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Kolumne „Kaffeehaus“

Ungarn und Polen: Mitteleuropas Trendsetter

Vor wenigen Tagen sind wir aus dem Ungarn-Urlaub zurückgekehrt. Obwohl Slowaken traditionell kein einfaches Verhältnis zu ihrem südlichen Nachbarn haben, muss ich eingestehen, dort viel Inspirierendes und Innovatives beobachtet zu haben – und das nicht nur im Hinblick auf Kulinarik und Kultur.

Es waren die Menschen, die eine Idee von ihrer Identität und Zukunft zu haben scheinen und nach dieser bewusst leben. Auch in Polen und anderen Ländern Mitteleuropas bildet sich ein Milieu heraus, das sich kultureller und religiöser Verwurzelung immer mehr bewusst ist. Ob man auf diesem Ansatz in ganz Europa aufbauen kann?

Politische Korrektheit und Geschlechter-Fluidität spielen hier keine Rolle

Budapest mit seinem berühmten Széchenyi-Heilbad und zahlreichen Restaurants ist mit einem modernen und doch kulturell einzigartigen Flair ein beliebtes Reiseziel. In dem neobarocken Thermalbad erholen sich Alt und Jung. Dabei fällt die jüngere Generation durch körperliche Fitness und ein gesundes Selbstbewusstsein auf.

Männer um die zwanzig spielen Schach im Wasser, ihre Frisuren und Figuren wirken fast uniform. Ein Typus, den man in Deutschland irgendwo zwischen „BWL-Justus“ und rechts-konservativ zuordnen würde, wirkt hier aber nicht künstlich oder zu bemüht.

Deutlich wird das Ideal, das die jungen Ungarn (aber auch Polen, die offenbar gern ihren Urlaub in Ungarn verbringen) anstreben. Im Gegensatz zum deutschen Uni-Milieu spielen hier politische Korrektheit, Gender-Sprache oder Fluidität der Geschlechter keine Rolle. Ähnliches fiel während des Sonntagsgottesdienstes in der Budapester Sankt-Michaels-Kirche auf.

Weinbauregion Badacsony nördlich des Plattensees

Jede Woche findet dort eine Messe im tridentinischen Ritus statt, zu der sich von Kleinkindern über junge Paare in gut sitzenden Anzügen und Kleidern bis hin zu älteren Damen alle versammeln. Die große Kirche ist bis zum letzten Platz gefüllt.

Junge Männer tragen oft Bart oder Schnurrbart, junge Frauen Sommerkleider im Vintagestil mit einem lässig über die Schulter gelegten Tuch. Manche wirken etwas verkleidet, manche authentisch. Daran sieht man, dass diese Trends auch erst neu sind und etabliert werden müssen.

Die Messe wird zwar auf Latein gehalten, hat jedoch einen starken spezifisch ungarischen Charakter. Die Menschen suchen hier sowohl Halt bei Gott als auch eine kulturelle Verankerung und Gemeinschaft von ähnlich Denkenden.

Der Zeit voraus, statt ihr hinterherzurennen

Angekommen am Plattensee, fanden wir viele Touristen, immer wieder aber solche jungen Paare und Familien – Ungarn, oft Polen –, die rein optisch dem oben beschriebenen Milieu angehörten. Man gewann den Eindruck, dass diese Menschen der Zeit voraus sind, anstatt hinterherzurennen. Sie verstehen, dass Kultur mehr als nur Wohlstand und Lebensstandard bedeutet. Kultur drückt die Idee aus, wer man sein will und was es zu erhalten und aufzubauen gilt. Diese wird auch durch Stil und Lebensart sichtbar.

Nun möchte ich am liebsten diesen kulturellen Aufbruch ganz Mitteleuropa zuschreiben, bilden wir doch geschichtlich und kulturell eine Einheit. Nicht nur die Zeit der österreichisch-ungarischen Monarchie, sondern auch die der sozialistischen Herrschaft haben uns im gleichen Maße geprägt.

Da aber beispielsweise der Mainstream in Bratislava (Preßburg) oder Prag eher links-liberal orientiert ist, wird man noch eine Weile auf Entwicklungen wie die in Ungarn oder Polen warten müssen. Zumindest zeigen sie uns aber bereits heute, wie es gehen kann.

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Christ
Vor 1 Jahr 2 Monate

Der gemeinsame Nenner der diversen Beiträge zum optischen Flair eines selbstbewussten, gesunden Milieus mag der Gedanke sein, der Hang zur bequemen Funktionalität ginge zu sehr zu Lasten der Ästhetik. Das mag schon sein, rechtfertigt aber nicht die Überbetonung modischer Äußerlichkeiten und überrascht besonders in einem sich als fundamental-christlich verstehenden Medium.
Daher: Nein - keine Zustimmung zur Autorin.

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Stefan
Vor 1 Jahr 2 Monate

Danke für diesen Kommentar!

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Christ
Vor 1 Jahr 2 Monate

Der gemeinsame Nenner der diversen Beiträge zum optischen Flair eines selbstbewussten, gesunden Milieus mag der Gedanke sein, der Hang zur bequemen Funktionalität ginge zu sehr zu Lasten der Ästhetik. Das mag schon sein, rechtfertigt aber nicht die Überbetonung modischer Äußerlichkeiten und überrascht besonders in einem sich als fundamental-christlich verstehenden Medium.
Daher: Nein - keine Zustimmung zur Autorin.

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Stefan
Vor 1 Jahr 2 Monate

Danke für diesen Kommentar!