Vorsicht, christliche Werbung!

„Fürchte dich nicht, vertraue mir“: Es ist ein ermutigender Satz, gedacht, um Hoffnung zu spenden. In diesen Worten oder sinngemäß findet man die Aufforderung mehrfach in der Bibel. Und nun auch woanders – großflächig auf einem Bus in der Ostschweiz.
Und das ist offenbar das Problem. Die Bibel: Sie darf keinen Platz einnehmen im täglichen Leben. Anders lässt sich die mediale Aufregung nicht erklären, die von der Thurgauer Zeitung kurz vor Ostern verbreitet wurde. „Wieso bei Bus Oberthurgau Jesus mitfährt“, lautete die Schlagzeile, gefolgt von einer Spurensuche. Aus dem Text spricht Fassungslosigkeit: Wie konnte es dazu kommen, dass ein öffentliches Verkehrsmittel mit einem Bibelvers beschriftet ist?
Nüchtern betrachtet geht das ganz einfach. Man bucht die entsprechende Fläche und versieht sie mit der gewünschten Botschaft. Ausgeschlossen ist im konkreten Fall Werbung für harte Alkoholika, Tabakwaren und Erotikdienstleistungen sowie Aussagen, die sexistische, gewalttätige oder verletzende Inhalte transportieren. Was hier kaum der Fall ist – und deshalb ließ sich der Bibelvers auf der Busfläche als „kommerzielle Anzeige“ buchen.
Christliche Werbung ist „kein Einzelfall“
So weit, so unspektakulär. Aber nicht für die besagte Zeitung. „Die christliche Botschaft großflächig auf einem öffentlichen Verkehrsmittel fällt auf“, schreibt der Journalist, und man ist versucht zu erwidern: „Hoffentlich auch – das ist der Sinn von Werbung“. Die Frage ist doch eher: Warum fiel sie dem Journalisten auf? Warum nimmt er diese Botschaft der Hoffnung und des Vertrauens als auffällig oder anstößig wahr? Weshalb geht er umgehend der Frage nach, wie sie es auf den Bus schaffen konnte und konfrontiert die Betreibergesellschaft des Fahrzeugs mit Fragen, als hätte sich hier etwas Ungeheuerliches ereignet?
Was seine Recherchen erbracht haben: Die Werbung mit der christlichen Botschaft sei „kein Einzelfall“. Es klingt, als ginge es um Vorfälle aus der Kriminalstatistik. Wir haben es nicht mit einem einmaligen Ausreißer zu tun, sondern mit einer ganzen Serie – wo soll das nur enden?
In der Tat ist es kein „Einzelfall“. Die bewusste Werbung wurde geschaltet von der „Agentur C“, einem Schweizer Unikum. Gegründet wurde sie von einem erfolgreichen Unternehmer namens Heinrich Rohrer, der ab den 50er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts sein Geld mit Reinigungsmitteln machte. Jahrzehnte später setzte er an zu einer neuen Mission: das Wort Gottes öffentlich zu machen. Seither prangen Verse aus der Bibel auf Plakaten quer durchs Land, inzwischen orchestriert von Rohrers Nachfolger Peter Stucki. Viel Geld fließt in diese Kampagnen, ohne dass damit etwas verkauft werden soll. Vielleicht ist das eine Erklärung für die mediale Fassungslosigkeit: Wie kann man Ausgaben tätigen, ohne etwas dafür zu bekommen? Das macht doch niemand!
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„Unzulässige“ Werbung?
Mehrere tausend Plakate der Agentur C sind es jedes Jahr, die statt für Fastfood, Softdrink-Giganten oder Rabattaktionen die Worte Jesu Christi verbreiten. Es dürfte wenige Schweizer geben, die noch nie eines davon gesehen haben. Die Wirkung ist schwer messbar. Aber wenn es sie gibt, ist sie kaum negativ. Wer die aufbauenden Botschaften brauchen kann, nimmt sie gern entgegen. Wer nichts damit anfangen kann, ignoriert sie. Wie immer bei Werbung.
Oder vielleicht doch nicht. Die Zeitungsredaktion jedenfalls witterte Unzulässiges. „Ist jedoch religiöse Werbung auf einem ÖV-Fahrzeug überhaupt opportun oder gar zulässig?“, fragt sie sich beziehungsweise die Leser und suggeriert damit auch gleich, dass sie es vielleicht nicht ist. Im weiteren Verlauf des Textes wird klar: Die Werbung verletzt keine Regel. Die Frage fällt damit auf den Fragesteller zurück: Wie kommt er auf die Idee, ein Zitat aus der Bibel könnte verboten sein?
