Direkt zum Inhalt
Kolumne „Ein bisschen besser“

L’amour toujours

Irgendwann wird auch Sophia Loren gestorben sein. „Dann gibt es eine Frau weniger in meinem Leben“, seufze ich, und Judith tut so, als ob sie diesen Satz überhört hat. Aber ich muss gerade an Sophia denken, weil ein anderer aus dieser Clique verschwunden ist: „Alain Delon, étoile du cinéma français, est mort“, schreibt Le Monde und ich spreche den Satz laut aus, die Wirkung ist eindrucksvoller als „Stern des französischen Kinos“, was vergleichsweise deutsch klingt. „Was machen wir, wenn unsere Helden sterben?“, frage ich meine Frau.

Wir sitzen in der Küche. Das Frühstück ist abgeräumt, ein paar Brötchenkrümel lümmeln noch herum, Fliegen fliegen, Brummer brummen, und als ob das nicht schon niederschmetternd genug wäre, ist unser altes Haus oben am Berg eingepackt von einer dicken Wolke, und es regnet. Ich frage Judith nach ihren Helden. „Romy Schneider“, murmelt sie. Mir ist so, als wären draußen Blitz und Donner gleichzeitig niedergegangen.

Das Liebespaar des 20. Jahrhunderts

Romy und Alain – die beiden waren das Liebespaar des 20. Jahrhunderts. „Der wichtigste Mann in meinem Leben war und ist Alain Delon“, sagte Romy, bevor sie für immer die Augen schloss. „Sie war die große Liebe meines Lebens, die erste, die stärkste – aber leider auch die traurigste“, sagte er, als er schon alt war und man ihm das Leben, die schnellen Autos und den Cognac und die Frauen ansah. Die Sache hielt auch nur fünf Jahre trotz solcher Beschwörungsformeln im Nachhinein.

Solange hält das bei uns auch schon, denke ich, während Judith ausgerechnet dort fegen will, wo ich gerade sitze, sie mich auffordert, die nackten Füße zu heben und mir anschließend Hinweise gibt, wie ich die Gartenmöbel nach überstandenem Regenguss am besten trockenreibe. Das Töchterchen guckt schon zu lange fern, und die Hündin müsste mal gebürstet werden. Hinterm Haus habe ich die verfallene Steintreppe neu zementiert, das Zeug trocknet bei dem Wetter nicht. Ein Hahn kräht, er müsste mal kalibriert werden, denn es ist schon weit nach elf.

Glamour toujours ist auch nicht die Lösung

Vielleicht, denke ich, wäre es ein bisschen besser gewesen, wenn die Romy bei dem Alain um die Füße gefeudelt hätte, während er zum Beispiel versuchte, seinen Text für „Nur die Sonne war Zeuge“ auswendig zu lernen. Oder er hätte mal den Hund gebürstet, anstatt sich mit ihr dauernd am Pool zu räkeln. Vielleicht hätten sie dann nicht nur fünf, sondern 50 Jahre miteinander geschafft. Glamour toujours ist eben Essig, wenn hinten die Treppe verfällt.

Von Sophia dagegen weiß ich, dass sie sehr gute Pasta macht. Ein Spaghettirezept mit Sardellenbutter ist von ihr überliefert. Vielleicht macht mir das Judith heute Abend, und wir können noch sehr lange glücklich sein.

 

› Treten Sie dem Corrigenda-Telegram- oder WhatsApp-Kanal bei und verpassen Sie keinen Artikel mehr!

3
0

Kommentare