Dann sagt eine Studentin: „Wir können Sie beruhigen: Erschießen werden wir ihn nicht“
Eine katholische Hochschule für Philosophie sagt einen Vortrag eines katholischen Philosophen ab, der für eine katholische Zeitung arbeitet und über die Gottesbeweise des katholischen Kirchenvaters Thomas von Aquin referieren wollte, nachdem mehrheitlich katholische Studenten dagegen protestiert hatten.
Was wie der Einstieg einer Novelle klingt, hat sich tatsächlich so zugetragen. Und zwar dieser Tage in München. Der Journalist und Dozent Sebastian Ostritsch, der als Redakteur der Tagespost sowie als Kolumnist bei Corrigenda tätig ist, erhielt Mitte Mai die Einladung, an der von den Jesuiten geleiteten Hochschule für Philosophie (HFPH) in der Münchner Maxvorstadt zum Thema „Ist Gottes Existenz eine Sache der Vernunfterkenntnis? Thomas von Aquin vs. Immanuel Kant“ zu sprechen.
Anlass ist das am morgigen Donnerstag erscheinende Buch Ostritschs „Serpentinen. Die Gottesbeweise des Thomas von Aquin nach dem Zeitalter der Aufklärung“. Geladen hatte Pater Patrick Zoll SJ, Professor für Metaphysik. Rund zwei Wochen vor der geplanten Veranstaltung warben Plakate auf dem Hochschulgelände für den Vortrag, auf der Hochschulwebsite wurde Ostritschs Vortrag und Buchvorstellung angekündigt, so wie viele andere Veranstaltungen auch.
Mit dem Kritisierten redete die Hochschulleitung nicht
Vergangene Woche machten plötzlich die Hochschulleitung und die Studentenvertretung auf „Irritationen“ aufmerksam, zu der es rund um Ostritschs Einladung gekommen sei. Bei einem „moderierten Gespräch“, zu dem alle Studenten eingeladen seien, sollten „bestehende Bedenken in einem sachlichen Rahmen“ besprochen werden.
Vorsorglich nahm die Hochschulleitung allerdings die offizielle Ankündigung und Werbung für den Vortrag von Website und Wänden. „Wegen des Wahrens der Wissenschaftsfreiheit bleibt die Einladung zum Vortrag allerdings bestehen!“ Die Bedenkenträger waren offensichtlich linksradikale Studenten. Offensichtlich deshalb, weil sie Ostritsch in einem via soziale Netzwerke verbreiteten Aufruf als „rechtsextremen Fundamentalisten“ bezeichneten. Darin schrieben sie:
„Bitte helft uns, indem ihr zu uns an die Hochschule kommt und Flagge und Gesicht zeigt! Wir schmücken die Hochschule und Aula mit Flaggen und Zitaten Ostritschs und bieten an, über Ostritschs gefährliche politische Agenda zu informieren. Dazu gibt es Glühwein.“
Ziel sei es, dass beim Gegenprotest mehr Menschen erscheinen als bei dem Vortrag. In einer anderen Nachricht, die per Messagingdienst verbreitet wurde, lobten die Gegner der Wissenschaftsfreiheit das Zurückzucken der Hochschulleitung und bedauerten, dass die Veranstaltung „aus Gründen der Wissenschaftsfreiheit“ trotzdem stattfinden solle. Auf einem digitalen, transgenderbunten Handzettel forderten sie: „Rechte Fundamentalisten boykottieren“.
Nun, dazu kam es nicht mehr. Während es in der klassischen Novelle einen Wendepunkt gibt, folgte die Geschichte hier erneut dem an deutschsprachigen Hochschulen üblichen Faden: Wer anderer Meinung ist, wird gecancelt. Am Dienstag, zwei Tage vor dem geplanten Termin, erhielt Ostritsch einen Anruf von Professor Zoll: Veranstaltung abgesagt. Ostritsch sagte gegenüber Corrigenda: Während des gesamten Entscheidungsprozesses habe ihn die Hochschulleitung kein einziges Mal kontaktiert, nicht um seine Sicht der Dinge gebeten. Die linksradikalen Studenten sowieso nicht. „Die Berufung auf die ‘Wissenschaftsfreiheit’ ist offenbar nichts mehr wert“, zeigte sich Ostritsch konsterniert.
Sollte die Veranstaltung nicht abgesagt werden, werde sie „nicht ungestört“ ablaufen
Ganz redewillig waren dagegen Ostritschs Gegner während des moderierten Gesprächs am Dienstag kurz nach Mittag in der Aula. Wie Corrigenda von einem Teilnehmer erfuhr, waren neben der Hochschulleitung, der Studentenvertretung und der Verwaltung, die das Gespräch leitete, alle Professoren der Jesuiten vor Ort sowie rund 50 Studenten. Viele der anwesenden Studenten warfen der Hochschulleitung und Professor Zoll die üblichen Vorwürfe um die Ohren: Herr Ostritsch sei ein „Menschenfeind“, sei „rechtsextrem“, ein „Nazi“, er arbeite für „rechte Blätter“, er sei in der Berliner Bibliothek des Konservatismus aufgetreten, wo auch schon diese und jene schlimmen Leute gesprochen hätten. Die übliche Leier also.
Eine Studentin verstieg sich, an die Hochschulleitung gewendet, zu der Äußerung: „Herr Ostritsch wünscht sich wie Charlie Kirk zu sein, wir können Sie aber beruhigen: Erschießen werden wir ihn nicht.“ Ein Student kündige an: Sollte die Veranstaltung nicht abgesagt werden, werde sie „nicht ungestört“ über die Bühne laufen.
