Wie nachhaltig sind Rüstungsaktien?

Dürfen Rüstungs- beziehungsweise Verteidigungsaktien ins Depot? Sind die Papiere von Waffen- und Panzerherstellern vielleicht sogar nachhaltig? Vor dem 24. Februar 2022 war für viele Anleger absolut ausgeschlossen, in diese Aktien zu investieren. Das galt nicht nur für all jene, die bei ihrer Geldanlage auf Nachhaltigkeit Wert legen.
Doch mit dem kriegerischen Angriff Russlands auf die Ukraine haben viele Menschen umgedacht. Es wird sogar darüber diskutiert, ob Rüstungsaktien nicht vielleicht auch nachhaltig sind. Dienen sie doch schließlich auch der Abschreckung vor Angriffen und der Verteidigung unseres Lebens.
Ethische Überzeugung und Kriterien der Nachhaltigkeit
Wie sehen Sie das? Haben Sie auch umgedacht? Professionelle Investoren haben ihre Einstellung auf jeden Fall überprüft und sind teilweise umgeschwenkt. Ob Rüstungsaktien nachhaltig sein können, ist natürlich ein umstrittenes Thema. Wie kann etwas nachhaltig, sozial und ethisch korrekt sein, das tötet? Aber wenn es eben auch Krieg verhindert? Wie Sie es sehen, hängt stark von Ihren individuellen ethischen Überzeugungen und Ihren definierten Nachhaltigkeitskriterien ab.
Während einige Anleger argumentieren, dass Sicherheitsaspekte und technologische Innovationen eine Investition rechtfertigen könnten, sehen andere die negativen sozialen und ethischen Auswirkungen als unvereinbar mit den Zielen eines nachhaltigen Investments. Als Investor sollten Sie deswegen sorgfältig abwägen und klar definieren, was Nachhaltigkeit für Sie bedeutet und wie Sie Ihre Anlageentscheidungen entsprechend ausrichten wollen.
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Es gibt übrigens auch viele professionelle Investoren, die zumindest konventionelle Waffen nie kategorisch ausgeschlossen haben. Dazu zählen alle Waffen, die mit konventionellen Sprengstoffen bestückt sind, also keine atomaren, biologischen oder chemischen Kampfmittel verwenden. Zu den „schweren“ konventionellen Waffen zählen beispielsweise Kampfpanzer, Artilleriesysteme und gepanzerte Kampffahrzeuge. Sie merken sicher: Es ist ein komplexes Thema, und wenn Sie auf nachhaltige Fonds oder börsengehandelte Indexfonds (Exchange Traded Funds, kurz: ETFs) setzen, müssen Sie sehr genau hinschauen.
Gute Geschäftsaussichten für die Branche
Wer keine moralischen Bedenken hat, hat es natürlich einfach und setzt vielleicht sogar sehr bewusst auf Rüstungsaktien. Denn die Branche dürfte in den kommenden Jahren gute Geschäfte machen. Die Militärausgaben sind in den vergangenen Jahren extrem gestiegen, die Auftragsbücher der Unternehmen prall gefüllt. Fast wöchentlich ist von neuen Milliardendeals zu lesen. Die Rüstungsausgaben werden wohl noch weiter steigen, weil viele Staaten wie auch Deutschland Nachholbedarf haben.
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Wenn Sie sogar zu der Überzeugung gekommen sind, dass Rüstungsaktien mit Blick auf die Freiheitssicherung auf jeden Fall nachhaltig sein können, dann könnten Sie sogar auf einen Themen-ETF setzen. Von denen gibt es mittlerweile sieben. Schauen Sie aber bitte genau hin, denn die ETFs bilden unterschiedliche Indizes ab, weshalb sich auch die Zusammensetzung der Portfolios ein wenig unterscheidet.
Während die ETFs aus den Häusern HANetf und VanEck beispielsweise global investieren, setzen Sie mit dem WisdomTree Europe Defence ausschließlich auf europäische Konzerne. Besonders innovativ investieren Sie mit dem Invesco Defence Innovation ETF; zumindest verspricht das der Name des ETFs. Etwas mehr Raumfahrt und weniger Verteidigung liefert der iShares Global Aerospace & Defence ETF.
Die Krux mit den nachhaltigen ETFs
Apropos genau hinschauen: Das sollten Sie auch bei nachhaltigen ETFs auf dem MSCI World. Davon gibt es nämlich mehrere Varianten. Während der MSCI World SRI sicher die strengste Variante ist und Waffen kategorisch ausschließt, sind zumindest konventionelle Waffen im MSCI World ESG Screened und im MSCI World ESG Enhanced erlaubt. Kontroverse Waffen, Nuklearwaffen und zivile Schusswaffen sind aber immer tabu.
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Doch wann ist eine Aktie eigentlich eine Rüstungsaktie? Auch diese Frage ist so einfach nicht zu beantworten. Die Produzenten von Panzern, Militärfahrzeugen, Waffen, Radar- und Aufklärungssystemen sind ganz klar Rüstungskonzerne. Doch was ist beispielsweise mit der Ausrüstung für die Polizei, Handfeuerwaffen inklusive? Was ist mit Software-Komponenten wie etwa Programmen zur Abwehr von Cyber-Angriffen? Und was mit einem großen Luftfahrtunternehmen, das Militärflieger wartet? Dann wird die Definition schon schwieriger. Manche Investoren definieren deshalb einen Anteil des Umsatzes des Unternehmens, um es klar zuzuordnen. Alles nicht so einfach.
Rüstungsaktien in nachhaltigen ETFs (und natürlich auch Fonds) sind sicherlich ein Thema, über das wir als Anleger erst mal nachdenken müssen. Und viele von uns würden damit auch erst mal nicht rechnen. Aber es gibt leider kein Schwarz und Weiß mehr, wenn es um das Thema Rüstung geht, dafür aber viele Grautöne. Ich persönlich investiere zwar nicht nach nachhaltigen Grundsätzen, aber Rüstungsaktien habe ich immer kategorisch ausgeschlossen. Dann kam der Krieg vor unserer Haustür.
Ich habe mir die Entscheidung nicht leicht gemacht, aber mittlerweile liegt ein Rüstungs-ETF in meinem Depot. Aus Überzeugung, dass Verteidigung und Abschreckung wichtig sind. Nicht aus Gier. Auch wenn ich mich als Anlegerin natürlich immer über Gewinne freue.
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