Wäre der journalistische Ehrgeiz auch geweckt worden beim Bild einer Flasche auf dem Bus, die sich erst auf den zweiten Blick als alkoholfreie Variante entpuppt? Hätte er sich gewundert über die Werbung für eine Autowaschanlage, die mit einer leichtbekleideten Dame mit Schwamm in der Hand für ihr Angebot wirbt? Oder hat er erst den Verdacht, auf eine Story gestoßen zu sein, wenn ein simples Zitat aus der Bibel dort steht?
Ramadan geht, Ostern nicht
Man kann diese kritische Haltung mit etwas gutem Willen mit der Trennung zwischen Kirche und Staat begründen, mit den Prinzipien der säkularen Gesellschaft. Nur ist ein Bus weder ein Schulzimmer noch ein Parlamentssaal. Und dieses Prinzip besagt auch nicht, dass Religion im öffentlichen Raum grundsätzlich keinen Platz haben darf. Die Kirchen stehen – jedenfalls im Moment – ja auch noch dort.
Zumal nicht mit gleichen Ellen gemessen wird. Schweizer Großverteiler, die vor Ramadan auf allen Kanälen auf ihr neu geschaffenes Angebot für die muslimische Fastenzeit aufmerksam machten, sind kein Problem, kein Journalist würde das jemals hinterfragen. Aber Osterhasen werden gleichzeitig im Ladengestell zu „Sitzhasen“ umbenannt, um keinesfalls Assoziationen auf das christliche Fest zuzulassen.
„Fürchte dich nicht, vertraue mir“: Vielleicht hätte der Journalist die Botschaft einfach wortwörtlich verstehen und auf sich beziehen sollen. Wovor hat der Mann Angst? Wovor möchte er warnen? Und was kann ihm oder anderen passieren beim Anblick dieser Worte?
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Kommentare
Ja, die Umkehrung findet gerade äußerst rasant statt, Christliches und Biblisches wird grundsätzlich zum Verdachtsfall erklärt und Islamisches löst eine völlig irrwitzige und surreale Supertoleranz aus.
Bedrohlich und brandgefährlich, auch wenn jedem bei näherer Betrachtung klar ist, dass ein Hase natürlich nicht wirklich etwas mit dem eigentlichen Osterfest zu tun hat.
Aber darum geht es in Wahrheit ja nicht.
Jeder, der noch wachsam geblieben ist, erkennt auch im genannten Beispiel den Wahrheitsgehalt folgender Aussage aus der Bibel:
"Denn wir kämpfen nicht gegen Menschen, sondern gegen Mächte und Gewalten des Bösen, die über diese gottlose Welt herrschen und im Unsichtbaren ihr unheilvolles Wesen treiben..." (Epheser 6, ab Vers 12)
@Gina F. Ich schliesse mich gerne diesen Gedanken an. Leider haben viele, insbesondere in der Politik vergessen, dass wir ein christliches Land sind. Das bedeutet, dass es nicht nur die christlichen Grundwerte lebt und weitergibt und weitergeben soll, sondern dass gerade das Osterfest, also die Auferstehung von Jesus, die Glaubensgrundlage der Christen ist. Christen verurteilen Menschen nicht, die eine andere Überzeugung haben. Aber sie leben ihre Überzeugung, so wie z. B. Petrus es gesagt hat: "Wir können es ja nicht lassen, von dem zu reden, was wir gesehen und gehört haben" (Apg 4,20).
Aber Osterhasen werden gleichzeitig im Ladengestell zu „Sitzhasen“ umbenannt, um keinesfalls Assoziationen auf das christliche Fest zuzulassen.
Das neueste Märchen, das stets wiederholt wird. Begriffe wie „Sitzhase“ und Varianten davon („Schmunzelhase“, „Traditionshase“) sind schon seit Jahrzehnten in Gebrauch. „Sitzhase“ ist in Deutschland übrigens seit 1938 belegt.
Vor Jahren las ich einen Bericht über die Offenheit ehemaliger DDR-Bürger zum Christentum. Der Autor nannte die Gruppe der ganz Alten, die in ihrer Religiosität an die Zeit vor den Diktaturen anknüpfen konnten. Offen für Christus seien auch die ganz Jungen gewesen. Jene aber, die sich daran erinnerten in ihrer beruflichen Lebenszeit unter Hammer und Sichel marschiert zu sein, seien am verschlossensten geblieben. Wo Christus zum Vorwurf wird, ist er unerwünscht.