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Ulrich Vosgerau gegen „Correctiv“

Herr Vosgerau, was tut man, wenn man ins Visier der Medien gerät?

Auch drei Wochen nach der Veröffentlichung eines langen Berichts der Rechercheplattform Correctiv über ein vermeintliches „Geheimtreffen“ von konservativen und rechtsradikalen Akteuren in Potsdam beschäftigt der Fall Deutschland. Am vergangenen Wochenende gingen erneut Hunderttausende auf die Straße, für das nächste sind weitere Demonstrationen angekündigt.

Doch nun geraten zusehends die Correctiv-Journalisten in den Fokus – und in die Defensive. Zunächst wurde die stellvertretende Chefredakteurin Anette Dowideit nach ihrem Auftritt am Sonntag im ARD-„Presseclub“ mehrerer Falschaussagen überführt. So hatte sie dort etwa behauptet, Correctiv würde „nicht von der Regierung bezahlt“ und es habe auch nicht den Begriff „Deportationen“ verwendet. Beides ist nachweislich falsch.

Dann kam heraus, dass ein wichtiger Mitarbeiter, Jean Peters, der für die szenische Darstellung der „Geheimplan“-Geschichte im Berliner Ensemble mitverantwortlich war, bereits mit einer gewalttätigen Aktion gegen eine AfD-Bundestagsabgeordnete aufgefallen war.

Nun hat Correctiv auch noch einen juristischen Gegenangriff abzuwehren. Der Staatsrechtler Ulrich Vosgerau, dessen Aberkennung der Privatdozentur an der Uni Köln die Linkspartei fordert, geht juristisch gegen die teilweise mit Steuermitteln finanzierte Medienplattform vor. Warum er das tut, erzählt er im Corrigenda-Interview.

Sie gehen nun juristisch gegen das teilweise mit Staatsgeldern finanzierte Medienportal Correctiv vor. Könnten Sie bitte kurz erläutern, was Sie Correctiv vorwerfen?

Ich habe bei dieser privaten Zusammenkunft auf Bitten des Veranstalters spontan einen Vortrag über die verfassungsrechtlichen Probleme der Briefwahl vor dem Hintergrund der grundgesetzlichen Wahlrechtsgrundsätze und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) hierzu gehalten. Dies wurde von Correctiv dann völlig falsch dargestellt, so, als sei es darum gegangen, die Legitimität von Wahlen zu untergraben, und zwar deshalb, weil auch türkischstämmige Deutsche daran teilnähmen. Das ist natürlich völliger Unfug, und Correctiv wusste es auch besser, weil sie kurz vor der Veröffentlichung bei mir angefragt hatten und ich denen den Inhalt des Vortrages genauestens erläutert habe. Meine Darlegungen haben sie dann aber ignoriert und dann auch noch geschrieben, ich hätte ihre Darstellung bestätigt. Da kann man sehen, wie die arbeiten.

Warum gehen Sie diesen Schritt erst jetzt, drei Wochen nach Erscheinen des Artikels „Geheimplan gegen Deutschland“?

In den ersten Tagen war keine Zeit, Unterlassungsansprüche zu prüfen. Denn es war ab der ersten Minute klar, dass der Kampf in der Sache kaum juristisch, sondern nur publizistisch zu gewinnen war. Jeder, der den Correctiv-Text aufmerksam liest, muss eigentlich bemerken, dass er völlig unsubstantiiert ist. Rechtlich vorgehen kann man ja eigentlich nur gegen unzutreffende Tatsachenbehauptungen. Der Text enthält jedoch kaum welche, sondern es werden immer nur Wertungen von Correctiv präsentiert, was nach deren Einschätzungen „Rechtsextremisten“ heimlich denken würden. Deswegen ist es ja so unglaublich skandalös, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk und die meisten Mainstream-Medien dieses wirre Gewäsch als „Enthüllung“ präsentiert haben, die sich aus einer „Recherche“ ergeben habe. „Enthüllt“ wird ja nur, dass Correctiv Menschen, die die unkontrollierte Masseneinwanderung in die Sozialsysteme nicht völlig unkritisch sehen, für „rechtsextrem“ hält und ihnen alles mögliche Böse zutraut.

Und jetzt also doch der juristische Kampf.

