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„Garantierte Freiheit“ zur Abtreibung

Der Beginn der Französischen Revolution 2.0

Im Krieg und unter Mord- und Gräueltaten entstand die Republik, notierte der Historiker Ernst Schulin in seinem Werk „Die Französische Revolution“. Mit „Mord- und Gräueltaten“ sind die Septembermorde von 1792 gemeint.

Heute erleben wir gleichsam die Geburt einer neuen Revolution in Frankreich, die durch das postulierte Recht auf Abtreibung entsteht. In Artikel 34 der Verfassung wird „die garantierte Freiheit der Frauen, einen Schwangerschaftsabbruch vorzunehmen“, festgelegt. 72 Abgeordnete stimmten mutig dagegen, 780 votierten dafür.

Eine Entscheidung gegen die Rechtstradition

Damit hat der Staat die Barbarei ausgerufen. Frankreich läutet ein neues 1789 ein. Wenn Abtreibung zum Menschenrecht wird, ist die Moderne vorbei. Das ist das Ende jeder freiheitlich-demokratischen Ordnung, wie wir sie kennen, und der Beginn einer neuen Zeit. Es ist der Beginn der Französischen Revolution 2.0, die sich anschickt, Europa erneut in den Grundfesten zu erschüttern. Wer das für übertrieben hält, muss sich nur einmal mit der Rechtstradition Europas befassen, die dem radikal entgegengesetzt ist.

Die modernen Menschenrechte sind, wie der ehemalige Verfassungsrichter Ernst-Wolfgang Böckenförde immer wieder betonte, „Rechte der Person“, Freiheitsrechte in Abwehr gegen den Staat, welche das Diktum „Leben und leben lassen“ ermöglichen sollen. Das Recht auf Leben, die freie Rede und Meinungsäußerung sind Prinzipien unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung, die nach dem Zweiten Weltkrieg Westeuropa prägten.

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Dass Frankreich jetzt mit einem staatlich geschaffenen Abtreibungsrecht ein „Recht zum Töten Unschuldiger“ schafft, kommt einer Revolution gleich. Es bricht fundamental mit der bisherigen Rechtstradition und dem Schutz der Person – und mit dem christlichen Menschenbild sowieso. Es erinnert an die Allmachtsfantasien Ludwigs XIV.: „L'État, c'est moi!“ Der Staat, das bin ich. 

Jetzt geht es in eine neue Stufe, die heißt: „Gott, das bin ich.“ Der ehemalige Erzbischof von Paris, Michel Aupetit, hat die ganze Dimension dieses revolutionären Gesetzes erkannt, wenn er warnt, dass auch die Gewissensklausel abgeschafft werden soll, die es Ärzten und Pflegepersonal erlaubt, nicht an einer Abtreibung mitzuwirken. „Das Gesetz drängt sich dem Gewissen auf, das zum Töten verpflichtet. Frankreich hat den Tiefpunkt erreicht. Es ist ein totalitärer Staat geworden.“

Ein willkürliches Tötungsrecht

Das neue „Menschenrecht auf Abtreibung“ – „Amnesty International“ propagiert das seit Jahren – ist absolut und darf nicht abgelehnt werden. Es ist ein willkürliches Tötungsrecht und damit ein Dammbruch. Es erinnert an die Euthanasiepredigt von Kardinal von Galen vom 3. August 1941, in der er betonte: Wenn Menschen das Recht bekommen, andere Menschen zu töten, dann ist „keiner von uns seines Lebens mehr sicher“.

Aus einem Recht kann schnell eine wahrgenommene Pflicht oder eine Gängelung werden, wie wir es schon von der Sterbehilfe kennen. Vor allem wird jetzt der Druck auf Schwangere in Not, ihr Kind abtreiben zu lassen, steigen – nicht nur bei Behinderung. Wenn Abtreibung „ganz normal“ ist, wird sich niemand mehr genieren, seine Freundin zur Abtreibung zu nötigen.  

Wie einst 1789 die Revolution in Frankreich ihren Anfang nahm und schnell von deutschen Intellektuellen begeistert aufgenommen wurde, so sehen wir es auch heute. Auf Pariser Plätzen bricht Jubel aus, und in Berlin würdigt Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) Frankreichs Entscheidung als „einen in Europa einzigartigen Schritt“. Sie weiß nicht, wie recht sie damit hat.

