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Kolumne „Ein bisschen besser“

Zum Abschied sagt er locker „Servus“

Nein, wir haben seinen Abschied nicht live geguckt. Was daran liegt, dass unser Fernsehgerät wie einst die Schreibmaschine und dann das Kassettenradio erst im Keller und dann auf dem Sperrmüll gelandet und das schon lange her ist. Judith und ich zählen zur Generation der Bettstreamer: Decke ans Kinn, Laptop auf die Oberschenkel und noch ein Filmchen, das dann keiner von uns bis zum Ende schafft. Geschnarcht wird schon vor dem Abspann. 

Thommy Gottschalk wohnt trotzdem bei uns. Nicht heute Abend im Bett. Aber im Herzen. In einer Außenkammer, aber immerhin. Oder, Judith? Meine Frau nickt und es raschelt im Kissen. Und jetzt ist er weg.

Besser als die aktuell angesagten Geisteshaltungsakrobaten

Thomas Gottschalk war einst das Lagerfeuer der Nation

Judith warnt mich: „Schreib bloß keinen Nachruf!“ Aber was sei es dann, entgegne ich, wenn alle innehalten, weil ein 75-jähriger Mann mit blonden Locken seine Krebsdiagnose verkündet und erklärt, das letzte Mal am Samstagabend die zwar geschrumpfte, aber immer noch riesige Fernsehbühne zu betreten? „Nein“, beharrt Judith, „bitte keine Wehmut.“ 

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Okay, dann eben so und im Präsens: Thommy, du bist der Goldstandard der guten Laune. Du trägst mit deinen Outfits mehr Regenbogen als jede Pride-Parade. Du sagst, was dir einfällt, und wenn dir nichts einfällt, sagst du trotzdem was. Das ist ein bisschen besser als das, was die aktuell angesagten Geisteshaltungsakrobaten von sich geben. Mit all dem Ungeplanten hast du unser Vertrauen gewonnen. Denn du nimmst uns mit, und wir sind sicher: Wir kommen heil an. Eine pünktliche Sendung kann jeder Idiot machen. Eine, von der wir hoffen, dass sie nie zu Ende geht – das kannst nur du.

„Sein Abschied ist ein Abschied vom Wir-Gefühl einer ganzen Nation“

Okay, für unser Töchterchen bis du so weit weg wie Pontius Pilatus. Die Generation TikTok bastelt sich ihre Zukunft neu mit Schnitt, Filter, Remix. Doch eines wird sie nicht erleben: Dieses Gefühl, wenn ein Land gemeinsam auf dieselbe Couch starrt und atemlos fragt: Schafft er das wirklich – diese Wette, diesen Satz? Unser Töchterchen wird ihre eigenen Ikonen haben. Es sind viele kleine Feuer – schön, flackernd, individuell. Aber Thommy: Du bist unser gemeinsames Lagerfeuer.

Deshalb spüren Judith und ich jetzt einen kleinen Stich. Nicht nur aus Sorge um dich, Thommy, der du uns locker „Servus“ sagst. Sondern weil eine Epoche leise den Hut nimmt. Eine Epoche, in der uns echte Menschen zusammenbrachten. „Sein Abschied ist ein Abschied vom Wir-Gefühl einer ganzen Nation“, erkläre ich Judith und richte mich noch einmal auf für diese Nacht: Der Thommy, der sei ein Nationalheld. „Aber einer ohne Nachfolger“, seufze ich und sinke nieder. „Das stimmt nicht, mein Held“, sagt Judith und löscht das Licht.

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