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Bekehrung eines Stars

Der seltsame Fall der M.I.A.

Manchmal passiert es, dass Künstler öffentlich über ihren christlichen Glauben sprechen. Das Spektrum reicht von Musikern wie Justin Bieber und Selena Gomez über Schauspieler wie Denzel Washington, oder Shia LaBoeuf, dessen Rolle als Pater Pio im gleichnamigen Film ausschlaggebend für seine Konversion in die katholische Kirche war.

Die Reaktionen auf solche Bekenntnisse sind — neben der zeitweiligen hollywoodeschen Stimmungslage — wesentlich von der Fanbase des Künstlers geprägt. Positiv bis neutral fallen sie in der Regel aus, wenn die Fanbase entweder so breit ist, dass sie (besonders in den Vereinigten Staaten) ohnehin einen Großteil religiöser oder kultureller Christen umfasst, wie es bei Sängern wie Justin Bieber der Fall ist. Ähnlich fallen die Reaktionen aus, wenn Künstler wie  Schauspieler Denzel Washington bereits auf ihrem Weg zum Ruhm offen mit ihrem Glauben umgehen. In beiden Fällen reagieren Fans in der breiten Masse wenig irritiert, wenn das Thema Religion aufkommt.

Ganz anders kam es bei der Sängerin M.I.A. Die britisch-tamilische Rapperin, die mit bürgerlichem Namen Mathangi Arulpragasam heißt, wurde 1975 in London geboren. Kurz nach ihrer Geburt zog die Familie zurück nach Sri Lanka. Ihr Vater wurde dort Gründungsmitglied von EROS, einer tamilisch-nationalistischen und marxistischen Organisation, die Kontakte zur Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO pflegte. Mit Mutter und Schwester zog Mathangi später zurück nach London, wo sie zuerst in einem Flüchtlingsheim unterkamen.

Von „Waffen sprengen die Türen des Systems“ …

2001 wurde Mathangi für den britischen Kunstpreis Turner Prize nominiert. Zwei Jahre später brachte Mathangi, die zu diesem Zeitpunkt den Künstlernamen M.I.A. trug, ihre erste Single Galang (2003) heraus und wurde zum Untergrund-Star der alternativen, insbesondere studentischen, Musikszene. Spätestens mit Paper Planes erreichte sie 2007 internationale Bekanntheit. Der Song wurde in dem mit acht Oscars prämierten Blockbuster „Slumdog Millionär“ verwendet. 2012 trat sie gemeinsam mit US-Sängerin Madonna auf dem Super Bowl auf.

Seit Beginn ihrer Karriere sorgt M.I.A. für politische Kontroversen. Sei es mit Songtexten wie „Like PLO I don’t surrender“ („Wie die PLO gebe ich niemals auf“), der vermeintlichen Unterstützung tamilischer Terroristen in Sri Lanka oder ihrer scharfen Kritik an der US-Außenpolitik. Befreundet ist sie mit Whistleblower Julian Assange. Die Einreise in die Vereinigten Staaten wurde ihr mehrmals vorübergehend verweigert.

Das bislang klarste politische Statement setzte M.I.A. mit ihrem Song Borders („Grenzen“), der zum Höhepunkt der Flüchtlingskrise 2015 erschien. Sie beginnt mit: „Freedom, I-dom, Me-dom. Where’s your We-dom? This world needs a brand new Re-dom.“ („Freiheit, Ich-heit, Mir-heit. Wo ist deine Wir-heit? Diese Welt braucht einen brandneuen Re-dom [Rhythmus]“). Und singt: „Guns blow doors to the system, yeah, fuck’em when we say we’re not with them“ („Waffen sprengen die Türen des Systems, yeah, fickt sie, wenn sie sagen, wir gehören nicht zu denen“). Im dazugehörigen Musikvideo strömen Flüchtlingsscharen einen Grenzzaun hinauf oder bilden mit ihren Körpern ein menschliches Schiff. Zu dem Text „This is North, South, East and Western“ bekreuzigt sie sich und trägt ein T-Shirt mit der Aufschrift „Jesus sad“. Wie viele ihrer damaligen politischen Mitstreiter und Verfechter der offener Grenzen sah sie im westlichen Erbe ein Mittel, um dem „globalen Norden“ das Schuldeingeständnis abzuringen.

… zu „Jesus ist real“

Im Gespräch mit DJ Zane Lowe eröffnete M.I.A. vergangenes Jahr ­– für die Öffentlichkeit völlig überraschend –, sie sei ein „wiedergeborener Christ“: „Ich möchte das nicht verbergen, ich möchte nicht lügen und ich möchte, dass meine Fans wissen, dass es einen Grund gibt, warum ich sage, dass Jesus real ist… es hat meine Welt auf den Kopf gestellt.“

Wie kam es dazu? Während der Dreharbeiten zu ihrem Lied Borders im Jahr 2015 erkrankte M.I.A. schwer. Als sie überzeugt war, sie müsse dem Tod in die Augen blicken, bat sie Gott um Hilfe. „Ich hatte eine Vision, und ich sah Jesus Christus“, sagte M.I.A. „Ich konnte nicht glauben, was passiert. Ich dachte, Gott sei erfunden. Ich dachte immer, es sei nur eine dumme Geschichte. Ich wurde buchstäblich im physischen Sinne gerettet“. In einem anderen Interview sagt sie: „Selbst als ich nicht an Jesus Christus und das Christentum glaubte und mich im Hinduismus zu hundert Prozent wohl fühlte, war es der christliche Gott, der mich rettete.“

Im Interview mit dem christlichen US-Magazin Relevant erklärt M.I.A., sie sei immer noch dabei, das Spannungsfeld aus kultureller und religiöser Identität zu verstehen. Als sie als zehnjährige mit ihrer Familie nach London zurückkehrte, fand ihre Mutter zum Christentum. Ihr Vater ist Atheist. M.I.A. hingegen war, wie die meisten Tamilen, Hindu.

