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Kolumne „Der Schweizer Blick“

Anderswo ist es noch schlimmer!

Wir haben mitgemacht. Als Nation. Wir haben Lockdowns veranstaltet, Schulen geschlossen, florierende Betriebe in den Ruin getrieben und die Gesellschaft gespalten. Zum überwiegenden Teil völlig ohne Wirkung und gänzlich ohne Notwendigkeit. Ganz so, wie das der Rest der Welt in den letzten rund drei Jahren betrieben hat.

Jedes Panikszenario, das sich im Nachhinein als kreuzfalsch erwies, diente auch der Schweizer Regierung, unverhältnismäßige Maßnahmen einzusetzen. Mit dem völlig fiktiven Ziel, ein Virus auszurotten, das ganz bestimmte Risikogruppen schwer treffen kann, aber weit davon entfernt ist, zur allgemeinen Gefahr zu werden.

Soweit zu den Parallelen. Entscheidend sind aber die Unterschiede. Wenn in der Schweiz Menschen auf die Straße gingen, um für Grundrechte, die Freiheit des Einzelnen und die Einhaltung der Verfassung zu demonstrieren, erhielten sie stets dieselbe Antwort. Die lautete: „Was wollt ihr eigentlich? Anderswo ist es ja noch viel schlimmer.“

Genau daran krankt unser Alpenland. Dass man immer ein noch dramatischeres Beispiel findet. Und sich damit so gut wie alles rechtfertigen lässt.

Keine Ausgangssperren, keine Impfpflicht

In Bayern gab es eine Ausgangssperre. Hatten wir das hier? Nein, natürlich nicht. Deutschland hat einen Gesundheitsminister, der zwischen TV-Shows und Twitter herumhetzte, um nackte Angst zu verbreiten, und bei dem man sich fragte, wann er seine eigentliche Arbeit eigentlich macht. Hatten wir das hier? Nein, natürlich nicht. Österreich hat eine Impfpflicht eingeführt (die sich schnell als Rohrkrepierer entpuppte). Hatten wir das hier? Nein, natürlich nicht. In Italien musste man Maske tragen, als Covid-19 längst eine verblasste Erinnerung war. Hatten wir das hier? Nein, natürlich nicht.

Na also: Bei den Deutschen, bei den Österreichern, bei den Italienern und so weiter war alles noch viel heftiger. Worüber soll man sich in der Schweiz also beklagen? Man betreibe eine Coronapolitik mit Augenmaß, erklärten uns die Politiker mit Blick auf das Ausland. Man schieße nicht wie andere über das Ziel hinaus. Man beachte das Gesetz der Verhältnismäßigkeit.

Die Schweiz als Sonderfall – mal wieder. Nur, dass es nicht so war. Es ist ein bisschen wie auf dem Schulhof. Natürlich sieht es vergleichsweise besser aus, wenn ich meinen Mitschüler nur ein bisschen verprügle und nicht gerade halbtot schlage, wie es ein anderer tut. Aber macht es das besser?

Wir hatten in der Schweiz dieselben Vorzeichen wie unsere Nachbarn. Eine Regierung und eine Verwaltung, die aus einer Mücke einen Elefanten machte und zur Bestätigung ihrer Politik eine Truppe handverlesener Wissenschaftler einsetzte. Alle anderen, die ein paar Fragen stellten, wurden mundtot gemacht. Sämtliche großen Verlagshäuser unterstützten diesen Kurs völlig unkritisch. Bei harmlosen Kundgebungen gegen die Coronamaßnahmen wähnte man sich angesichts des Aufmarschs schwer bewaffneter Polizisten im Krieg. Künstler, die aus der Reihe tanzten, wurden gecancelt. Geimpfte wurden gegen Ungeimpfte aufgehetzt. Und so weiter und so fort.

Dass man bei uns den Hund abends noch Gassi führen durfte: Schön und gut, aber muss man dafür wirklich dankbar sein? Klar, das muss man, erfuhr man am Stammtisch, denn direkt über der Grenze ist das ja nicht mehr der Fall. Also sind wir die Vernünftigen.

Wenn Unrecht als Recht verkauft wird

Was für eine verquere Sicht der Dinge. Das Unrecht als Recht zu verklären, weil woanders noch mehr Unrecht geschieht, ist der Gipfel der Dummheit. Sich die Ungerechtigkeiten der letzten paar Jahre schönzureden, weil man sie nicht ganz so uferlos erlaubte wie in anderen Ländern: Ist das der Anspruch, den ein Staat an sich selbst hat?

Nein, die Schweiz hat es nicht besser gemacht als andere. Vielleicht im Detail, aber nicht im großen Ganzen. Zumal bei dieser Betrachtung die Länder ausgeblendet werden, die sich sehr viel entspannter verhalten haben, ohne unter die Räder des Virus zu kommen. Bringen wir nicht schon unseren Kindern bei, sich nicht gegen unten zu orientieren, nicht den schlechtesten Fall als Referenz zu nehmen? Nichtsdestotrotz verteidigt unsere Regierung ihre Politik damit, dass andere ja zu noch härteren Mitteln gegriffen haben.

Falsch bleibt falsch. Egal, ob ein anderer gleich mehrere falsche Abzweigungen genommen hat. Nimmt man sich selbst als souveräne Nation ernst, kann man sich nicht hinter den Irrwegen anderer verstecken.

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