Ist Abtreibung okay?
Wer professionelle Beraterinnen, die schon seit Jahren Frauen im Schwangerschaftskonflikt betreuen, fragt, was sich in den vergangenen Jahren verändert habe, der bekommt oft folgende Antwort: Abtreibung ist zu einer scheinbar ganz normalen Lösung in dem Konflikt geworden. Das sei früher anders gewesen. „Abtreibung ist Menschenrecht“, behauptet Amnesty International, und Linksradikale schmieren die Parole „Abtreibung ist okay“ auf die Briefkästen oder Wänden von Hilfsorganisationen, an die sich Schwangere wenden können, wie Pro Femina e. V. in Heidelberg jüngst wieder erfahren musste.
Die Frage, wie eine Frau im Schwangerschaftskonflikt mit dieser oder jener Entscheidung leben kann, ist hochrelevant. Sie ist sogar in Gesetzestexten manifest geworden, wenn etwa in Deutschland, Österreich und der Schweiz eine Abtreibung auch nach der zwölften Schwangerschaftswoche straffrei bleibt, wenn von einer ernsthaften Gefahr für die psychische Gesundheit der Frau auszugehen ist. Oder wenn in Großbritannien 98 von 100 Schwangerschaftsabbrüchen aufgrund der Gefahr für die psychische Gesundheit der Betroffenen durchgeführt werden.
Abtreibung als Gesundheitsfürsorge?
Ist Abtreibung okay? Wie könnte es das nicht, wenn es doch der psychischen und mitunter auch physischen Gesundheit dient. „Abortion is healthcare“ („Abtreibung ist Gesundheitsfürsorge“) lautet denn auch ein Slogan der Abtreibungsbefürworter in den USA.
Doch ist die Sachlage tatsächlich so klar? Sind Parolen wie „Abortion is healthcare“ sinnvoll – oder nicht hochgradig zynisch, weil ein Schwangerschaftsabbruch für einen ungeborenen Menschen alles andere als Gesundheitsfürsorge ist?
Verschiedene Studien aus westlichen Ländern haben sich mit der Frage befasst, wie es Frauen ergeht, die abgetrieben haben oder denen eine Abtreibung untersagt wurde. 2011 erschien eine zusammenfassende Studie von Priscilla Coleman im British Journal of Psychiatry, die zu dem Ergebnis kam, dass Frauen, die eine Abtreibung durchführen ließen, ein zu 81 Prozent höheres Risiko für psychische Erkrankungen hätten. Allerdings stünden weniger als zehn Prozent dieser Erkrankungen in einem direkten Zusammenhang mit der Abtreibung.
Studie mit „unerwünschten“ Ergebnissen
Andere, viel bekanntere Untersuchungen kommen zu einem ganz anderen Schluss, dass es nämlich Frauen, die abgetrieben haben, während eines Fünfjahreszeitraums teilweise besser gegangen sei als denen, die keinen Abbruch haben durchführen lassen. Sprich: Ein Schwangerschaftsabbruch schade Frauen psychisch nicht, sondern könne die seelische Gesundheit sogar verbessern. Die „Turnaway-Studie“, die genau dies besagt, wird von Pro-Choice-Anhängern häufig zitiert.
Doch just diese Erhebung ist laut dem Wiener Institut für Medizinische Anthropologie und Bioethik (IMABE) von schweren methodischen Mängeln durchsetzt und basiere auf einer intransparenten Auswahl von Daten. Die „Grenze zwischen wissenschaftlicher Objektivität und ideologischem Aktivismus“ sei hier überschritten worden, schreiben die IMABE-Autoren. So seien etwa von den rund 7.500 angesprochenen Frauen ohne Angabe von Kriterien nur 3.000 zugelassen worden, wovon wiederum nur etwa 560 die Studien abgeschlossen hätten. Zudem habe es eine inadäquate Vergleichsgruppe gegeben, und die „gewünschten“ Ergebnisse seien den „unerwünschten“ vorgezogen worden.
