Pfingsttest
Der Spargel hat eine ausgezeichnete Qualität. Ein frisch gestochenes Bündel. Er liegt auf einem Küchentisch und ist noch zusammengebunden. Er muss nur noch geschält und dann gekocht und mit Butter oder Sauce Hollandaise serviert werden. Ein einfaches, aber edles Mahl. Dazu vielleicht noch ein schöner trockener und gut gekühlter Weißwein, der den Geschmack hebt und veredelt.
Jedoch: Obwohl der Spargel so makellos und appetitlich aussieht, es wird ihn niemand je zu essen bekommen. Denn er liegt nicht nur da wie gemalt, er ist auch gemalt. Und zwar von Adriaen Coorte, einem niederländischen Maler, der in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts gelebt hat und der besonders für seine Stillleben mit Gemüse bekannt war. Am liebsten hat er Spargel gemalt. Unvergleichlich und gut ausgeleuchtet, detailverliebt und zum Reinbeißen naturgetreu. Eine Wonne für die Augen, aber eine Enttäuschung für den Gaumen, denn er hält dem Echtheitstest nicht stand.
Was die Enttäuschung über schön anzusehende, aber unwirkliche Wirklichkeiten betrifft, ist das Pfingstfest Jahr für Jahr eine neue Herausforderung. Denn zu Pfingsten gibt es die Nagelprobe, ob das, was zu sein scheint, auch tatsächlich ist; gibt es einen Echtheitstest für alle, die sich Christen nennen. Sie werden an diesem Fest daraufhin geprüft, ob sie als Christen echt oder nur gemalt sind.
Es ist der Pfingsttest auf die Echtheit des Glaubenslebens. Denn wenn man Pfingsten richtig feiert – und das heißt, so, wie die Kirche seit zweitausend Jahren Pfingsten feiert und nicht bloß mit Grillen, Ausflügen und Familientreffen –, dann ist es von den Mitgliedern der Pfingsten feiernden Kirche gefordert, sich dem Test zu unterziehen, der sich im Bericht der Apostelgeschichte verbirgt, der das Pfingstereignis schildert (vgl. Apg 2,1-11).
Was ist Pfingsten?
Denn da zeigt sich, woran man erkennen kann, dass jemand nicht nur wie ein Apostel aussieht, sondern es in Wahrheit auch ist. Zur Erinnerung: Die verzagten Jünger sitzen seit dem Abschied von ihrem Meister am Himmelfahrtstag beisammen und beten um ein Zeichen, wie es nun weitergehen soll. Der Auftrag, in „alle Welt“ zu gehen und den Menschen die Botschaft des Gottessohnes Jesus Christus und Seine Erlösungstat durch Tod und Auferstehung zu predigen, ist ihnen eigentlich eine Nummer zu groß.
Sie kennen sich mit Booten, Netzen und mit dem Fischen aus, aber nicht mit Predigen, Diskutieren, Überzeugen. Da überrascht sie am Pfingsttag der Geist Gottes. Spürbar, sichtbar, hörbar rüttelt er nicht nur an dem Haus, in dem sie sitzen, sondern er dringt in sie ein und macht sie zu Aposteln, zu Gesandten, die nicht nur vertreterhaft einen Katalog von geistlichen Produkten feilbieten sollen, sondern an sich selbst die Wahrheit des gegenwärtigen Gottessohns spüren lassen sollen.
Sie sollen andere zum Glauben bewegen durch das, was sie erfüllt und was sie dadurch sind: geisterfüllte Menschen. Und so erlebt man sie in Jerusalem: „Und alle wurden vom Heiligen Geist erfüllt und begannen, in anderen Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab. In Jerusalem aber wohnten Juden, fromme Männer aus allen Völkern unter dem Himmel.
Als sich das Getöse erhob, strömte die Menge zusammen und war ganz bestürzt; denn jeder hörte sie in seiner Sprache reden. Sie waren fassungslos vor Staunen und sagten: Seht! Sind das nicht alles Galiläer, die hier reden? Wieso kann sie jeder von uns in seiner Muttersprache hören?“ (Apg 2,4-8).
Die Menschen sehen also nicht nur predigende Jünger, sie hören nicht nur schöne Worte, sie spüren, dass da in diesen Männern Leben ist. Ein Leben, das nicht von ihnen selbst stammt, eine Begeisterung, die nicht das Ergebnis eines fanatischen Hineinsteigerns ist, sondern von Gott kommt, eine Lebendigkeit, die nichts mit Aktionismus zu tun hat, sondern so leicht und gelöst ist, dass man den Erlöser, dessen Geist die Apostel empfangen haben, glatt greifen kann.
