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The Land of the Free

Darum wurden die USA Weltmacht – und darum kriseln sie jetzt

Als Christoph Kolumbus 1492 auf die Knie ging und Gott dankte, begann die Neuzeit. Der Seefahrer hatte keinen neuen Seeweg, sondern einen neuen Kontinent entdeckt. Kolumbus selbst landete auf den Bahamas,doch schon bald darauf sollten die heutigen USA von Europäern besiedelt werden. Nicht nur religiös Verfolgte machten sich auf den Weg, sondern auch Abenteurer und tüchtige Geschäftsleute, um in der Neuen Welt ihr Glück zu suchen. Ein neuer Geist für eine neue Zeit: Nicht mehr die Bewahrung der alten europäischen Ordnung ist grundlegend, sondern der Neuanfang, der Fortschritt, der Weg ins Ungewisse. Der europäische Mensch der Neuzeit ist Entdecker und Eroberer.

Als am 16. September 1620 die „Mayflower“ im englischen Plymouth mit 102 Passagieren an Bord mit Ziel Nord-Virginia in See stach, sollte das ein Meilenstein in der Mentalitätsgeschichte der späteren USA sein: Die Pilgerväter, englische Puritaner, die im Vereinigten Königreich verfolgt wurden, wollten in Übersee ein neues Leben ohne religiöse Verfolgung und staatliche Bedrängnis beginnen.

Das Grundversprechen der Vereinigten Staaten ist seit ehedem: Jeder engagierte Einwanderer soll in den USA sein Leben, seine Freiheit und sein Streben nach Glück verwirklichen können. Diese Trias aus der Unabhängigkeitserklärung ist das Credo der USA und die Grundlage für jede liberale Ordnung.

„Lebe frei oder stirb“

Die Pilgerväter waren zu allem bereit. Die Überfahrt war gefährlich, die Vereinigten Staaten gab es noch nicht, sondern nur kleine, unsichere Siedlungen, die harte Winter und Indianerkriege überstehen mussten. Im November 1620 erreichte die „Mayflower“ Cape Cod bei Massachusetts. Nur 53 Passagiere überlebten den ersten Winter. Historisch unsicher, aber eine Gründungserzählung von Thanksgiving ist, dass die 53 überlebenden Pilger 1621 mit 90 Wampanoag-Indianern drei Tage Erntedank feierten und mit indianischer Hilfe den kommenden Winter überlebten. Im Handel und Überlebenskampf wurde die amerikanische Mentalität geboren: „Live free or die“.

Religionsfreiheit ist eines der Fundamente der USA. Sie kam aber nicht durch die Puritaner, sondern die Baptisten in die Neue Welt. Der Gründer der amerikanischen Baptisten, Roger Williams (1603-1683), lehnte den Wahrheitsanspruch der Anglikaner und Puritaner ab. Er wurde dafür 1636 aus Massachusetts verbannt und gründete den Staat Rhode Island mit der Hauptstaat Providence – Vorsehung. Glaubens- und Religionsfreiheit wurden 1639 die Grundstatuten seiner neuen Gemeinde.

Auf die Knie gegangen und Gott gedankt: Christoph Kolumbus trifft in Amerika ein, Gemälde von 1893

Katholiken waren in den protestantischen Kolonien der USA unerwünscht. Für sie gab es im 17. Jahrhundert nur Maryland. Deren Gründung wurde vom Katholiken George Calvert, 1. Baron Baltimore, 1632 vorbereitet und nach der Ehefrau des englischen Königs Karls I. benannt. 1649 kam es in Maryland zu einem historischen Gesetz, dem Maryland-Toleranz-Gesetz (Maryland Toleration Act). Es gehört zu den ersten Rechtsverordnungen, die auch andere christliche Religionen tolerierten und gilt als Vorläufer für den ersten Verfassungszusatz von 1791 (First Amentment) der USA.

Dieser besagt: „Der Kongress soll kein Gesetz erlassen, das eine Einrichtung einer Religion zum Gegenstand hat oder deren freie Ausübung beschränkt, oder eines, das Rede- und Pressefreiheit oder das Recht des Volkes, sich friedlich zu versammeln und an die Regierung eine Petition zur Abstellung von Missständen zu richten, einschränkt.“

Ganz entscheidend für das Verständnis der Religionsfreiheit in den USA ist deren positive Bedeutung – es geht um Freiheit für die Religion. Damit ist das amerikanische Verständnis von Religion diametral dem der Französischen Revolution entgegengesetzt, das Freiheit von der Religion wollte. In den USA ist Religion klassischerweise eine Sache, die zur Freiheit des Individuums gehört, in Frankreich und dem übrigen Europa gilt sie klassischerweise als obrigkeitliches Unterdrückungsinstrument.

