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Kolumne „Ein bisschen besser“

Stille Nacht

Ich habe mir zu Weihnachten die Haare richten lassen, so alle fünf bis sieben Wochen mache ich das. Meine Frau Judith trägt die Haare länger und ist deswegen seltener da. Der Frisör ist ein fröhlicher Mann aus dem Iran und fragt mit der Schere in der Hand, ob ich an Jesus glaube. „Ja“, sage ich, „ist ein bisschen besser so.“

Dann frage ich zurück, ob ihm bewusst sei, dass er gerade die Gretchenfrage gestellt habe. „Nein.“ „Du hast einen interessanten Haarschnitt“, sagte Judith hinterher. Die Ohren frei und oben lockig – ganz wie ein Engel.

Es gibt diese klitzekleinen Weihnachtsgeschichten, und es gibt die ganz großen, an die mich ein Kollege erinnerte, als er mir frohe Tage wie in Armentières wünschte. Ich musste nachschlagen: Es war eine frostklare Nacht, der Krieg war 1914 noch jung, wenn Kriege jemals jung sein können, als in den Schützengräben Nordfrankreichs ein einzelner deutscher Soldat mit lauter Stimme „Stille Nacht, heilige Nacht“ sang. Wie eine La-Ola-Welle schwappte die Melodie über die granatenzerpflügten Erdwälle, aus abertausenden, heimwehtrunkenen Männerkehlen scholl es „Schlaf in himmlischer Ruh.“

Im Niemandsland tauschten die Soldaten Geschenke

Gegenüber lauschten britische Soldaten den Klängen, bis einer einfiel: „Silent night“. Oberleutnant Johannes Niemann vom 9. Königlich Sächsischen Infanterieregiment Nr. 133 erinnert sich: „Und so kam es, dass sich der Krieg in die beschauliche Form eines Sängerwettstreites verwandelte und sich der kriegerische Geist hüben wie drüben in Weihnachtsstimmung verlor.“

Am Weihnachtsmorgen kletterten die Gefreiten aus ihren Gräben und gingen auf die feindlichen Linien zu. Im Niemandsland tauschten sie Geschenke: Schnaps, Zigaretten, Bilder aus der Heimat. Niemann schreibt: „Plötzlich brachte ein Schotte einen Fußball an, und es entwickelte sich ein regelrechtes Fußballspiel mit hingelegten Mützen als Toren.“

Hier ist Frieden. Was für ein Wunder

Die gleiche Melodie dudelt heute aus dem Radio durchs geräumige Haus von Oma und Opa. Bei „Gottes Sohn, oh wie lacht“ stelle ich mir jedes Mal den kleinen „Ohwie“ vor und kichere in mich hinein. Unten schmücken sie den Baum. Das Töchterchen brabbelt. Die Hündin kugelt über den Teppich.

Nachher sitzen wir beim Schwager am Kamin. Wir werden Geschenke austauschen. Möglicherweise ist Schnaps dabei. Fußball lassen wir bei diesem Schietwetter. Judith wird mir hoffentlich durch die Locken streichen und „Engel“ murmeln. Hier ist Frieden. Was für ein Wunder.

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