Ein solches „unerwünschtes“ Ergebnis sei etwa: „96 Prozent jener Frauen, die aufgrund der Überschreitung der Schwangerschaftswochenfrist von den Kliniken abgewiesen wurden (‘turnaway’) und ihr Kind letztlich zur Welt brachten, waren nach fünf Jahren froh darüber und bedauerten nicht, dass das Kind lebt und nicht abgetrieben wurde.“
Befragung: Alle Frauen, die ihre Entscheidung bereuten, haben abgetrieben
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen Befragungen der Beratungsorganisation 1000plus-Profemina (diese Organisation verlegt auch Corrigenda). Nachfragen unter beratenen Frauen zeigen: Acht von zehn Betroffenen, die angegeben haben, sie seien mit ihrer Entscheidung zufrieden, wählten das Kind, den Weg des Lebens. Keine dieser Frauen gab an, ihre Entscheidung zu bereuen. Hingegen haben alle Frauen, die auf Nachfrage ihre Entscheidung bereuen, den Weg der Abtreibung gewählt.
Diese Zahlen ergänzen die komplexe Datenlage um jene Frauen, die sich in einem Schwangerschaftskonflikt befunden und Hilfe in Anspruch genommen haben. Es gibt aber auch Frauen, die kaum Zweifel haben, die von ihrem Weg überzeugt sind, ihn gehen und ihn für richtig halten.
Doch solange es auch nur eine Frau gibt, die den Mut hat, zu sagen, was die breite Front der Meinungsmacher hierzulande nicht hören möchte; solange es Menschen gibt, die nur knapp einer Abtreibung entronnen sind und sich des Lebens freuen; solange es Frauen gibt, die öffentlich mit ihrer Entscheidung hadern, solange kann man die Frage „Ist Abtreibung okay?“ nicht mit Ja beantworten.
Sharon Osbourne: Abtreibung sei „das Schlimmste“ gewesen
Manche Frauen spüren instinktiv, dass eine Abtreibung für sie nicht in Frage kommt, und halten dem Druck von außen stand oder trotzen den widrigen Umständen. Manche Frauen treiben ab und hadern früher oder später mit der Entscheidung. Eine große Lobby haben diese Frauen nicht.
In den vergangenen Jahren haben sich einige Prominente dazu geäußert, für die ihre Abtreibung alles andere als ein harmloser, folgenloser Arzttermin war. Eine von ihnen ist Sharon Osbourne. Die Frau der Rocklegende Ozzy Osbourne gestand in einem Interview mit Daily Mail, dass die Abtreibung, die sie mit 17 durchführen ließ, „das Schlimmste“ sei, was sie je getan habe. „Ich hatte schreckliche Angst, es meinen Eltern zu erzählen“, sagte die heute 71-Jährige in der US-Talkshow „The Talk“.
Ihr Vater wäre „ausgerastet“, hätte er gewusst, dass die damals 17-Jährige schwanger war. Beide Eltern wären von ihr enttäuscht gewesen. Deshalb ging Osbourne ganz allein in die Abtreibungspraxis. Diese sei voll gewesen von jungen Mädchen, die auch abtreiben wollten. „Wir hatten alle Angst und sahen uns gegenseitig an, und niemand sagte ein Wort“, erinnerte sich die Musikmanagerin.
Abtreibung hatte körperliche Folgen
Die Abtreibung hatte körperliche Folgen. Nach dem Schwangerschaftsabbruch wurde Osbourne krank, so dass ihre Mutter einen Arzt rufen musste. Da habe sie ihrer Mutter von der Abtreibung berichtet. Diese reagierte mit den kühlen Worten: „Du musst das alleine durchstehen.“
Im Alter zwischen zwanzig und dreißig verlor Osbourne dreimal ein Kind. Sie glaubt, dies hänge mit der vorangegangenen Abtreibung zusammen. Später brachte sie doch noch drei Kinder zur Welt.