Der klassische Amerikaner ist Christ und staatsskeptisch

Es gibt eine weitere Unterscheidung, die die USA von traditionellen Staaten abhebt. „American Exceptionalism“ (Amerikanischer Exzeptionalismus), wie der Supreme-Court-Richter Antonin Scalia deutlich machte, bestehe nicht in der Erklärung der Menschenrechte oder in einer besonderen Verfassung, sondern in der Struktur des Staatsaufbaus: Die Judikative sei unabhängig, es gebe ein gleichberechtigtes Zweikammersystem (Senat und Repräsentantenhaus) und ein separat gewähltes Oberhaupt der Exekutive (den Präsidenten). Das führe zwar mitunter zu „gridlock“ (Stillstand) in der Durchführung von Gesetzen, aber genau das gehöre zu den USA, so seien die USA verfasst. Genau das halte die Demokratie stabil.

Die USA gründen anders als Frankreich in der Französischen Revolution nicht auf dem naiven Humanismus von Jean-Jacques Rousseau, der im Menschen von Natur aus einen „edlen Wilden“ sieht, der durch die Zivilisation degeneriert sei, sondern auf dem Liberalismus John Lockes, der durchaus konservativer und politisch klug ist. Beiden gemeinsam ist, dass sie christliche Grundlehren, wie jene von der Göttlichkeit Christi oder der Erbsünde, ablehnen. Ebenso besteht eine Skepsis gegenüber absoluten Wahrheitsansprüchen und dem traditionellen Naturrecht. Das hatte aber nur bedingt gesellschaftliche Auswirkungen, denn der Liberalismus herrschte vor allem in der Politik und war pragmatisch, er prägte daher weniger die Fundamente der Gesellschaft. Das Grundproblem des Liberalismus, keine inhaltlichen Vorgaben zu liefern, auf positivem Recht zu gründen und das Böse zu unterschätzen, wurde in den USA erfolgreich durch das Christentum kompensiert. 

Der klassische Amerikaner ist Christ, glaubt an Gott, das Individuum und nicht an eine zügellose, sondern eine gottgegebene Freiheit und Verantwortung, um sein Potenzial zu verwirklichen. Der Amerikaner sieht nicht den Staat, sondern sich selbst in der Verantwortung. Diese den freien Markt und den Wettbewerb begünstigende Mentalität führte in ökonomischer und daraus resultierend auch militärischer Hinsicht zu einem beispiellosen Aufstieg.

Die amerikanische Mentalität – das Erfolgsrezept der Neuzeit

Die amerikanische Mentalität ist das Erfolgsrezept der Neuzeit. In Zentrum stehen Individuum, Christentum, eine starke Arbeitsmoral, Optimismus und Fortschrittsglaube. Den Gründungsvätern war von Anfang an klar, dass das Experiment Amerika auf wackligen Beinen steht und einen moralischen und arbeitsethischen Anspruch an seine Bürger stellt.

James McHenry nahm als Delegierter für Maryland am Verfassungskonvent teil und berichtete über die Ereignisse des letzten Tages des Konvents im September 1787: Eine Dame fragte Benjamin Franklin, einen der Gründungsväter der Vereinigten Staaten, was herausgekommen sei, eine Republik oder eine Monarchie. Franklin habe geantwortet: „A republic, if you can keep it“ (Eine Republik, wenn man sie erhalten kann). In diesem Satz steckt die ganze Zerbrechlichkeit Amerikas. Denn „erhalten“, das war Franklin klar, kann man die Republik nur, wenn das christlich-moralische Fundament bleibt. Sonst wird die Freiheit zu einem liberalistischen Leviathan, der zügellos die Leidenschaften füttert. Der heilige Augustinus brachte das Jahrhunderte vorher mit einem Aphorismus auf den Punkt: „Der Gütige ist frei, auch wenn er ein Sklave ist. Der Böse ist ein Sklave, auch wenn er ein König ist.“

John F. Kennedy, der 35. Präsident der USA, hat in seiner Antrittsrede vom 20. Januar 1961 zusammengefasst, was er von einem Amerikaner erwartet: „Frage nicht, was dein Land für dich tun kann – frage, was du für dein Land tun kannst.“ Das ist das genaue Gegenteil zur „sozialdemokratischen“ Mentalität Europas. Der typische Amerikaner ist staatskeptisch und will selbst aktiv werden. Er hat gleichsam ein „Siegergen“, das sich im Freiheitskampf behaupten soll. Deutlich wird das in Kennedys Rede zur Kubakrise 1962: „The cost of freedom is always high, but Americans have always paid it. And one path we shall never choose, and that is the path of surrender or submission.“ („Der Preis der Freiheit ist stets hoch – aber wir Amerikaner haben ihn immer entrichtet, und ein Weg, den wir niemals wählen werden, ist der Weg der Kapitulation oder der Unterwerfung.“)