Ungeborene werden zum Tötungsobjekt

Das ungeborene Leben wird vom Rechtssubjekt zum Tötungsobjekt. Frankreich ist das erste Land der Welt, das die „Freiheit zur Abtreibung“ in die Verfassung aufnimmt. In Europa breitet sich mehr und mehr eine „Kultur des Todes“ aus, vor der Johannes Paul II. seinerzeit in der Enzyklika „Evangelium vitae“ warnte:

„Wenn es wahr ist, dass sich die Auslöschung des ungeborenen oder zu Ende gehenden Lebens mitunter auch den Anstrich eines missverstandenen Gefühls von Altruismus und menschlichen Erbarmens gibt, so kann man nicht bestreiten, dass eine solche Kultur des Todes in ihrer Gesamtheit eine ganz individualistische Freiheitsauffassung enthüllt, die schließlich die Freiheit der ‘Stärkeren’ gegen die zum Unterliegen bestimmten Schwachen ist ... Wenn die Freiheit jedoch in individualistischer Weise verabsolutiert wird, wird sie ihres ursprünglichen Inhalts entleert und steht im Widerspruch zu ihrer Berufung und Würde.“

Johannes Paul II. nennt den Kern des Problems: Es herrscht heute ein falsches Verständnis von Freiheit. Weil unklar ist, was wahr und falsch, gut und böse ist, ist der Rechtspositivismus schrankenlos. Der Mensch erklärt sich selbst zum Herrscher über Leben und Tod, macht sich selbst zu Gott, der souverän und selbstbestimmt alles entscheiden kann: sein Geschlecht, seine Schwangerschaft, sein Lebensende. 

Unverfügbare Menschenwürde gibt es nicht mehr. Derselbe Papst war es, der 1980 in Frankreich mahnte: „Frankreich, älteste Tochter der Kirche, hältst du die Versprechen deiner Taufe?“ Mit dieser Entscheidung hat Frankreich sein Versprechen gebrochen – und ganz Europa jubelt der Grande Nation zu.

 

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Kommentare

Comment

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Kommentar
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Kristijan Aufiero
Vor 2 Monate 1 Woche

Danke, lieber Josef Jung, für diese kluge und präzise Einordnung. Es ist ein Dammbruch von ungeheurer Tragweite. Kalter Schauer läuft einem den Rücken hinunter, wenn man die jubelnde Menge in diesem Video sieht. Ob sie sich an diesen Jubel erinnern und die Zusammenhänge begreifen werden, wenn dereinst ihr eigenes Leben entwertet und genommen werden soll? Weil sie vielleicht krank oder dement, bedürftig, alt und schwach geworden sind? Oder weil sie anderen einfach nur zur Last fallen? Der einzige Sinn, den Menschenrechte haben können, ist Menschen zu schützen. Nun hat sich ausgerechnet Frankreich die absolute Pervertierung eines "Menschenrechts" mit überwältigender Mehrheit in die Verfassung geschrieben. Es ist erschütternd. Und es ist – wie Josef Jung richtig schreibt – erst der Anfang eines furchtbaren Grauens, das über Europa kommen und Millionen, vermutlich sogar mehr geborene als ungeborene Menschenleben kosten wird.

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Gabriele Kuby
Vor 2 Monate 1 Woche

Danke für den Artikel. Es ist ein Kulturbruch, der die französische Kultur zu Bruch gehen lassen wird und nicht nur diese. Der Preis, Christ zu sein und sich als solcher zu bekennen, wird bald existentielle Opfer verlangen. "Erst muss der Abfall kommen" (2 Tess,2-4). Dann wird die Revolution ihre Kinder fressen und das Unbefleckte Herz Mariens wird triumphieren.

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Katharina
Vor 2 Monate 1 Woche

Ein unendlich trauriger und schmerzvoller Tiefpunkt für Frankreich. Die Auswirkungen auf die Schwangeren, auf die jetzt noch mehr Druck ausgeübt werden kann, sind unvorstellbar. Eine Lawine von schrecklichen Folgen in Frankreich, in Europa, in der ganzen Welt wird damit ins Rollen gebracht und ganz, ganz viele Opfer fordern.

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Marie -Thérèse
Vor 2 Monate 1 Woche

Bin erschüttert ! Sprachlos aber dankbar für alle die sich weiter für dei Kultur und den Schutz des Lebens einsetzten. Es ist nicht das Ende , nur der totale Tiefsturz … beten wir doch weiter inbrünstig für die Öffnung des Bewusstseins.