Wie Mission funktionieren muss
Der Pfingsttag in Jerusalem zeigt den Predigern und den Zuhörern, wie Mission funktionieren muss, wenn sie erfolgreich sein will: Es braucht Menschen, die sich für Gott in Dienst nehmen lassen und sich deswegen für Ihn öffnen. Missionare werden nicht nur gesandt, sondern auch motorisiert durch die Kraft des Heiligen Geistes. Sie setzen nicht allein auf Strategien, Ideen und Fähigkeiten, sondern zuallererst auf das, was Gott mit ihnen, durch sie und an ihnen tun will.
Die frisch gebackenen Apostel halten, was sie versprechen. Sie sind nicht nur schöner Schein, sie machen mit dem, was sie bewegt, Ernst und lassen sich nicht abhalten, es zu zeigen. Nicht von Richtern und aufgewiegelten Mengen, nicht von der Bequemlichkeit eines bürgerlichen Lebens, nicht von den Drohungen der Mächtigen und auch nicht von den schlauen Überredungskünsten der Intelligenten.
Sie lassen sich nicht aufhalten von den tausend Argumenten, die das Leben demjenigen vor die Füße wirft, der sich von der Erde zu lösen beginnt, um sich auf den Weg zum Himmel zu machen, und die ihn davon abhalten wollen, es zu ernst zu nehmen: „Eine Fünf gerade sein lassen.“ – „Man kann auch alles übertreiben!“ – „Man darf das alles nicht so wörtlich nehmen.“ – „Hauptsache gesund!“ – „Keine Zeit!“ – „Es ist noch keiner zurückgekommen!“ – „Religion ist schädlich!“ oder etwas milder „Menschenliebe statt Gottesfurcht!“ Die Apostel, die den Heiligen Geist empfangen hatten, zeigen, wo der Unterschied liegt zwischen dem Abziehbild eines Christen und dem, der geisterfüllt lebt.
Der Test fragt nicht danach, ob die Christen gesellschaftlich anschlussfähig sind
Deswegen gibt es auch in jedem Jahr den Pfingsttest für die Christen und ihre Ausstattung mit Glauben, Bereitschaft und Gottesgeist. Der Test fragt nicht danach, ob die Christen gesellschaftlich anschlussfähig sind, ob sie ins Bild der Gegenwart und ihres Lebensgefühls passen, sondern ob sie in der Kraft des Geistes leben und zum Ungewöhnlichen, Widerständigen und Absoluten bereit sind.
Ob sie für ihren Glauben auch etwas riskieren können oder lieber die schmerzfreie Variante vorziehen, den Glauben nur denen zu offenbaren, die ihn ohnehin schon mit ihnen teilen. Ob sie lieber im Haus bleiben oder auf die Straße gehen, wohin der Geist alle treiben will, die Ihn empfangen haben.
Ob sie in sich das Leben der Gnade ständig erneuern lassen durch Gebet, Umkehr, Vergebung und Sakramente oder ob sie eher schön gemalte Spargelstangen sind, die ganz echt wirken wollen, aber es nicht sind, weil es ihnen an innerem Gnadenleben fehlt, weil ihnen das Feuer der Überzeugung und die Leidenschaft fehlt, allen den Zugang zu Christus zu gönnen und sie deswegen nicht von Ihm erzählen, sondern von sich selbst.
Pfingsten macht mit der Kirche den Echtheitstest
Pfingsten macht mit der Kirche den Echtheitstest. Er bemisst sich nach der Bereitschaft, den Glauben – auch ohne Theologiestudium oder eine ähnliche Profi-Ausstattung – auf die Straßen zu tragen und Jesus Christus zu verkünden, also danach, ob die göttliche Geisteskraft, die jedem in Taufe und Firmung geschenkt ist, dazu investiert wird, ein Apostel zu sein. Genau das steht in unseren Tagen auf dem Spiel, droht das Christentum doch zur zeitgeistlichen Fassadenmalerei zu werden.