Das ist die Mentalität, aus der die mächtigste Nation der Welt hervorging und selbst auf dem Mond ihre Flagge hisste. Oder wie packte es Kennedy 1962 an? „We choose to go to the Moon in this decade and do the other things, not because they are easy, but because they are hard!” – „Wir haben uns entschieden, in diesem Jahrzehnt zum Mond zu fliegen und die anderen Dinge zu tun, nicht weil sie leicht sind, sondern weil sie schwer sind!“

Astronaut Buzz Aldrin und die US-Flagge auf dem Mond, aufgenommen von Neil Armstrong, 21. Juli 1969: „Ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein großer Sprung für die Menschheit!“
Gedenktafel an der Leiter der Apollo-11-Mondlandefähre „Eagle“: „Für die ganze Menschheit“

Heute schwindet das Christentum als notwendiges Korrektiv in den USA. Die USA verlieren ihr Gesicht als freiheitliches, auf Eigenverantwortung bedachtes Land und werden zunehmend zu einem weiteren linken Versorgungsstaat, einem Beglückungsland, in dem der Staat dem Individuum immer mehr Vorschriften macht, Zwänge ausübt und ihn mit vermeintlichen Wohltaten beglückt. Gendergesetze, Cancel-Culture, die weltweite Förderung von Abtreibung und traditionsvergessene popkulturelle Phänomene wie der Sänger Marilyn Manson, der Playboy-Gründer Hugh Hefner oder die Trans-Welle sind nicht in die USA exportiert wurden, sondern kommen aus ihnen.

Die Janusköpfigkeit der USA wird zunehmend eindimensional. Der liberal-atheistische Geist des anything goes, schon immer Teil Amerikas, wird mächtiger und übergriffig. Das amerikanische Erfolgsmodell des verantwortlichen Individuums wird zunehmend ersetzt durch die Ideologie des „sich selbst erschaffenden Menschen“. Es geht nicht mehr darum, seine Religion frei wählen zu können, sondern darum, Geschlechtsumwandlungen, Homo-Ehen und Abtreibungen als staatlich garantierte Freiheitsrechte zu erhalten.

Jede Ablehnung dieser neuen „Freiheitsrechte“ mit dem Verweis auf das Gewissen oder die Religion soll strafrechtlich verfolgt werden. So kam es zu Gerichtsverfahren gegen Bäckereien, die sich weigerten, für eine sogenannte „Homo-Ehe“ einen Kuchen zu backen.

Der Wind wird sich wieder drehen

Der reaktionäre Albtraum von Washington als „neuem Rom“ mit dem Weißen Haus als Petersdom emanzipiert sich mehr und mehr in die Wirklichkeit. Die Ängste waren von Anfang an, dass der Liberalismus gemäß seiner Natur immer mehr die Zügel lockere und am Ende alles auflöse. So behauptete der berühmte savoyische Gegenaufklärer Joseph de Maistre: „Wer diese traurige Natur (des Menschen) studiert hat, weiß es, dass der Mensch im Allgemeinen, wenn er sich selbst überlassen ist, zu bösartig ist, um frei sein zu können.“

Heute kämpfen Transgendersoldaten auf Flugzeugträgern für die freie Welt, der US-Präsident hat Wortfindungsstörungen und das Weiße Haus hisst Regenbogenfahnen. Wer aber ein richtiger Amerikaner ist, bleibt auch hier Optimist. Der Wind wird sich wieder drehen. Freedom will win again – die Freiheit wird wieder siegen!

 

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Kommentare

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Guido Kroll
Vor 1 Monat

Als Hetero stell ich mal die Frage: Sollten nicht auch gleichgeschlechtlich Liebende ein Recht auf die Ehe haben? Aus welchem Jahrhundert stammt der Autor?

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Karl-Alfred Büttner
Vor 1 Monat

Eine excellente Analyse der herrschenden Situation und der zu erwartenden Zukunft ...

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Guido Kroll
Vor 1 Monat

Als Hetero stell ich mal die Frage: Sollten nicht auch gleichgeschlechtlich Liebende ein Recht auf die Ehe haben? Aus welchem Jahrhundert stammt der Autor?

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Karl-Alfred Büttner
Vor 1 Monat

Eine excellente Analyse der herrschenden Situation und der zu erwartenden Zukunft ...