Direkt zum Inhalt
Gesetz gegen „Gehsteigbelästigungen“

„Ein ideologisches Ampel-Projekt und handwerklich schlecht gemacht“

Im Idealfall entstehen neue Gesetze aus einem Grund: Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung erkennen ein Problem oder einen Regelungsbedarf, zum Beispiel aufgrund neuer sozialer oder wirtschaftlicher Entwicklungen, und lancieren ein Gesetzgebungsverfahren. Hierzu erarbeiten rechtskundige Beamte einen Gesetzesentwurf, der dann dem Bundestag vorgelegt wird. Dieser berät dann in zwei Lesungen über den Entwurf, ehe er in der dritten (fällt in der Regel mit der zweiten zusammen) beschlossen wird.

Damit ein Gesetz nicht nur das Ergebnis schnöder Symbolpolitik oder unnötige Bürokratie ist, begegnet es einem tatsächlichen Handlungsbedarf, der durch Daten gedeckt ist. Problem erkennen, Problem benennen, Problem lösen. So die Theorie.

„Viel zu oft Anfeindungen ausgesetzt“ – wirklich?

Kommen wir zur Praxis: In den kommenden Wochen steht der Beschluss des „Entwurfs eines zweiten Gesetzes zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes“ (Bundestagsdrucksache 20/10861) an. Das geplante Gesetz sieht vor, Bannmeilen um Abtreibungseinrichtungen und Beratungsstellen für Schwangere zu errichten. Wer dagegen verstößt und beispielsweise „Gehsteigbelästigungen“ begeht, für den wird es teuer: Das Bußgeld soll bis zu 5.000 Euro hoch sein.

Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne), deren Haus federführend an der Ausarbeitung des Gesetzentwurfs beteiligt war, betonte im Bundestag, die Mitarbeiter von Arztpraxen und Beratungsstellen seien „viel zu oft Anfeindungen ausgesetzt“. Ist das so? Wenn ja, dürfte es ein Leichtes sein, dies mit Daten zu untermauern.

Tatsächlich begann das Familienministerium im Juni 2022 eine Länderabfrage. „Die hierbei gewonnenen Erkenntnisse sowie Hinweise und Beschwerden von Trägern der Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen stützen den im Koalitionsvertrag erkannten Handlungsbedarf“, teilte Staatssekretär Sven Lehmann (Grüne) Ende 2023 auf eine Kleine Anfrage des CDU-Abgeordneten Hubert Hüppe mit.

Eine klare Sache, oder? Wenn es massenhafte Anfeindungen, Behinderungen und Belästigungen gegen Schwangere oder Mitarbeiter von Beratungsstellen und Abtreibungseinrichtungen gibt, und sich das auch zahlenmäßig belegen lässt, muss ein neues Gesetz her.

Ganz schmale Datenbasis

Doch so einfach ist die Sache nicht. Corrigenda hat beim Bundesfamilienministerium nachgefragt und um die Ergebnisse der Datenabfrage gebeten, die den angeblichen Handlungsbedarf stützen. Die Antwort: „Eine valide Quantifizierung und Aufschlüsselung des Phänomens ist aufgrund der derzeit uneinheitlichen Rechtslage und Behandlung durch die Vollzugsbehörden und der entsprechenden fragmentarischen Datenlage nicht möglich.“ Auf gut Deutsch gesagt, heißt das: Das Bundesfamilienministerium hat keine ausreichend breite Datenbasis.

Gehsteigberatung in München: Bei Abtreibungsbefürwortern inner- und außerhalb der Parlamente verhasst

Zwar hätten „verschiedene Länder unterschiedliche Vorkommnisse wie Demonstrationen, Mahnwachen und Belästigungen“ gemeldet, auch habe es Fälle von Vandalismus und Sachbeschädigungen gegeben. Doch manche Bundesländer hätten mitgeteilt, ihnen seien „Gehsteigbelästigungen“ gänzlich unbekannt. Der Bitte nach einer Übersicht der Vorfälle je nach Bundesland kam das Familienministerium nicht nach – weil es die Daten nicht hergeben.

„Zugunsten Einzelner auf dem Rücken aller“

Dass ein neues Gesetz auf dieser Grundlage eigentlich keinen Sinn ergibt, davon ist auch die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Andrea Lindholz (CSU), überzeugt. „Das Gesetz zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes reiht sich in die ideologischen Projekte der Ampel-Fraktionen ein und ist zudem handwerklich schlecht gemacht. Mit diesem Gesetz soll zugunsten Einzelner auf dem Rücken aller das Recht auf Meinungsfreiheit eingeschränkt werden“, sagte die Juristin gegenüber Corrigenda.

Sie könne keine Regelungslücke erkennen. „Denn auch jetzt schon sind Beleidigungen, Gewalt oder Nötigung verboten.“ Das Handeln der Ampel-Regierung kritisiert sie als „völlig widersinnig“:

„Komplexe Vorhaben, wie die Legalisierung von Cannabis oder der Wechsel des Geschlechtes, werden mit nicht durchdachten Gesetzen einfach ermöglicht, ohne alle Konsequenzen zu bedenken. Hier aber will man zugunsten einzelner die Meinungsfreiheit einschränken, die ein immens hohes Gut in unserem Rechtsstaat darstellt. Es ist aber nicht die Aufgabe des Gesetzgebers, vermeintlich einfache Lösungen zu finden, sondern gute und ausgewogene Regelungen zu treffen. Hierfür muss eine Regierung Auseinandersetzungen, Diskussionen und andere Meinungen zulassen und auch aushalten.“

„Bisherige Gerichtsverfahren gingen alle pro Gehsteigberatungen aus“

Susanne Wenzel, Vorsitzende der Christdemokraten für das Leben (CDL), weist gegenüber Corrigenda noch auf einen weiteren Punkt hin: „Tatsache ist, dass alle bisherigen gerichtlichen Verfahren von den jeweiligen Initiatoren der Mahnwachen und Gehsteigberatungen aufgrund von Maßnahmen der Ordnungsbehörden angestrengt wurden und diese auch zugunsten der Initiativen ausgegangen sind.“ Dass das Ministerium keine Aufschlüsselung der Daten mitteilen könne, lasse den Schluss zu, „dass die Länderabfrage eben keinen Handlungsbedarf gezeigt hat“.