Wir waren erst einmal geraume Zeit mit der medialen Gegenoffensive beschäftigt; und dann musste der Correctiv-Text eben sehr sorgfältig juristisch geprüft werden, beim Äußerungs- und Presserecht sind kleinste Details entscheidend wichtig, manchmal unterscheidet sich die Rechtsprechung der möglicherweise zuständigen Gerichte – deswegen geht das alles nicht im Handumdrehen.

„Lügen-Auftritt beim ARD-‘Presseclub’ war ein Wendepunkt“

Correctiv befindet sich nun nicht nur juristisch, sondern auch auf der Deutungsebene in der Defensive. Nachdem dessen Vize-Chefredakteurin Anette Dowideit in der ARD behauptet hatte, ihr Portal habe den Begriff „Deportation“ nicht verwendet, obwohl das nicht stimmte, hat sie sich nun von Twitter/X zurückgezogen. Wie beurteilen Sie als politisch interessierter Bürger das Verhalten von Correctiv?

Sie hat ja auch behauptet, man habe die Analogie zur Wannseekonferenz selbst nie gezogen, und Correctiv sei 2023 gar nicht u. a. von der Bundesrepublik und dem Land Nordrhein-Westfalen finanziert worden, was beides gelogen war. Ersteres hat den Hintergrund, dass Correctiv nun auch in linken Kreisen kritisiert wird; es ist eine Ungeheuerlichkeit, einen Kaminabend von Geschäftsleuten, vor dem es u. a. eine Buchvorstellung gibt, mit der Wannseekonferenz in Verbindung zu bringen, diese Leute scheinen ja völlig bescheuert zu sein!

Der Lügen-Auftritt beim ARD-„Presseclub“ am vergangenen Sonntag war ein Wendepunkt, seither beginnt sich auch bei etablierten Medien herumzusprechen, wie unglaublich faul die ganze Sache von Anfang an war. Der Organisator dieses Lauschangriffs betreibt ja übrigens eine Webseite, auf der er sich erbietet, mediale Lügengeschichten in die Welt zu setzen, um die Politik zu manipulieren.

Sie spielen auf Jean Peters an, der mitverantwortlich war für die szenische Aufführung des „Geheimplans“ im Berliner Ensemble. Peters sorgte deutschlandweit für Schlagzeilen, als er der AfD-Bundestagsabgeordneten Beatrix von Storch während einer Parteiveranstaltung in Kassel als Clown verkleidet eine Torte ins Gesicht schmetterte. Später wurde er dafür verurteilt.

Ja, und auf seiner Website heißt es wortwörtlich: „Ich entwickele Aktionen und erfinde Geschichten, mit denen ich in das politische und ökonomische Geschehen interveniere.“

Zur Person Ulrich Vosgerau

Dr. Ulrich Vosgerau, Jahrgang 1974, studierte Rechtswissenschaft in Passau und Freiburg i.Br. Er war Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes. Vor der Promotion an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg 2006 arbeitete er einige Zeit als Rechtsanwalt in Berlin. Seit 2006 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Seminar für Staatsphilosophie und Rechtspolitik an der Universität zu Köln, von 2007 bis 2015 Akademischer Rat. Vosgerau habilitierte sich 2012. Er hat die Lehrbefugnis für die Fächer Öffentliches Recht, Völker- und Europarecht, Allgemeine Staatslehre und Rechtsphilosophie. Seine Habilitationsschrift erschien 2016 unter dem Titel „Staatliche Gemeinschaft und Staatengemeinschaft: Grundgesetz und Europäische Union im internationalen öffentlichen Recht der Gegenwart“ bei Mohr Siebeck. Zwischen 2006 und 2018 lehrte er an der Universität Köln unter anderem über Grundrechte und Staatsorganisationsrecht. Seit 2018 hat er sich von der Lehrverpflichtung befreien lassen. Vosgerau nahm Lehrstuhlvertretungen an der LMU München, der Leibniz-Universität Hannover, der Universität Passau und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg wahr. Vosgerau ist als CDU-Mitglied auch Mitglied des Kuratoriums der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung. Im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zur unbeschränkten Grenzöffnung für auf dem Landweg einreisende Asylbewerber trotz der Wiedereinführung von Grenzkontrollen am 13. September 2015 vertrat Vosgerau die AfD-Bundestagsfraktion als Prozessbevollmächtigter. Reiche publizistische Tätigkeit durch Veröffentlichungen unter anderem in Junge Freiheit, Tichys Einblick, Cicero, Rheinische Post, FAZ.

