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Auszug aus „Deutschland ist nicht mehr sicher“

Als Polizist im Schatten der Regenbogenflagge

Ein Flaggenmeer aus Schwarz-Rot-Gold. Ausgelassene Stimmung daheim, bei Freunden und überall, wo man hinkam. Ein einziges riesiges internationales Fest auf den Straßen und auf den öffentlichen Plätzen. Fanmeilen, Public Viewing, Euphorie, die ganze Welt zu Besuch in Deutschland: Wie gern erinnern wir uns an die Fußball-Weltmeisterschaft 2006! 

Da schien die Welt in Ordnung. Man wollte einfach, dass es nie endet. So hätte es für immer weitergehen können. Was für ein Sommer!

Ich weiß noch, wie viele meiner Kollegen sich schon auf die Fußball-Europameisterschaft 2024 freuten, auch auf ihren Dienst dabei. Sie hofften auf ein ähnlich unbeschwertes Ereignis wie das damalige „Sommermärchen“. Endlich ist Deutschland wieder Gastgeber eines solchen Großereignisses! Sie rechneten mit positiv gestimmten Fans, die mit ihrer Begeisterung und ihrem bunten Treiben für ein paar Wochen etwas beschwingte Abwechslung in den sonst so ernsten Alltag der Polizisten bringen würden. Und natürlich schwang auch ihr eigenes Fußball-Fieber mit. Doch ziemlich schnell wurde uns allen klar, dass jetzt ein anderer Wind wehte als 2006.

Deutsche Polizisten sollen neutral sein. Bitte was?

Schon drei Monate vor Anpfiff kam der erste Dämpfer: Die Regierung wollte keine Deutschlandfarben den Uniformen sehen, genauso wenig Deutschlandflaggen an oder in den Streifenwagen. So lautete die strikte Anweisung aus dem Bundesinnenministerium. Deutsche Polizisten sollen neutral sein. Bitte was? Ich dachte, ich höre nicht richtig. Warum um Gottes Willen sollten sie das sein? Wem, wenn nicht dem deutschen Staat, dienen sie denn? Die Polizeibeamten sollen sich also öffentlich von den Nationalfarben ihres Landes und damit von ihrer Verfassung distanzieren? Was für eine absurde Idee! 

Plötzlich war in der Retrospektive zur WM 2006 sogar die Rede davon, dass der damalige harmlos demonstrierte schwarz-rot-goldene Nationalstolz mit zum „Rechtsruck“ in Deutschland geführt habe.

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Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Wir reden hier nicht von rundum bis zur Unkenntlichkeit bunt geschmückten Streifenwagen oder von schwarz-rot-gold-geschminkten Polizeibeamten, die den ganzen Tag nichts anderes tun, als riesige Deutschlandfahnen vor sich her zu schwingen.

Manche der Polizisten wollten lediglich kleine Patches auf ihren Überzieh-Schutzwesten anbringen, Deutschlandfähnchen im Streifenwagen aufstellen oder die Autospiegel in schwarz-rot-gold überziehen. Mehr nicht. Ich erinnere mich an einige Gespräche mit Einsatzkräften, die sich bei diesem Verbot fragten, ob hier wohl einige Parlamentarier – die ja genauso Staatsdiener sind wie sie – Deutschland eigentlich gar nicht dienen wollten, sondern es eher verachten.

Stolz auf sein Land zu sein, ist in Deutschland ein No-Go

Was in jedem anderen Land dieser Welt völlig normal ist, nämlich Nationalstolz im besten Sinne zu haben, ohne sich damit über andere Länder und ihren Stolz zu stellen, und diesen auch zu zeigen, ist in Deutschland ein No-Go. In anderen Ländern tragen die Polizisten übrigens das Landeswappen als Teil der Uniform immer – nicht etwa nur zu bestimmten Anlässen.

Natürlich muss Deutschland in Hinblick auf seine nationalsozialistische Geschichte ganz besonders sensibel in der Hinsicht sein. Wir dürfen nie wieder auch nur in die Nähe einer solchen Ideologie rücken. Aber neutral zu sein bis hin zur Selbstaufgabe und gar bis zum Selbsthass bis in alle Ewigkeit, ist auch nicht der richtige Weg. 

Und doch scheint dies in manchen Regierungskreisen offenkundig die neue Definition von formvollendeter politischer Korrektheit zu sein. Doch nicht jeder, der gern Deutscher ist, ist auch ein Nazi. Nicht jeder, der sein Land, unser Deutschland, mag, ist ein Rassist. Nicht jeder, der die deutsche Fußball-Nationalmannschaft anfeuert, ist ein Faschist. 

Braucht es nach der schrecklichen Erfahrung des Dritten Reiches und seines schweren Vermächtnisses nicht gerade das: eine deutliche nationale Identifikation mit Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und mit einem Zusammenhalt in einem demokratischen System? Ist das nicht genau das, was die Deutschlandflagge symbolisiert? Und ist das nicht das, wofür die Polizei jeden Tag mit Herz und Hand einsteht? Warum sollte man die Deutschlandflagge dann also verstecken?

Das stärkste Symbol der linken politischen Korrektheit

Doch so ganz neutral muss die Polizei dann wohl doch nicht sein, denn die Regenbogenflagge als Zeichen der Solidarität mit Mitgliedern der LGBTQ-Gemeinschaft ist in der Hand und am Revers von Polizisten vom Innenministerium ausdrücklich erwünscht. Regenbogenflaggen waren quer über die Motorhauben von Streifenwagen zu sehen, vor Dienstgebäuden der Polizei, vor allem vor den Präsidien, und auch auf dem Reichstagsgebäude. Aber Deutschlandfahnen zur EM im eigenen Land –- da hat man neutral zu sein.

Vor allem im Juni jeden Jahres, dem sogenannten Pride Month, in dem Menschen sich mit ihren sexuellen Orientierungen und Veranlagungen in der Öffentlichkeit zeigen und auf diese hinweisen wollen, ist es durchaus gern gesehen, dass Polizisten mit Menschen, die sich der sogenannten LGBTQ*-Gemeinschaft zugehörig fühlen, posieren und damit ihre Sympathien dafür ausdrücken. Natürlich darf auf diesen Darstellungen die Regenbogenfahne nicht fehlen! 

Für das stärkste Symbol der linken politischen Korrektheit, für ein klares politisches Statement, wird die Polizei also gern vom Innenministerium instrumentalisiert. Da ist plötzlich von Neutralität keine Rede mehr. Die Verantwortlichen sprechen dann gern von einer „klar definierten Ausnahme“.

 

Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Auszug aus dem soeben erschienen Buch „Deutschland ist nicht mehr sicher: Wie unsere Polizei zwischen Politik und Straße aufgerieben wird.“, den wir mit freundlicher Genehmigung des Autors veröffentlichen.

Manuel Ostermann, Deutschland ist nicht mehr sicher: Wie unsere Polizei zwischen Politik und Straße aufgerieben wird. Neuburg an der Kammel 2025, Deutscher Wirtschaftsbuch Verlag, 256 Seiten, gebunden, 22,- Euro

 

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