschlechter gibt: Mann und Frau. Der Glaube setzt die Natur voraus, so dass jede Ablehnung der natürlichen Ordnung den Glauben unmöglich machen würde.“

Äußerungen wie die von Pater Wernersbach sorgen zwar für Empörung, doch juristische Konsequenzen haben sie nicht. Anders als in anderen europäischen Ländern, in denen Christen für das Zitieren von Bibelversen schon vor Gericht mussten, ist dies in Deutschland bislang nicht der Fall. Laut Bioethiker Weimann hat das Menschenbild einer Gesellschaft signifikante Auswirkungen auch auf andere Fragen.

„Eine ethische Entscheidung ohne ein Menschenbild ist nicht möglich. Wenn sich daher das Menschenbild ändert, ändert sich auch die Ethik. Zwar hat das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland kein Menschenbild definiert, was auch nicht Aufgabe des Gesetzgebers sein kann, und doch setzt es – wie Udo di Fabio, Jurist und ehemaliger Bundesverfassungsrichter dargelegt hat – die christliche Identität und damit auch das christliche Menschenbild voraus. Diese besteht u.a. in der Annahme, dass die Würde des Menschen nicht willkürlich konstruiert werden kann, was einen Rückfall in die Barbarei bedeuten würde. Die Würde des Menschen kann nur dann unantastbar sein, wenn sie universal, also in der Schöpfung grundgelegt und damit vorgegeben ist. Die katholische Kirche war immer ein Anwalt dieses Verständnisses, weil sich darin die Gottesebenbildlichkeit eines jeden Menschen widerspiegelt.“

Der Familienbegriff im Grundgesetz ist ein christlicher

Auch der Familienbegriff im Grundgesetz – etwa in Artikel 6, der den Schutz der Familie garantiert – ist ein christlicher. „Das geht zum einen ganz klar aus den Protokollen des Parlamentarischen Rates hervor. Zum anderen hatte auch schon Otto von Bismarck, der die Zivilehe im Deutschen Reich eingeführt hatte, die Begriffe aus christlichen Normen heraus übernommen“, erklärt der Historiker und Experte für die Entstehung des Grundgesetzes, Michael F. Feldkamp, gegenüber Corrigenda.

Doch was ist, wenn infolge linker Regierungen entweder der Familienbegriff dermaßen relativiert oder entsprechende Verfassungsartikel ergänzt werden, so dass die Familie nicht mehr Mann, Frau, Kind wäre, wie es Pater Wernersbach betonte und viele Menschen, auch Nicht-Christen, es als normal und natürlich sehen? Was ist, wenn christliche Ansichten plötzlich gesetzeswidrig wären?

Die Menschenrechtsorganisation ADF International (Wien) verweist in diesem Zusammenhang zwar auf Religions- und Meinungsäußerungsfreiheit, die durch Grundgesetz und Europäische Menschenrechtskonvention geschützt würden. Deren Leiter für die europäische Tätigkeit, Felix Böllmann, gibt auf Corrigenda-Anfrage auch zu bedenken: „Der Staat unterliegt dem Gebot weltanschaulicher Neutralität. Weder Regierung, noch Gesetzgeber noch Justiz dürfen bei weltanschaulich relevanten Fragen eine spezielle Sichtweise mit der ihnen gegebenen Macht durchsetzen. Genau das passiert aber, wenn beispielsweise durch sogenannte ‘Hassrede’-Gesetze auf religiösen Überzeugungen basierende Äußerungen gezielt kriminalisiert werden. Sobald bestimmte Äußerungen verboten werden, ist der gesellschaftlich notwendige Diskurs über komplexe und schwierige Themen gefährdet.“

In Großbritannien etwa ist vor kurzem eine Frau festgenommen worden, weil sie still und friedlich auf einer öffentlichen Straße in der Nähe einer Abtreibungsklinik stand. Sie wurde durchsucht, abgeführt und später angeklagt. Ihr wird vorgeworfen, gegen eine Schutzanordnung für den öffentlichen Raum verstoßen zu haben.

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Juristische Auseinandersetzungen dieser Art werden zunehmen

Ein irischer Lehrer geriet vergangenes Jahr in Konflikt mit seiner Schulleitung, weil er sich aufgrund seines christlichen Glaubens geweigert hatte, einen Schüler mit genderneutralen Pronomen anzusprechen. Nachdem ihn die Schule freistellte, erließ ein Gericht ein Betretungsverbot des Schulgeländes. Als er sich dem widersetzte, wurde der Lehrer weggesperrt. „Ich stehe heute hier, weil ich einen Jungen nicht Mädchen nennen wollte“, sagte er vor Gericht.

Auch in Deutschland landete ein prominenter Fall vor Gericht. Das Amtsgericht Bremen hatte den Bremer Pastor Olaf Latzel 2020 erstinstanzlich verurteilt, weil dieser mit Äußerungen in einem Eheseminar zum Hass gegen Homosexuelle aufgestachelt und ihre Menschenwürde angegriffen habe. Das Landgericht Bremen hob das Urteil im vergangenen Frühjahr auf, doch die Staatsanwaltschaft legte Revision ein.

Juristische Auseinandersetzungen dieser Art werden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zunehmen, weil durch die zunehmende Liberalisierung und Relativierung einst durch breiten gesellschaftlichen Konsens geprägte Voraussetzungen bröckeln. Befeuert werden dürften die Rechtsstreitigkeiten und politischen Auseinandersetzungen durch die Transformation hin zu heterogenen Gesellschaften, in denen es eine Vielzahl von Gruppen gibt, die um die obersten Plätze der Opferpyramide ringen, auf denen Macht und staatliche Fördermittel winken.

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