Im Stall von Bethlehem wird Gott zum Game-Changer
Man kann es drehen und wenden, wie man will: Europa verliert sich gerade, und Deutschland bildet keine Ausnahme. Fast nichts, was früher galt, bietet heute noch Gewähr. Dies festzustellen, bedeutet keine Angst vor Veränderung. Es ist das Erleben der Unbeständigkeit, das uns so mürbe macht. Pure Politik kann weder dem Einzelnen noch einer Gesellschaft festen Halt geben; das würde die Politik überfordern. Pure Theologie kann das übrigens auch nicht; es muss der Glaube hinzukommen. Aber woran glauben wir?
Der vorherrschende Pluralismus gibt auf die Frage nach dem Glauben eine eindeutige Antwort: Jeder glaubt an etwas anderes. Pluralismus allein führt nicht zu mehr, sondern zu weniger Zusammenhalt in der Gesellschaft, und darin liegt die Krux der Sache: Wir sind als Gesellschaft uneinig und orientierungslos geworden. Wir streben auseinander, und der Abstand zwischen uns wird immer größer, weshalb wir die Überzeugungen der anderen oft nur noch als Extreme erkennen können.
Die aktuelle Krise resultiert aus Ich-Bezogenheit und Verantwortungslosigkeit
Die Folge ist eine gesellschaftliche Sprachlosigkeit und Kälte, die wir alle zu spüren bekommen: in den Familien, am Arbeitsplatz, in den Schulen und im Freundeskreis. Auch in der Politik, wo doch der Wettbewerb um das bessere Argument, insbesondere zwischen Regierung und Opposition vorherrschen sollte, überwiegen Sprachlosigkeit und persönliche Angriffe. Aber Bashing und Brandmauern tragen nicht zur Besserung der Verhältnisse bei, sondern sind Ausdruck persönlicher Rivalitäten und parteipolitischer Machtansprüche.
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Was wir derzeit als Krise der Demokratie wahrnehmen, sind Ich-Bezogenheit und damit verbunden Verantwortungs- und Führungslosigkeit. Auch in der Politik erweist sich der Pluralismus als Schwäche. Aber was ist die Lösung: Wokismus, Autoritarismus?
Ein sehr schönes englisches Weihnachtslied trägt den Titel „In the Bleak Midwinter“ (Mitten im kalten Winter). Die erste Strophe beschreibt die Verhärtungen unserer Tage sehr gut: klirrend kalter Wind, die Erde hart wie Eisen, das Wasser wie ein Stein.
Christi Geburt ist eine Krönung
Jetzt beginnt das Weihnachtsfest. Als Christen wissen wir: Es reicht nicht, auf bessere Zeiten zu warten. Natürlich, der Frost wird nicht in der Erde bleiben. Aber was ist mit dem Frost, der in die Herzen gekrochen ist, was mit den entstandenen Verhärtungen in der Gesellschaft, in den Familien und im Freundeskreis?
In der zweiten Strophe heißt es: „Himmel und Erde werden entfliehen, wenn Er kommt, um zu herrschen.“
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An Weihnachten feiern wir die Geburt Christi. Aber wenn wir das Fest nur als Kindergeburtstag verstehen, verkennen wir seine wahre Bedeutung. Tatsächlich ist es eine Krönung: Der Herr der Heerscharen, Gott selbst, reißt die Himmel auf, entfernt Schloss und Riegel und öffnet Tor und Tür.
Im Stall von Bethlehem wird Gott zum Game-Changer. Er kommt nicht her vom Himmel hoch, um mit etwas mehr Mitgefühl für uns in den Himmel zurückzukehren, sondern er kommt, um zu bleiben – und das ist eine schlechte Nachricht für all jene wie Herodes, die glauben, sie könnten sich aufblähen und mit allerlei Forderungen, Pflichten, Zwängen, Lügen und Ungerechtigkeit irdische Machtansprüche stellen.
Europa muss sich auf seine christlichen Wurzeln besinnen
In der letzten Strophe von „In the Bleak Midwinter“ taucht die Frage auf, was wir ihm geben können. Schließlich sind unsere Mittel und Möglichkeiten begrenzt.
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Wir können und müssen keine Vorleistungen erbringen. Gott kommt nicht mit einem Katalog von Forderungen. Pflichten und Zwänge sind keine Mittel seiner Herrschaft. Allein unser Glaube ist wichtig, und das Vertrauen, sich von ihm verändern zu lassen. Gott hat im Stall von Bethlehem eine Bewegung gegründet, und die Botschaft lautet: Schließt euch an, macht mit und verändert die Dinge zum Guten. Die Welt kann nicht verloren gehen, weil Gott selbst zu ihrer Rettung erschienen ist. Das ist der Grund der weihnachtlichen Freude: Glaube, Liebe und Hoffnung führen zum Ziel. Unser Beitrag sind die drei, vor allem aber die Liebe, und damit beginnt die Veränderung.
Im zu Ende gehenden Jahr ist in Frankreich die Zahl der Taufen sprunghaft angestiegen: um 45 Prozent. Vor allem Jugendliche und junge Erwachsene entscheiden sich nun bewusst für eine Taufe, und das überrascht sogar die Bischöfe der römisch-katholischen Kirche, die darin ein „Zeichen vom Himmel“ sehen. Ein Grund für diesen Taufboom könnte die Einsicht sein, dass Europa nur dann wieder zurück zu sich selbst findet, wenn es sich auf seine christlichen Wurzeln besinnt, was zweifellos richtig ist.
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Von Otto von Habsburg stammt der wahre Satz: „Europa wird christlich sein oder es wird gar nicht sein.“ Sicherlich gehört zum europäischen Erbe mehr als das Christentum, aber ohne das Christentum verspielen wir alles. Ohne das christliche Menschenbild wird unsere europäische Geschichte zur reinen Archäologie.
Auf Gott vertrauen
Weihnachten ist ein guter Zeitpunkt, uns zurückzubesinnen, nicht nur auf das ausgehende Jahr, sondern vor allem auf das, was uns ausmacht. Unsere Mittel und Möglichkeiten sind begrenzt, aber der christliche Glaube kann Berge versetzen, wenn wir ihn wieder neu für uns entdecken. Der Glaube freilich ist das Vertrauen auf Gott, der sein Volk im Laufe der Geschichte immer wieder aus babylonischer Gefangenschaft in die Freiheit geführt hat.
Das Jesuskind in der Krippe erinnert uns daran, dass das Heil nicht im Pluralismus, Wokismus oder Autoritarismus zu finden ist, nicht im menschlichen Machtanspruch und Machbarkeitsdenken, sondern im Vertrauen auf Gott, der tut, was er sagt, und der uns mit all unseren Schwächen und Unzulänglichkeiten in seinen Dienst nimmt. Nehmen wir ihn an.
Frohe Weihnachten!
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