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Yobo
Vor 2 Monate 1 Woche

Hervorragender Artikel. Vielen Dank, lieber Josef, für diese erschütternden, aber wahre Worten!
Was für ein Verlust der Menschenwürde, der Wahrheit und der Liebe zum Leben, der in Frankreich und überall auf der Welt als Sieg gefeiert wird. Es ist so traurig und unbegreiflich wie die Entwertung der Menschlichkeit so gefeiert und förmlich herbeigesehnt wird. Was für ein Verlust. Leben zu dürfen ist kein Geschenk Gottes mehr, sondern abhängig vom Wohlwollen und der Laune Deines Nächstens: Was für ein Wahnsinn! Was für ein bitterer Dammbruch. Wieviel Verlust von Liebe, Wärme, Sicherheit, Familie... und wieviel Schmerz dadurch auf unsere Gesellschaft zukommt... Unvorstellbar.

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Michael F.v. K…
Vor 2 Monate 1 Woche

Danke für diesen sehr guten Kommentar. Ja, wer erinnert sich noch an die klugen Wort von Benedikt XVI, Joh. Paul II oder sogar Kardinal Graf Galen?
Dies ist der Einstieg in die "Aufforderung" zum Töten nach anderen Kriterien als das Recht auf Leben. Ärzte sollen gezwungen werden, Abtreibungen durchzuführen und vieles mehr.
In der ideologisch-gesellschaftlichen "Giftküche" des "BMFamilie etc." reibt man sich schon die Hände... - Wer wird (noch) dagegenhalten? Spielt dann "C" noch eine Rolle? Ein Schelm, der... - jetzt hilft beten, beten, nochmal beten und mit Rückgrat klar Position beziehen!

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Andreas Graf
Vor 2 Monate 1 Woche

Der Kommentar von Josef Jung ist ein erfrischendes Gegengewicht zur herrschenden Kultur des Todes. Der Bauch der Mutter ist zum gefährlichsten Ort geworden. So ist der Mensch. Umso mehr ist das Zeugnis der Christen gefordert. Ein Christ weiß sich getragen von der geistigen lebensbejahenden Mutterschaft Mariens, deren Kinder wir sein dürfen: "Mir geschehe nach Deinem Wort." So gesehen ist der Verfassungsrang des Rechtes auf Abtreibung eine offene Rebellion gegen Gott. Frankreich wird für seine Untreue, seinem "gebrochenen Versprechen", einen hohen Preis bezahlen müssen. Dann wird keiner mehr jubeln. Wer soll denn sonst für die Ungeborenen einstehen?

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Kristijan Aufiero
Vor 2 Monate 1 Woche

Danke, lieber Josef Jung, für diese kluge und präzise Einordnung. Es ist ein Dammbruch von ungeheurer Tragweite. Kalter Schauer läuft einem den Rücken hinunter, wenn man die jubelnde Menge in diesem Video sieht. Ob sie sich an diesen Jubel erinnern und die Zusammenhänge begreifen werden, wenn dereinst ihr eigenes Leben entwertet und genommen werden soll? Weil sie vielleicht krank oder dement, bedürftig, alt und schwach geworden sind? Oder weil sie anderen einfach nur zur Last fallen? Der einzige Sinn, den Menschenrechte haben können, ist Menschen zu schützen. Nun hat sich ausgerechnet Frankreich die absolute Pervertierung eines "Menschenrechts" mit überwältigender Mehrheit in die Verfassung geschrieben. Es ist erschütternd. Und es ist – wie Josef Jung richtig schreibt – erst der Anfang eines furchtbaren Grauens, das über Europa kommen und Millionen, vermutlich sogar mehr geborene als ungeborene Menschenleben kosten wird.

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Flores
Vor 2 Monate 1 Woche

Ludwig den XIV in einem Zug mit Abtreibung in der Verfassung (sic!) zu nennen, ist recht lächerlich.

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Gabriele Kuby
Vor 2 Monate 1 Woche

Danke für den Artikel. Es ist ein Kulturbruch, der die französische Kultur zu Bruch gehen lassen wird und nicht nur diese. Der Preis, Christ zu sein und sich als solcher zu bekennen, wird bald existentielle Opfer verlangen. "Erst muss der Abfall kommen" (2 Tess,2-4). Dann wird die Revolution ihre Kinder fressen und das Unbefleckte Herz Mariens wird triumphieren.

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Prof. Josef Seifert
Vor 2 Monate 1 Woche

Ein Menschenrecht zur Tötung von Menschen! Ein Menschenrecht zur Verletzung des Urgrundmenschenrechts! -
Der wahre Untergang des Abendlandes!
Mögen ebenso viele Millionen Schützer und Verteidiger des Rechts zum Leben erstehen wie Kindesmörder