Das Magazin Tichys Einblick hat berichtet, es sei wahrscheinlich, dass der Verfassungsschutz die Räumlichkeiten in Potsdam überwacht habe und die daraus gewonnenen Informationen an die Correctiv-Leute weitergegeben habe. Wie gehen Sie mit dieser Nachricht um, möglicherweise Gegenstand einer Bespitzelung geworden zu sein?

Als ich erstmals vom Veranstalter hörte, dass offenbar unser gesamtes Treffen abgehört worden ist, war ich überhaupt nicht beunruhigt! Ich dachte: das kann man ruhig abhören, da ist ja nichts Schlimmes und nichts Peinliches passiert, alles war distinguiert und bildungsbürgerlich. Später zeigte sich, was Correctiv – die, wie gesagt, eigentlich keine Tatsachenbehauptungen aufstellen, sondern eigene Angstphantasien suggestiv unter die Leute bringen – daraus dann gemacht hat.

„Ins Visier der Medien zu geraten, ist ein Riesenproblem“

Was raten Sie Opfern medialer Kampagnen? Schließlich können die auch handfeste Folgen im Leben von Betroffenen haben. Die CDU-Politikerin Simone Baum wurde, wie am gestrigen Mittwoch bekanntwurde, von der Stadt Köln entlassen. Frau Baum war auch bei besagtem Treffen in Potsdam anwesend.

Das Problem von Frau Baum ist – so will ich hoffen – juristisch lösbar, hier bräuchte es einen Fachanwalt für Arbeitsrecht, der insbesondere auch mit dem Recht des öffentlichen Dienstes vertraut ist. Ich kann mir derzeit nicht vorstellen, dass diese Kündigung Bestand haben kann, es ist ja weder eine Straftat noch eine Ordnungswidrigkeit, eine Buchvorstellung durch einen Autor anzuhören, der im Verfassungsschutzbericht erwähnt wird. Auch die Pflicht im öffentlichen Dienst zur Treue zur Verfassung gebietet es nicht, sich auch privat von jeglichen sprachlichen Äußerungen solcher Personen abzuschirmen. Und schließlich: Nichts, was in Potsdam beredet und angehört wurde, war auch nur zum mindesten „verfassungsfeindlich“!

Und wenn man ins Visier der Medien gerät?

Das ist ein Riesenproblem. Das Presse- und Äußerungsrecht ist eine äußerst komplizierte Materie, bei der es auf letzte Feinheiten ankommt. Die Journalisten sind darauf trainiert, unterlassungsfeste Texte zu schreiben, bei denen zumal der unerfahrene Leser glaubt, lauter Informationen zur Kenntnis zu nehmen, die in Wahrheit aber nur aus Wertungen bestehen und daher nicht wirksam bekämpft werden können. Einen medienrechtlich versierten Spezialisten, der kaum unter 500 Euro pro Stunde verlangen wird, braucht man vor allem für die Erstbegutachtung der Rechtslage, die für den Betroffenen meist mit Enttäuschungen verbunden ist, denn die Medien dürfen fast alles, und auch auf den ersten Blick noch so ungeheure Lügen stellen sich dem Fachmann als zulässige Werturteile dar.

Ist man aber nicht gut beraten und stellt Anträge, die im Ergebnis keinen Erfolg vor Gericht haben, so verwendet die Gegenseite dies für ihre weitere Schmähpropaganda. D. h., sie sagen dann nicht wahrheitsgemäß: „Die Meinungs- und Pressefreiheit des Grundgesetzes reicht so weit, dass wir selbst den größten Blödsinn ungestraft behaupten dürfen – und das nutzen wir einfach aus, um unseren Mitmenschen zu schaden!“ Sondern sie drehen es so, bzw. der Laie versteht es so, als habe ein Gericht die sachliche Richtigkeit der Vorwürfe, z. B. dass man ein „Faschist“ oder ähnliches sei, umfänglich geprüft und sie hätten sich als „wahr“ erwiesen, und deshalb dürfe man das jetzt sagen.

Wem 500 Euro pro Stunde zu viel sind, kann sich bereits für 4,99 Euro mein inzwischen etwas angejahrtes Buch „Die Herrschaft des Unrechts“ in der Kindle-Fassung kaufen. Dort erläutere ich am Beispiel eines seinerzeit von mir mit der Süddeutschen Zeitung geführten Rechtsstreits die Grundlagen des Äußerungsrechts, und warum es dem von einer Medienkampagne Betroffenen oft wenig hilft. Wichtiger ist es allemal, eigene Medien und eine echte Gegenöffentlichkeit zu haben! Und dass es die inzwischen gibt, erweist sich jetzt auch anhand des Correctiv-Skandals.