„Ich bin immer noch dabei, herauszufinden, was das alles bedeutet“, räumt sie ein. „Momentan glaube ich, dass ich mir selbst darin treu bleiben muss und tun, was ich immer getan habe: Die Wahrheit sagen. Diese Erfahrung (mit Jesus, Anm.) ist passiert. Und darüber muss ich die Wahrheit sagen.“ In ihrem Album Mata (2022) verarbeitet die Sängerin ihre Erfahrungen: „Ich glaubte besonders an Matangi, die Göttin der Kunst und der Kreativität. Angesichts der Tatsache, dass ich mich davon trennen musste, um Jesus Christus anzunehmen, befand ich mich in einer existenziellen Krise.“

Eine Märtyrerin?

Nachdem die Rapperin ihren Glauben öffentlich bekannte, stellte M.I.A. fest, dass dies einen schweren Rückschlag für ihre Karriere bedeutete. Sie behauptete sogar, dass ihre Aussage „Jesus is real“ auf den sozialen Medien mehr negative Reaktionen hervorrief als jede andere ihrer politisch kontroversen Aussagen.

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Die Rapperin sagte, sie habe damit gerechnet, dass sie viele ihrer Fans verlieren würde, wenn sie ihren christlichen Glauben öffentlich machte. Ihren Tweet kommentierte sie mit: „Im Grunde könnten sich alle meine Fans gegen mich wenden, weil sie alle Progressive sind, die Menschen hassen, die in diesem Land an Jesus Christus glauben.“ Und fügte hinzu: „Selbst wenn es mich meine Karriere kostet, werde ich nicht lügen. Ich werde die Wahrheit sagen, und ich werde aussprechen, was ich in Kopf und Herz habe. Wenn ich jetzt sage: ‘Jesus ist real’, dann hat das einen Grund“.

Trotz dieses realen Rückschlags, den M.I.A aufgrund ihres Bekenntnisses erhielt, sollten Christen sich davor hüten, in der Künstlerin eine moderne Märtyrerin zu sehen. Sie ist weiterhin bei ihrer Plattenfirma unter Vertrag und auch ihre Managementfirma SALXCO, die weltberühmte Künstler wie Nicki Minaj oder Doja Cat vertritt, steht hinter ihr.

Dennoch stellt der Fall M.I.A. etwas Besonderes dar. Durch ihren politischen Aktivismus scharte M.I.A. Fans um sich, die im kapitalistischen, reichen Westen – dem „globalen Norden“ – den Unterdrücker der Unterdrückten erkennen. In dieser neomarxistischen Ideologie ist auch das Christentum nichts anderes als ein Werkzeug sozialer Kontrolle und kolonialistischer Machtbestrebungen. Doch theologisch sind Christentum und Marxismus unvereinbar.

Keine Angst vor der Wahrheit

Mit ihrem öffentlichen Glaubensbekenntnis tappte M.I.A. gewissermaßen in ein Wespennest. Dessen ist sich auch die Rapperin bewusst. Im Interview mit Relevant sagt sie: „Ich habe das Gefühl, das mir etwas gezeigt wurde, das ich in meinem Leben nicht mehr zensieren kann, indem ich sage: ‘Das Christentum ist eine Fälschung oder es wurde erfunden, um Menschen zu kolonialisieren‘. Ich kann das nicht sagen, weil ich die Wahrheit kenne“.

Ebenfalls 2022, also Hand in Hand mit ihrer Bekehrung, erschien Mathangis Single The One (dt. „Der Eine“). Auf dem Cover steht ein schwarzes Kreuz vor einem pinken Hintergrund. Im Refrain singt sie: „Ich versuche, den einen zu finden / Was du suchst, versteckt sich nicht / Du versuchst, den einen zu finden / Ich bin es, den du findest.

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Eben dieses Bekenntnis ist es, dass man ihr zugestehen muss. Es ist unwahrscheinlich, dass (und vielleicht auch nebensächlich, ob) M.I.A. ihre politischen Überzeugungen gänzlich verworfen hat. Unbekannt ist auch, ob sie sich hat taufen lassen und nun einer christlichen Konfession angehört. Doch ganz gleich, ob politisch links oder rechts, christlich oder nicht: M.I.A. stand in ihrer zwanzigjährigen Karriere stets unapologetisch zu ihren Überzeugungen. Sie büßte lieber ein als zu schweigen. Wenn sie an eine Wahrheit glaubte, nahm sie lieber die Konsequenzen dafür auf sich, als der Welt zu gefallen. M.I.A. wollte der Wahrheit vertrauen und nahm an, was auf sie folgte.

In dieser Eigenschaft der Schlichtheit liegt etwas zutiefst Christliches. Im Interview mit Relevant sagt sie: „Je mehr ich die Komplexität der Welt verstehe, desto einfacher sind die Dinge wirklich, finde ich. Und lustigerweise ist das Christentum sehr einfach, weil diese Dinge wirklich einfach sind. Die Welt ist wirklich einfach.“

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