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So bedrohlich, so skandalös Sätze wie diese waren, so bedrückend war die Stimmung im Saal, schilderte ein anwesender Student. Die Hochschulleitung sei passiv gewesen, habe sich zurückhaltend geäußert, abermals auf die Wissenschaftsfreiheit rekurriert und darauf verwiesen, man wolle nicht Zustände wie in den USA unter Donald Trump, wo politischer Druck auf Hochschulen ausgeübt werde, um bestimmte Sichtweisen zu unterdrücken.
Die anwesende Professorenschaft habe wie ihre Leitung die Wissenschaftsfreiheit betont, nicht jedoch ohne mehrheitlich zu verhehlen, dass die Einladung eigentlich ein Fehler gewesen sei. Ein Professor äußerte laut dem Zeugen die Idee, es solle doch einfach niemand hingehen zu Ostritschs Vortrag, dann könne er vor einer leeren Aula sprechen.
Die Hochschule für Philosophie, nur einen Steinwurf entfernt vom Geschwister-Scholl-Platz, ließ eine zehn Fragen umfassende Presseanfrage von Corrigenda bisher unbeantwortet. Gegenüber der Tagespost sagte sie: „Angesichts der Begleitumstände innerhalb und außerhalb der Hochschule schien ein offener, akademischer Dialog nicht mehr möglich.“ Auch die Studentenvertretung und Professor Zoll reagierten nicht auf Corrigenda-Anfrage.
Die Cancel-Kultur verliert ihren Schrecken
Wie dieses Magazin erfuhr, haben sich inzwischen alternative Standorte für den Vortrag angeboten. Dass eine katholische Hochschule für Philosophie nicht mehr der richtige Ort zur Diskussion über theologisch-philosophische Themen sein kann, könnte – noch – die Entscheidung einer vor Linksradikalen kuschenden Leitung sein. Schon in naher Zukunft aber könnten sich auch die Vorträger selbst gegen solche Unorte der Meinungsfreiheit entscheiden. Es gibt Alternativen. Die Cancel-Kultur verliert ihren Schrecken.
Und es gibt Solidarität. Zahlreiche Journalisten, Publizisten, Hochschullehrer, Christen in unterschiedlichsten Positionen stellten sich teils öffentlich hinter Ostritsch.
Der Hochschulprofessor und Publizist Riccardo Wagner schrieb in einem offenen Brief an den Präsidenten der HFPH:
„Ich frage Sie offen: Welches Signal geben Sie damit Ihren Studierenden? Welches Bild von Kirche, Theologie und Philosophie zeichnen Sie, wenn nicht einmal mehr ein Vortrag über klassische Gottesbeweise möglich ist, weil der Referent öffentlich als „Fundamentalist“ denunziert wird? Wollen Sie wirklich zulassen, dass Verleumdungen und Schlagworte wichtiger werden als Argumente und wissenschaftliche Qualität? Als katholischer Christ und als Hochschullehrer macht mich dieser Vorgang tieftraurig – und ehrlich gesagt auch wütend.“
Auf der Webseite der Hochschule wird Ostritschs Vortrag inzwischen wieder erwähnt, allerdings prangt davor ein „Abgesagt“. Für den nächsten Tag ist ein Kinoabend angekündigt. Titel: „Hannah Arendt: Denken ist gefährlich“.
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Kommentare
Diese Institution hat sich als Stätte des Denkens diskreditiert.
Kann weg.
Unsere katholisch-christliche Heimat wird gewollt systematisch zerstört.
pfui könnte man sagen, wenn selbst in diesem Rahmen keine freie Diskussion und Vortrag mehr möglich ist! Auf der anderen Seite, wer sich nicht schlau macht stirbt eben dumm, das gilt auch für linke Studenten, egal was sie studieren. Wissenschaft lebte bislang vom Diskurs und sollte sich davon nicht abbringen lassen. Wenn nur lehren darf was dem Pöbel gefällt, kann es auch direkt sein lassen...
Ich möchte an dieser Stelle einfach nur Henryk M. Broder zitieren: „Wenn ihr euch fragt, wie das damals passieren konnte: Weil sie damals so waren, wie ihr heute seid.“
Der Vorgang scheint mir sehr bedrückend zu sein, auch wenn mir vielleicht sämtliche Informationen fehlen, um ein halbwegs vollständiges Urteil abgeben zu können.
Was ich aber betonen kann: Vor 30 Jahren war dies die Hochschule, die von Menschen wie Friedo Ricken, Gerd Haeffner, Bela Weissmahr, Norbert Brieskorn und insbesondere auch von Albert Keller geprägt war. Albert Keller hat keinen Disput ausgelassen, sich auf alles eingelassen - da hätte man Maoist oder sonst was sein können: Er hat einem gezeigt, was es heißt, sich in Offenheit und Respekt mit allem auseinanderzusetzen. Mir scheint (vorsichtig gesprochen), dass dieser Geist heute aus dem Haus und wohl auch Teilen der Studierendenschaft verschwunden ist. - Aber das ist nicht nur für diese Hochschule typisch. 1 Thess. 5,21: "Prüfet alles und suchet das Gute." Heute wissen viele, dass sie nicht mehr zu prüfen brauchen, weil sie überzeugt sind, dass es da nichts Gutes zu finden gibt.