 

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Kommentare

Comment

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Kommentar
6
Bernstein
Vor 2 Monate 3 Wochen

Es bleibt fraglich, warum jetzt so intensiv Kritik an Correctiv geübt wird; welchen Zweck soll das noch erfüllen? Der inhaltliche Kern dieser Veranstaltung wurde von verschiedenen Seiten match bestätigt, und genau deshalb gehen Menschen auf die Straße. Das ist hausgemacht. Leider geht Corrigenda in keinem Artikel darauf ein, über die Pläne die dort besprochen wurde, obwohl es Konsens ist.

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Michael
Vor 2 Monate 3 Wochen

Die Berliner Zeitung berichtet von Besuchen im Innenministerium. Aber natürlich kann man sich an nichts erinnern, hat keine Notizen gemacht usw.
Falls es zutreffen sollte, dass das Innenministerium bzw. eine nachgeordnete Behörde geheimdienstliche Erkenntnisse an private Journalisten weitergegeben hat, dann wäre das ein größtmöglicher Skandal.

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Mindmaker
Vor 1 Monat 4 Wochen
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Dym
Vor 2 Monate 2 Wochen

SCHAUEN WIR UNS IN DER WELTGESCHICHTE UM: Wo gibt es das, dass die Regierung die Bevölkerung anspornt, gegen die legale und legitime Opposition auf die Straße zu gehen und sie zu diffamieren?

Nennt man so etwas Demokratie?
In einer Demokratie ist es die Aufgabe einer Demokratie, die Regierung zu hinterfragen, zu kritisieren und an den Interessen der Bürger zu messen.

Sollte die Regierung für andere Interessen unterwegs sein, z.B. für die Interessen weltweiter Eliten, des WEF, der WHO usw., dann MUSS die Opposition das deutlichst aufdecken und aufs Schärfste verurteilen. Genau das macht die AfD.

https://www.youtube.com/watch?v=wc1MH0nRYa8
Great Reset und 3. Weltkrieg

Die AfD erfüllt ihre Aufgabe seit Jahren.

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Andy
Vor 2 Monate 3 Wochen

Neue Gesprächsrunde mit Ulrich Vosgerau bei AUF1.TV

Suche:

Auf1 Remigration Geheimplan Unwort des Jahres

( falls Links erlaubt, hier der Link)

auf1.tv/lagebesprechung-auf1/remigration-geheimplan-unwort-des-jahres-grundlage-fuer-ein-afd-verbot

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Michael
Vor 2 Monate 3 Wochen

Die Berliner Zeitung berichtet von Besuchen im Innenministerium. Aber natürlich kann man sich an nichts erinnern, hat keine Notizen gemacht usw.
Falls es zutreffen sollte, dass das Innenministerium bzw. eine nachgeordnete Behörde geheimdienstliche Erkenntnisse an private Journalisten weitergegeben hat, dann wäre das ein größtmöglicher Skandal.

6
Bernstein
Vor 2 Monate 3 Wochen

Es bleibt fraglich, warum jetzt so intensiv Kritik an Correctiv geübt wird; welchen Zweck soll das noch erfüllen? Der inhaltliche Kern dieser Veranstaltung wurde von verschiedenen Seiten match bestätigt, und genau deshalb gehen Menschen auf die Straße. Das ist hausgemacht. Leider geht Corrigenda in keinem Artikel darauf ein, über die Pläne die dort besprochen wurde, obwohl es Konsens ist.

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GK
Vor 2 Monate 3 Wochen

Dann benennen Sie doch die angeblich besprochenen Pläne! Correctiv vermochte es jedenfalls nicht. Es ist auch kein Wahrheitsbeweis, wenn Hunderttausende demonstrieren gehen. Das war es schon bei den angeblichen Hetzjagden von Chemnitz nicht, die sich später als glatte Lüge herausstellten.

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Isis Alina Klinken
Vor 2 Monate 3 Wochen

Dieses Buchvorstellungstreffen ist offensichtlich absichtlich mit dem AfD-Landesparteitag vermengt worden. Beim Ersteren ist einfach über die politische Situation in Deutschland und angemessene Migrationspolitik diskutiert worden, das hat ja nichts mit der Sachsen-Anhalts-AfD zu tun.