Abtreibung sieht Osbourne kritisch: „Ich würde es niemandem empfehlen, denn es kommt zurück und verfolgt einen.“ Ihre Geschichte schloss sie mit den Worten: „Im Leben zahlt man für alles, was man tut. Man muss Rechenschaft ablegen.“
Justin Timberlake wollte das Kind nicht
Eine weitere Berühmtheit, die sich erst kürzlich über ihre Abtreibung äußerte, ist die Sängerin Britney Spears. In ihrer neuen Biographie „The Woman in Me“ schreibt die heute 41-Jährige, dass die Abtreibung, die sie als Neunzehnjährige vornehmen ließ, „bis heute eines der quälendsten Dinge“ sei, die sie je in ihrem Leben erlebt habe. „Ich weiß nicht, ob das die richtige Entscheidung war. Wenn es nur nach mir gegangen wäre, hätte ich es nie getan“, gesteht Spears. Die Pop-Ikone war zu der Zeit mit Sänger Justin Timberlake liiert. Er habe das Baby aber nicht gewollt, da er sich nicht dazu bereit gefühlt habe, Vater zu werden.
„Abtreibung ist okay“, das sagen Menschen, die ein sehr lockeres Verhältnis zu Gewalt haben („Feminismus oder Schlägerei“), die nur eine Meinung – die ihre – gelten lassen wollen. Sind das vertrauenswürdige Stichwortgeber, auf die man bei einem so wichtigen Thema wie der Abtreibung hören sollte?
Und ist nicht auch die Frage „Ist Abtreibung okay?“ eine unnötige, weil sie das letzte Glied einer Entscheidungskette berührt, die zuvor noch andere, nicht endgültige Antwortmöglichkeiten geboten hätte? Schwangerschaftskonflikte haben ihre primäre Ursache sehr oft in biographischen Gründen (Alter, berufliche Situation), der Angst vor Überlastung oder Problemen in der Partnerschaft, nicht in der Schwangerschaft selbst. Eine andere Lösung als die Abtreibung wäre möglich. Die Adoptionszahlen sind in den vergangenen Jahren gesunken, nicht weil es zu wenig potenzielle Adoptiveltern gäbe, sondern weil zu wenige Kinder zur Adoption freigegeben werden.
Schließlich sollten all jene, die „Abtreibung ist okay“ schreien, einmal über den Gedanken sinnieren, ob sie ihrer Mutter die Parole auch zugerufen hätten, wenn diese darüber nachgedacht hätte, ob sie ihren Nachwuchs abtreiben lassen soll oder nicht.
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Ich bin leider wieder davon ausgegangen, daß ich Absätze machen kann. Dann wäre der Kommentar besser lesbar.
Lieber Nepomuk, wir arbeiten gerade daran, dass das sowie manche andere Dinge (etwa Links) in Leserkommentaren angezeigt werden. In zwei, drei Tagen sollte das laufen.
Vielen Dank für die Geduld! Lukas Steinwandter
Volle Zustimmung, insbesondere zum letzten Absatz. Ein Recht auf Abtreibung kann nur fordern, wer selbst nicht angetrieben wurde. Das ist eine sehr einfache Wahrheit.
Ein klares Igitt zu ihrem Artikel. Bloß nicht glauben, was darin erzählt wird.
Tendenzreportage😖
Und natürlich ist das ganze auch wichtig und interessant, deswegen auch vielen Dank für den Artikel ... denn in der Tat ist "die Frage, wie eine Frau im Schwangerschaftskonflikt mit dieser oder jener Entscheidung leben kann, hochrelevant". Dem möchte ich nicht im mindesten widersprechen.
Aber so kommt man nicht zur *eigentlichen* Antwort auf die in der Überschrift gestellte Frage. Ist Abtreibung okay? Die Antwort ergibt sich, etwas hochtrabend formuliert, aus objektiven Kriterien des Naturrechts. Mehr down to Earth und militärisch gesprochen gilt: Abtreibung fällt aus wegen is-nich.
Es kann ja im Einzelfall sogar sein, daß es einer Frau, die abgetrieben hat, nach fünf Jahren deswegen ihrem subjektiven Empfinden nach besser geht. Diese "gewünschten Fälle", die die Gegenseite selektiv herbeizitiert, mag es ja durchaus *geben*, auch wenn ich glaube und für wahrscheinlich halte, daß ihnen andere Fälle überwiegen. (Im Kopf habe ich noch ein Zitat von lebensfeindlicher Seite, immer sehr bezeichnend, das über das angeblich von Lebensschützern erfundene Post-Abotion-Syndrom sich in etwa dem Stil äußerte: "Wenn eine Frau ohne psychische Vorbelastungen abtreibt, gibt es unter der Voraussetzung adäquater professioneller Betreuung keinen statistischen Hinweis auf die Zunahme von psychischen Schäden." Und die dann ernsthaft meinten, ein Satz mit derart gewichtigen Wenn und Abers sei ein Argument für ihre Seite.)
