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KOLUMNE „DER SCHWEIZER BLICK“

Eingerahmte Feinde

Am Samstag, 11. März, wird in der Schweizer Bundesstadt Bern – wir kennen keine Hauptstadt im Wortsinn – eine Friedensdemonstration stattfinden. So, wie sie derzeit regelmäßig quer durch Deutschland durchgeführt werden. Die Veranstalter gehen von einem Großanlass aus. Der Krieg in der Ukraine beschäftigt auch die Menschen hierzulande. Während ehemalige Vordenker des Pazifismus heute am liebsten Großlieferungen an Waffen und Munition aus der Schweiz in die Ukraine schicken würden, gibt es daneben einen durchaus gewichtigen Teil der Bevölkerung, der einfach möchte, dass das Töten ein Ende hat.

Die Schlagzeilen, die der Kundgebung folgen werden, lassen sich heute schon vorhersagen. Es wird nicht um die Inhalte gehen, die verschiedene Redner auf einer Bühne liefern. Sondern um die Frage: Wer war dort? Was tut er oder sie sonst so den lieben langen Tag? Und wofür steht er oder sie sonst noch ein?

Danach wird es schnell heißen: Es war ein Aufmarsch von Rechtsextremen. Es war ein Stelldichein von Coronaleugnern. Es war ein Treffen von Putin-Verstehern. Solche Begriffe dienen dem erwünschten Framing, also der bewussten Einordnung von Ereignissen und Leuten in einen möglichst unschönen Rahmen, um deren Glaubwürdigkeit zu beschädigen.

Demonstranten sollen in ein schlechtes Licht gestellt werden

Als 2020 in Zürich erstmals organisiert gegen die Coronamaßnahmen demonstriert wurde, tauchten unter den Tausenden von Beteiligten auch einige Glatzköpfe auf, die in nostalgischer Verirrung den schlimmsten Zeiten der Geschichte nachtrauern. Sie kommen gerne, wenn es nach einem möglichen Krawall riecht, unabhängig vom Gegenstand der Kundgebung. Aber es waren Einzelmasken, eine verschwindend kleine Minderheit gegenüber den unzähligen Beschützern von Demokratie, Grundrecht und Verfassung, die mit rechten Positionen rein gar nichts zu tun haben.

Dennoch stürzten sich die Fotografen der Medien entschlossen auf diese paar Exemplare. Damit wollten sie den „Bildbeweis“ dafür liefern, dass der Kampf gegen die unverhältnismäßige Coronapolitik von rechts unterwandert sei. Was Unsinn ist, weil sich dieser Kampf ja gerade gegen totalitäre Tendenzen richtete, für die Rechtsextreme in aller Regel Feuer und Flamme sind.

So wird es auch bei der Friedensdemonstration laufen. Aus Menschen, die für die Unversehrtheit des eigenen Körpers einstehen, werden schnell mal pauschal „Impfgegner“. Aus den Anhängern der Verfassung werden angebliche „Reichsbürger“. Aus Leuten, die das Schweigen der Waffen fordern, werden „Russlandfreunde“. Die Absicht dahinter ist klar: den Demonstranten die Legitimation für ihr Tun zu entziehen, sie in eine unappetitliche Ecke zu drücken, damit ihre Argumente gar nicht erst bis zum Leser vordringen.

Das läuft in Deutschland seit der allerersten Friedensdemonstration so, und die Schweizer Medien werden das Erfolgsrezept ohne Frage übernehmen. Vielleicht wiegt dieses Vorgehen in der Schweiz aber sogar noch schwerer. Eine direkte Demokratie lebt von der Debatte, vom Austausch von Argumenten. Das Framing sorgt dafür, dass es gar nicht erst so weit kommt. Indem man eine Seite des Meinungsspektrums durch gezielte Verknüpfung mit anderen Themen und den Einsatz pauschaler Verunglimpfungen diskreditiert, suggerieren die Lieferanten der Schlagzeilen: Mit denen muss man sich nicht auseinandersetzen. Das sind lauter Verrückte.

Schweiz hat Sanktionen der EU übernommen

Dem Stammtisch ist es durchaus erlaubt, bestimmte Haltungen oder Argumente einfach zu ignorieren und polternd an den eigenen Ansichten festzuhalten. Tun das Medienschaffende, ist das aber das Gegenteil ihrer eigentlichen Aufgabe. Allerdings genießen sie das Wohlwollen der Regierung. Denn die hat im Zuge des Kriegs in der Ukraine mal schnell die Neutralität relativiert bis an die Grenze der Unkenntlichkeit, indem sie die Sanktionen der EU einfach übernommen hat. Ihr kann es also nur recht sein, wenn die Menschen, die Frieden durch die Waffen der Diplomatie fordern, öffentlich schlechtgemacht werden.

Was wäre denn das Schlimmste, was passieren könnte, wenn die Demonstration vom Samstag als ernstzunehmender Zwischenruf von voraussichtlich einigen tausend Menschen entgegengenommen und journalistisch sauber verarbeitet würde? Wenn man inhaltlich auf das Anliegen einginge? Es steht ja den Medienschaffenden frei, dieses zu kommentieren, Argumente zu widerlegen, einen anderen Standpunkt einzunehmen. Aber die Leser haben ein Recht darauf, zu erfahren, was an jenem Tag in Bern wirklich gesagt wird, um sich danach ihr eigenes Bild zu machen.

Nur wird das nicht geschehen. Denn es ist weit einfacher, die Menge nach einer allfälligen Reichskriegsflagge zu scannen und das Bild auf der Titelseite zu bringen. Ganz so, als stünde ein einzelner Irrläufer stellvertretend für die Kundgebung. Dem eigentlichen Geschehen wird das nicht gerecht, und das Ergebnis ist ein Zerrbild der Wirklichkeit. Aber das ist wohl auch der Sinn der Sache.

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