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Kolumne „Ein bisschen besser“

Dienstag ist Muttertag

„Sehen wir es mal ganz nüchtern“, habe ich zu meiner Frau Judith gestern gesagt: „Das Hauptargument gegen den Muttertag ist, dass er immer an einem Sonntag und nicht zum Beispiel an einem Dienstag stattfindet.“ Wem schließlich nützen Feiertage etwas, die auf einen Feiertag fallen?

Judith hört gar nicht recht zu, sondern piekst die Frühstückseier an, bevor sie sie ins kochende Wasser legt. Sie entlüftet die Kaffeemaschine, bevor sie die Mühle mit frischen Bohnen füllt. Sie weist mich an, die Hinterlassenschaften der Hündin zu beseitigen, die unter einer Magenverstimmung leidet, während sie selbst die Essensreste der jüngsten Tochter beseitigt, die mit Leberwurstbrot geschmissen hat. Es waren die Sonntagsmorgenshandgriffe, die – Muttertag hin oder her – erledigt werden müssen.

Dabei hatte ich mich schon auf eine spannungsreiche Diskussion vorbereitet. Ich wollte einsteigen mit einer Wortanalyse von „Muttersprache“ bis „mutterseelenallein“, wobei ich gesagt hätte, dass sich auch Männer manchmal einsam fühlen, wenn sie nachts bis in die Puppen Netflix gucken, während die Frau an ihrer Seite schnarcht.

Weiter hätte ich einen historischen Abriss geliefert: Die Nazis haben den Muttertag zum Feiertag erklärt und das Mutterkreuz eingeführt. Im Zuge der Entnazifizierung wurde der Feiertag abgeschafft, aber der Muttertag als solcher beibehalten, was eine Lösung ist, wie sie ansonsten nur Österreicher erfinden können. Bei Oma lag das Mutterkreuz seither im Schrank neben den Strümpfen.

Der Familie drohen nach meiner Überzeugung ganz andere Risiken

Es hielt sich dann jahrzehntelang die etwas naive Sichtweise der Kritiker, dass Mütter täglich zu ehren seien und nicht nur einmal im Jahr. Mit der gleichen Argumentation ließe sich auch der Postbote täglich ehren, und ich bezweifle, dass Judith wegen ihres Mutterseins täglich geehrt werden will. Sie findet es ein bisschen besser, wenn sie wegen ihrer schönen Bilder geehrt wird. Heute sind wir in einer unübersichtlichen Diskussion angelangt, wo Väter sagen können, sie stecken im Körper einer Frau, was jetzt nicht missverstanden werden soll.

Andere plädieren statt für einen Muttertag für einen Elterntag, was mir persönlich nicht recht wäre, weil das ja auf Kosten des Vatertags ginge und ich dann meinen Bollerwagen im Keller lassen müsste. Dritte sehen in einer Abschaffung des Muttertags sogar eine Gefahr für die Familie, der nach meiner Überzeugung jedoch ganz andere Risiken drohen. Zehn-Tages-Urlaube zum Beispiel, die ruckzuck 5.000 Euro verschlingen. Oder „Männer, die sich unter dem Vorwand, sie müssten arbeiten, vor der Arbeit drücken“, fügt Judith hinzu und setzt mir das Töchterchen auf den Schoß.

Sie ist jetzt 15 Monate alt, und sie und ich sind übereingekommen, den friedlichen Kampf dafür aufzunehmen, dass Muttertage künftig auf einen Dienstag fallen.

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