Die Gnade des Vergessens

Marco Rima ist 64 Jahre alt, steht seit über 40 Jahren auf der Bühne und ist einer von wenigen Schweizer Komikern, die es über die Landesgrenzen hinausgeschafft haben. Er war Mitglied des Ensembles bei der legendären „Wochenshow“ auf Sat.1 und ist seither auch dem deutschen Unterhaltungspublikum ein Begriff.
Rima war auf den Brettern nie sonderlich politisch und galt als Liebling der Massen. Bis Corona kam und er begann, Fragen zu stellen. Bald wurde er dadurch zum Aushängeschild der Kritiker der Coronapolitik – und Kulturveranstalter und Journalisten, die ihm bis dahin zu Füßen lagen, wandten sich umgehend von ihm ab. Ob Schweizer Fernsehen oder große Bühnen, niemand wollte ihn mehr zeigen. Da hinterfragt einer Lockdown, Maske und Impfung? Geht gar nicht.
Hätte Rima nicht erfolgreiche Jahrzehnte hinter sich gehabt, wäre die Existenzkrise kaum abzuwenden gewesen. Er überdauerte die Zeit aber schadlos und begann danach, auf eigene Faust wieder zu touren. Die Leute strömten weiter in seine Vorstellungen, wobei sich das Publikum wohl leicht verändert hatte. Einige Stammgäste blieben fern, dafür kamen neue Fans dazu.
Wer muss hier vergessen?
Nun scheint der Bannstrahl vorbeigezogen. Das Schweizer Fernsehen lud den Komiker kürzlich in eine Sendung ein, der Traditions-Event „Das Zelt“ setzt ebenfalls wieder auf ihn in seinem Programm. Auch andere Künstler, die während Corona ausscherten, dürfen nun wieder ganz offiziell mitspielen.
Was das Onlineportal nau.ch in einer Auslegeordnung zur Formulierung bringt: „Das Publikum vergisst schnell.“ Verzeihung, aber: Was genau soll das Publikum hier vergessen haben? Und warum waren Leute wie Marco Rima und andere überhaupt auf Vergesslichkeit angewiesen? Ist es nicht genau umgekehrt?
Was die wenigen öffentlichen Personen, welche die Coronapolitik kritisierten, damals sagten, ist inzwischen praktisch ausnahmslos bestätigt worden. Unter anderem: Die unheilige Allianz zwischen Politik, Teilen der Wissenschaft und den Medien, die einerseits die Gefahr durch Corona dramatisierten und andererseits evidenzlose Schutzmaßnahmen propagierten; die Gefahr durch nicht vertieft geprüfte, experimentelle Wirkstoffe, die zudem nicht taten, was behauptet wurde; Langzeitfolgen für Kinder und Jugendliche, denen Bildung und ein normales Leben entzogen wurden. Die Liste könnte man endlos fortführen.
Warum sollten gerade Rima und Co. auf das Vergessen hoffen? Müssten das nicht andere Schweizer Prominente tun?
Mit Schimpfwörtern eingedeckt
Die Komikerin Hazel Brugger beispielsweise, die damals stolz verkündete, ihr komme kein Ungeimpfter ins Haus. Der Medienunternehmer Roger Schawinski, der auf seinem Radiosender eine „Impflotterie“ durchführte, um das unerprobte Gen-Süppchen zu bewerben. Der Komiker Mike Müller, der von, Pardon, „ungeimpften Arschlöchern“ sprach. Der Filmregisseur Michael Steiner, der dieselben Leute als, noch einmal Pardon, „Wichser“ bezeichnete.
Es ist bezeichnend, wenn man als Autor nach über 30 Jahren erstmals überhaupt solche Worte in einer Kolumne niederschreiben muss – weil es reale Zitate sind, an denen man nicht vorbeikommt, wenn man die damalige Wirklichkeit beschreiben will.
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Wir schreiben das Jahr 2025. Dass die sogenannte Impfung weder Ansteckung mit dem Virus noch dessen Übertragung verhindert hat, ist längst bekannt. Dass Wissenschaftler im Auftrag der Politik und entgegen ihrer echten Erkenntnisse Empfehlungen aussprachen, ebenfalls. Aber auch, als man das alles bereits wissen konnte, schien es vielen völlig opportun, Ungeimpfte als wandelnde Gefahr zu behandeln und ihnen die Schuld an Todesopfern in die Schuhe zu schieben.
Und keinen Moment lang stand zur Debatte, diesen Leuten, die in bester Manier Hass und Hetze verbreiteten, Fernseh- oder Bühnenauftritte zu entziehen. Im Gegenteil: Es traf die Rufer und Warner, die später recht bekamen.
Wer falsch lag, zeigt sich nun gnädig
Nun hat das Publikum also gnädigerweise die „Untaten“ derer vergessen, welche die Wahrheit gesagt haben. Es soll wohl wirken wie ein Akt der Menschlichkeit, dass die Kritiker der nach wie vor nicht aufgearbeiteten, aber erwiesenermaßen falschen und schädlichen Coronapolitik nun wieder eine Existenz erhalten. Dass sie von einer überaus toleranten Gesellschaft wieder in deren Mitte gelassen werden.
Auf das große Vergessen müssten in Wirklichkeit die „Mitmacher“ hoffen, diejenigen, die zum Schutz der eigenen Karriere blind nachbeteten, was ihnen vorgesetzt wurde. Nun verkauft man uns stattdessen Brosamen für die Kritiker von einst als Akt der Gnade.
Die Lügner zeigen Großmut gegenüber denen, die richtig lagen? Das ist die Umkehr jeder Logik. Aber es fügt sich bestens in die Ereignisse der letzten Jahre ein.
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