Die reale Beziehung zu Gott hat sich in vielen zu einer Art Ideenwelt gewandelt, die nicht mehr wirklich mit der Existenz und dem Handeln eines personal gegenwärtigen Gottes rechnet. Es sind Gesinnungen, die eine Rolle spielen und nicht wirklich eine lebendige Einheit zwischen Apostel und Geist. Der Grund ist der Schwund des Glaubens im Vorfeld.
Man rechnet eher mit dem Eintreffen statistischer Prognosen als mit dem Eingreifen Gottes in diese Welt. Man öffnet sich für gesellschaftliche Trends eher als für die verbürgte Wahrheit. Man unterzieht das eigene Leben eher der kalten Marktanalyse als der brennenden Läuterung des Heiligen Geistes, dessen Symbol nicht umsonst neben der Taube das lodernde Feuer ist.
Die klassischen Fehler der etablierten Kirchenaktionäre
Wären die Jünger nicht bereit gewesen, sich selbst hintanzustellen und alles zu verlassen, was ihnen bis dahin wichtig war, hätten sie nicht betend beisammengesessen, sondern am Konferenztisch, wo sich die Machtgelüste profilieren. Wenn sie sich in ihrer Sorge, wie es weitergehen soll, von dem Trieb zu gefallen und bedeutsam zu sein hätten überwältigen lassen, wenn sie – mit anderen Worten – die klassischen Fehler der gegenwärtig um den Verlust ihrer gesellschaftlichen Rolle besorgten etablierten Kirchenaktionäre begangen hätten, es hätte im Haus der Jünger sicherlich gekracht, aber das Beben der Überwältigung mit der Kraft Gottes als Lohn für Glaubensgehorsam und Treue wäre ausgeblieben.
Und das Wunder der Verständlichkeit in einer ahnungslosen Welt wäre vor lauter Anpassung der Botschaft an den Zeitgeschmack ausgeblieben. Die Menschen hätten – wie heute – redende, buhlende, uneinige und in ihrer Überzeugung uneindeutige Apostel erlebt, denen es am Entscheidenden gemangelt hätte, was damals allein erfolgreich machen konnte: an Geistlichkeit, die nur von dem kommt, der bewegen und bekehren kann, der das aber nicht ohne selbst Bewegte und Bekehrte leisten will.
Pfingsten feiert die Kirche ihr Geburtsfest, das sie zugleich darauf testet, ob sie echt ist und geisterfüllt oder ob sie dem schönen Schein zeitgeistlicher Placebos erlegen ist und sich des Trugs leerer Versprechungen schuldig macht, bei denen niemand seine Sehnsucht erfüllt bekommt, weil die Echtheit fehlt. Denn: Von einem gemalten Spargel wird niemand satt.
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Sehr geehrter Herr Dr. Rodheudt,
vollauf „d’accord!“, Sie haben ja Recht! Aber Ihre Ausführungen ängstigen mich.
Nach einer postkonziliaren Jugend, einer Geistlichkeit (nur großartige Persönlichkeiten erlebt) und deren geschichtlich verständliche Revisionen des vorkonziliaren Pastoral, der protestantisch generierten historisch-kritischen Methode à la Bultmann mit ihrer verwirrenden Wirkung und gründlichem Infundieren in die röm.-kath. Theologie, der notorischen Kirchenkritik eines Küng (exemplarisch) und den nun erst Fahrt aufnehmenden, profunden theologischen Gegenpositionen (für mich z. B. von Balthasar, Ratzinger) fühle ich mich ob dieser tiefen Glaubensverunsicherungen glatt überfordert, so apologetisch auf die pagane Umwelt zuzugehen, wie die Apostel es im singulären göttlichen Erlebnis konnten und Sie von mir heute nach diesen fundamentalen Infragestellungen der Glaubensgrundlagen einfordern.
Bitte lassen Sie mir und ähnlich verunsicherten Mitchristen etwas Zeit zum Atemholen und Einwirken des Heiligen Geistes, mich in puncto Glaubensverkündigung zu festigen. Ich freue mich schon, nur im Kreis religiös interessierter Menschen meinen Standpunkt zu vertreten.