Doch es sind nicht nur Politiker, die die Gesetzespläne der Ampel kritisieren. Als vor zwei Wochen eine Anhörung von Sachverständigen im Familienausschuss stattfand, erteilten mehrere Juristen dem Entwurf eine regelrechte Abfuhr. Der Gießener Rechtswissenschaftler Steffen Augsberg bemerkte laut Tagespost, das geplante Gesetz erfülle „vor allen Dinge eine symbolische Funktion“. Zum einen sei es „überflüssig“, weil es bereits entsprechende Gesetze gebe. Zum anderen sei es „übergriffig“, weil „verfassungsrechtliche Direktiven bis an das Maß des Erträglichen und teilweise darüberhinausgehend ausgedehnt“ würden. Der Bonner Staatsrechtler Christian Hillgruber sah sogar eine mangelnde Gesetzgebungskompetenz beim Bund, weil die Länder in diesen Fragen zuständig sein.

Für Überraschung sorgte eine Vertreterin der staatlich anerkannten Beratungsstelle Donum Vitae. Der Verband mit Sitz in Bonn, der auch Scheine für Abtreibungen ausstellt, verfügt über 200 Standorte, an denen er jährlich rund 90.000 Beratungsgespräche führe. 2022 und 2023 habe man alle Beratungsstellen gebeten, anhand eines vom Familienministerium vorgegebenen Fragenkatalogs entsprechende Vorfälle mitzuteilen. Ergebnis: Keine habe „Gehsteigbelästigungen“ registriert.

Fassen wir zusammen: Es existiert keine Datengrundlage, die den behaupteten Handlungsbedarf begründen würde; das geplante Gesetz wird von Rechtsexperten als überflüssig, übergriffig und kompetenzüberschreitend kritisiert; die Regierung bespaßt ihre Klientel mit ideologischen Projekten.

Wie anders als gefährliche Symbolpolitik kann ein solches Vorgehen bezeichnet werden?

 

Kennen Sie schon unseren Corrigenda-Telegram- und WhatsApp-Kanal?

3
Kommentare

7
Andreas Graf
Vor 6 Monate 2 Wochen

Ergo: Gesetze werden gemacht, nicht weil sie sinnvoll sind, sondern weil die Mächtigen es können. Die Bürger sollen eingeschüchtert und der Widerstand gebrochen werden, insbesondere der der lästigen Christen. Christen belästigen niemanden. Der Brunnenmacher und Hellseher Alois Irlmaier sagte einmal: "Der Teufel wird ganze Regierungen gründen." Wir haben es hier nicht mit einer Symbolpolitik zu tun, sondern mit handfesten Absichten. Christen werden gnadenlos über den Tisch gezogen. Sie bekommen mehr und mehr einen Maulkorb verpasst.

5
Leserin
Vor 6 Monate 2 Wochen

Krass. Was für ein Skandal, ein solches Gesetz einfach durchjagen zu wollen! 🤯

1
Isis Alina Klinken
Vor 6 Monate 2 Wochen

Mit Sicherheit sind diese "Belästigungs"- anzeigen von Frauen, die keine Hilfe wollten und sich von den Hilfsangeboten der Pro- Lifer gestört fühlen. Und Verteidiger des Lebensrechts Aller zerstören nichts. Vielleicht waren da ein paar, die Farbe auf Anti- Familia- Gebäude gesprüht haben. Wenn das Vandalismus sein soll, verweise ich gerne auf Beobachtung radikaler Gegendemonstranten auf den Märschen für das Leben.

1
Isis Alina Klinken
Vor 6 Monate 2 Wochen

Mit Sicherheit sind diese "Belästigungs"- anzeigen von Frauen, die keine Hilfe wollten und sich von den Hilfsangeboten der Pro- Lifer gestört fühlen. Und Verteidiger des Lebensrechts Aller zerstören nichts. Vielleicht waren da ein paar, die Farbe auf Anti- Familia- Gebäude gesprüht haben. Wenn das Vandalismus sein soll, verweise ich gerne auf Beobachtung radikaler Gegendemonstranten auf den Märschen für das Leben.

5
Leserin
Vor 6 Monate 2 Wochen

Krass. Was für ein Skandal, ein solches Gesetz einfach durchjagen zu wollen! 🤯

7
Andreas Graf
Vor 6 Monate 2 Wochen

Ergo: Gesetze werden gemacht, nicht weil sie sinnvoll sind, sondern weil die Mächtigen es können. Die Bürger sollen eingeschüchtert und der Widerstand gebrochen werden, insbesondere der der lästigen Christen. Christen belästigen niemanden. Der Brunnenmacher und Hellseher Alois Irlmaier sagte einmal: "Der Teufel wird ganze Regierungen gründen." Wir haben es hier nicht mit einer Symbolpolitik zu tun, sondern mit handfesten Absichten. Christen werden gnadenlos über den Tisch gezogen. Sie bekommen mehr und mehr einen Maulkorb verpasst.