Aber ja, im Einzelfall: Um ein Beispiel heranzuziehen, das in Ordnung *ist*, aber tatsächlich landauf landab als unmoralisch *gilt*. Es kann befreiend sein, sich offen hinzustellen und zu sagen: "ja, ich rauche, und ich höre auch endlich damit auf, so zu tun, als wären meine Mitmenschen die Jury, die über meine moralische Pflicht zur Gesundherhaltung zu richten hätte." - Um ein anderes Beispiel, das *nicht* in Ordnung ist, heranzuziehen: Es kann offensichtlich befreiend und zu einem besseren Gefühl führen, wenn man die Affäre, in der man seit mehreren Monaten seine Frau betrügt, dadurch beendet, dass man diese in die Wüste schickt, sich scheiden läßt und die Geliebte heiratet. Das ist moralisch falsch; aber will man bestreiten, daß es Leute gibt, die das tun und sich hernach subjektiv besser fühlen? - Dann ein Auftragsmörder, um den Vergleich des Papstes heranzuziehen. Er weiß, daß er verbrecherisch handelt; er ist aber entschlossen, den Mord auszuführen, für den er Geld bereits erhalten hat. Wird er sich erleichtert fühlen, wenn das nagende Gewissen, das sich mit "du sollst das nicht tun" meldet, endlich dadurch zum Schweigen gebracht wird, daß der Mord passiert ist und er ihm entgegenhält "jetzt ist es passiert, mein Opfer wird eh nicht mehr lebendig"?
Es kann also im Einzelfall schon sein, daß die Abtreibung tatsächlich das subjektive Wohlgefühl derer, die dazu verleitet worden sind, steigert. Die Antwort darauf ist schlichtweg die von Loriots Knollennasen-Ehemann: Es "stimmt da mit deinem Gefühl was nicht."
Ich bin leider wieder davon ausgegangen, daß ich Absätze machen kann. Dann wäre der Kommentar besser lesbar.
Lieber Nepomuk, wir arbeiten gerade daran, dass das sowie manche andere Dinge (etwa Links) in Leserkommentaren angezeigt werden. In zwei, drei Tagen sollte das laufen.
Vielen Dank für die Geduld! Lukas Steinwandter
Volle Zustimmung, insbesondere zum letzten Absatz. Ein Recht auf Abtreibung kann nur fordern, wer selbst nicht angetrieben wurde. Das ist eine sehr einfache Wahrheit.
Ich unterstütze das absolut, aber zu sagen "Hingegen haben alle Frauen, die auf Nachfrage ihre Entscheidung bereuen, den Weg der Abtreibung gewählt." ohne konkrete, ich meine absolute Zahlen zu nennen, ist ebenfalls eine "mangelhafte Methodik". Im Jahresreport von 1000plus wurde diese Zahl auch nicht veröffentlicht. Waren es vielleicht nur eine Handvoll, die sich dazu überhaupt geäußert haben? Fehler einzugestehen ist schwer in unserer Gesellschaft, vor allem bei diesem Thema. Deshalb wäre ich vorsichtig mit solchen Schlussfolgerungen.
Lieber Chrizzlybear,
hier auf S. 22 wurde die Zahl veröffentlicht: https://www.1000plus.net/sites/default/files/documents/Jahresbericht_20…
Wie im Text angemerkt, sind das die von 1000plus-Profemina beratenen Frauen, d.h. natürlich nicht die Gesamtheit, aber eine gute Tendenz zeigt es dennoch.
Beste Grüße
Lukas Steinwandter
Da steht doch nur 100%, aber keine absolute Zahl. Kannst du mir sagen, wieviele Frauen das waren?