Ich schließe hier. Die Missbrauchsskandale sind mir zu substanzlos, sie in diesem Zusammenhang argumentativ aufzuführen; im Gegensatz zum grotesken „genetischen Befund“ von Teilen der DBK. Katastrophal aber ist die weitere institutionelle Duldung höchst problematischer theologischer Lehrstuhlinhaber. Gottlob für mich aus den o. g. Gründen kein glaubensverwirrendes „Encore une fois!“
Pfingsttest: Ratet mal, wer den geistlosen Schwachsinn verkündet hat: "Unsere Kulturen haben uns gelehrt, ihn mal bei einem Namen, mal bei einem anderen Namen zu nennen und ihn auf unterschiedliche Weise zu finden, aber er ist derselbe Vater für uns alle. Er ist eins". Antwort: Papst Franziskus bei seinem Besuch im Gefängnis von Verona am 18.05.2024. Nein, von dem "etablierten Kirchenaktionär" bekommt niemand seine Sehnsucht erfüllt. Dumm nur, die Gefangenen können nicht weglaufen wie die Katholiken.
Sehr geehrter Herr Dr. Rodheudt,
sehr gut auf den Punkt gebracht. Ich danke Ihnen. Bitten wir alle den Heiligen Geist, daß er uns besonders in diesen Zeiten beistehen möge und nehmen wir uns auch Zeit dafür. Am Ende unseres Lebens wird nicht zählen, ob und wie gesellschaftsfähig wir waren sondern wie sehr wie die Gesellschaft von Jesus in unserem Leben durch Gebet, den Empfang der Sakramente, insbesondere der Beichte und der Eucharistie gesucht und gefunden haben und unseren Alltag darauf ausgerichtet haben.
Auch durch klare Stellungnahmen, wenn erforderlich. Und auch durchs gute Vorbild. Das besonders auch im Hinblick auf die Kinder und jungen Leute. Wie ist es um die eigene Konsumhaltung bestellt, wie um die eigene Disziplin, das Durchhaltevermögen, das Vermögen auch mal etwas auszuhalten? Etwas wegzulassen? "Nein" sagen zu können?? Zu anderen und auch zu sich selbst. Einer Verpflichtung auch treu nachzukommen? Dauerhaft...
Davon wird maßgeblich unser aller Zukunft abhängen.
Pfingsttest: Ratet mal, wer den geistlosen Schwachsinn verkündet hat: "Unsere Kulturen haben uns gelehrt, ihn mal bei einem Namen, mal bei einem anderen Namen zu nennen und ihn auf unterschiedliche Weise zu finden, aber er ist derselbe Vater für uns alle. Er ist eins". Antwort: Papst Franziskus bei seinem Besuch im Gefängnis von Verona am 18.05.2024. Nein, von dem "etablierten Kirchenaktionär" bekommt niemand seine Sehnsucht erfüllt. Dumm nur, die Gefangenen können nicht weglaufen wie die Katholiken.
Sehr geehrter Herr Dr. Rodheudt,
vollauf „d’accord!“, Sie haben ja Recht! Aber Ihre Ausführungen ängstigen mich.
Nach einer postkonziliaren Jugend, einer Geistlichkeit (nur großartige Persönlichkeiten erlebt) und deren geschichtlich verständliche Revisionen des vorkonziliaren Pastoral, der protestantisch generierten historisch-kritischen Methode à la Bultmann mit ihrer verwirrenden Wirkung und gründlichem Infundieren in die röm.-kath. Theologie, der notorischen Kirchenkritik eines Küng (exemplarisch) und den nun erst Fahrt aufnehmenden, profunden theologischen Gegenpositionen (für mich z. B. von Balthasar, Ratzinger) fühle ich mich ob dieser tiefen Glaubensverunsicherungen glatt überfordert, so apologetisch auf die pagane Umwelt zuzugehen, wie die Apostel es im singulären göttlichen Erlebnis konnten und Sie von mir heute nach diesen fundamentalen Infragestellungen der Glaubensgrundlagen einfordern.
Bitte lassen Sie mir und ähnlich verunsicherten Mitchristen etwas Zeit zum Atemholen und Einwirken des Heiligen Geistes, mich in puncto Glaubensverkündigung zu festigen. Ich freue mich schon, nur im Kreis religiös interessierter Menschen meinen Standpunkt zu vertreten.
Ich schließe hier. Die Missbrauchsskandale sind mir zu substanzlos, sie in diesem Zusammenhang argumentativ aufzuführen; im Gegensatz zum grotesken „genetischen Befund“ von Teilen der DBK. Katastrophal aber ist die weitere institutionelle Duldung höchst problematischer theologischer Lehrstuhlinhaber. Gottlob für mich aus den o. g. Gründen kein glaubensverwirrendes „Encore une fois!“