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Demographie

Es geht um nichts weniger als das Überleben Italiens

Nachdem Italien 2012 zum ersten Mal die 60-Millionen-Einwohner-Grenze überschritten hatte, lag die Einwohnerzahl 2018 wieder unter 60 Millionen. Und es begann ein rascher und stetiger Abstieg, der bis Ende 2023 den Wert auf unter 59 Millionen senken wird. Ein Bevölkerungsrückgang, der mit dem Einbruch der Geburtenrate einhergeht.

Es gibt keinen besseren Beweis für den Ernst der Lage als die Zahlen: Abgesehen von einem sehr geringen Wachstum in den Jahren 2004 und 2006 ist der natürliche Saldo seit 1992 negativ, und die Fruchtbarkeitsrate liegt sogar seit 1976 unter zwei. Besonders besorgniserregend sind jedoch die Zahlen der vergangenen Jahre: Im Jahr 2021 standen 400.249 Geburten 701.346 Sterbefällen gegenüber, bei einer Fruchtbarkeitsrate von 1,25 Kindern pro Frau. Im vergangenen Jahr kamen in Italien erstmals weniger als 400.000 Kinder zur Welt.

Während die Zahl der Neugeborenen in den vergangenen zwanzig Jahren unaufhaltsam zurückgegangen ist – allein im vergangenen Jahrzehnt um ein Viertel –, ist die Zahl der Einwanderer gestiegen. Aber auch die Geburtenrate unter den Einwanderern in Italien ist rückläufig. Parallel zum Geburtenrückgang wuchs die Zahl der Italiener, die ins Ausland ziehen; es gibt inzwischen sechs Millionen von ihnen, 1,2 Millionen davon sind zwischen 18 und 34 Jahren alt.

Die Zahl der Italiener wird bis 2060 auf unter 37 Millionen fallen

Anfang 2022 waren 36,3 Prozent der im Aire (Register der im Ausland lebenden Italiener) registrierten Personen minderjährig oder zwischen 18 und 34 Jahre alt, während die Gruppe der 35- bis 49-Jährigen 23,2 Prozent ausmachte. Die Gründe, warum viele junge Menschen Italien verlassen, sind vielfältig, hängen aber vor allem mit der Suche nach Arbeit und besseren Lebensbedingungen zusammen.

Laut einer aktuellen Schätzung der Vereinten Nationen wird die Zahl der Italiener bis 2060 auf unter 37 Millionen fallen. Heute sind rund 36 Millionen Menschen in Italien im erwerbsfähigen Alter, in drei Jahrzehnten werden es nur noch 27 Millionen sein. Laut Statistikern wird Italiens Wirtschaftsleistung um fast ein Drittel zurückgehen.

Der Geburtenrückgang ist ein systemisches Problem der italienischen Gesellschaft und wird auch durch die Schwierigkeit vieler Frauen bestimmt, ihre Arbeit mit der Mutterschaft zu verbinden. 42,6 Prozent der Mütter zwischen 25 und 54 Jahren sind nicht erwerbstätig, und 39,2 Prozent der Mütter mit zwei oder mehr minderjährigen Kindern haben eine Teilzeitstelle.

Italienerinnen sind bei Geburt des ersten Kindes über 31 Jahre alt

Darüber hinaus entscheiden sich italienische Frauen noch später als beispielsweise die deutschen für die Mutterschaft. In Italien sind Frauen bei der Geburt ihres ersten Kindes im Schnitt 31,4 Jahre alt. Dies ist der EU-weit höchste Wert. (In Deutschland liegt der Wert bei 30,2 Jahren.)

Anteil der unter 14-Jährigen (hellblau) und der über 65-Jährigen an der Gesamtbevölkerung in Prozent: 37 Prozent der Bevölkerung sind älter als 65

Die Folgen der niedrigen Geburtenrate wirken sich sowohl in wirtschaftlicher als auch in sozialer und kultureller Hinsicht aus. Italien ist unter den großen europäischen Nationen ein Land mit einem starken Wohlfahrtsstaat, der seinen Bürgern zwar Rechte und Dienstleistungen garantiert, aber auch enorme Kosten verursacht. Einer der Hauptkostenpunkte für den Staat ist das Rentensystem, das von den Beiträgen der Arbeitnehmer getragen wird.

Wenn jedoch die Zahl der Rentner überproportional ansteigt und die Zahl der Arbeitnehmer sinkt, droht das System zusammenzubrechen, und genau das könnte in Italien passieren. Weniger Geburten bedeuten perspektivisch weniger Arbeitskräfte und damit eine Krise für die gesamte italienische Wirtschaft. Gleichzeitig führt der Geburtenrückgang zur Schließung oder Verkleinerung zahlreicher öffentlicher wie privater Einrichtungen, vor allem in kleineren Städten und Dörfern.

Die italienische Identität, die Bräuche und Berufe sind in Gefahr

Besonders deutlich wird dies bei den Schulen. In zehn Jahren wird es 1.400.000 Schüler weniger als heute geben. Diese Situation führt zur Schließung vieler Schulen, insbesondere im Süden. Die Entvölkerung des Landesinneren (insbesondere der Apenninen) birgt auch hydrogeologische Risiken für die Regionen. Denn wo nur noch wenige Menschen wohnen, wird das Land nicht mehr kultiviert, Abwassersysteme und ähnliches nicht mehr instand gehalten.

Und der Rückgang der Einwohnerzahl führt schließlich zu einer Verkleinerung der Rolle Italiens im internationalen Kontext. Nicht zuletzt stellt dieser historische Einbruch vor allem ein kulturelles Problem dar, das die italienische Identität und die Weitergabe von Traditionen, Bräuchen und Berufen an künftige Generationen gefährdet.

Angesichts dieses Szenarios ist es legitim zu fragen, wie man den Trend umkehren kann. Manche wollen den Geburtenrückgang durch verstärkte Zuwanderung kompensieren, aber es ist klar, dass dies nicht der richtige Weg ist und keine Lösung sein kann.

Jungen Menschen muss die Bedeutung des Kinderkriegens bewusst werden

Wir müssen aus zwei Richtungen handeln: einer kulturellen und einer politischen. Aus kultureller Sicht muss den jungen Menschen die Bedeutung des Kinderkriegens bewusst gemacht werden, indem ein kinderfreundliches soziales Umfeld geschaffen wird. Aus politischer Sicht sind Maßnahmen erforderlich, um die Geburtenrate zu unterstützen, indem man in den Elternurlaub eingreift, die Prämien für diejenigen, die Kinder haben, erhöht und die Geburtenrate im Allgemeinen fördert. In diesem Sinne hat die Regierung unter Ministerpräsidentin Giorgia Meloni durch die Ministerin für Familie, Geburtenrate und Chancengleichheit, Eugenia Roccella (beide Fratelli d’Italia), eine Reihe von politischen Maßnahmen festgelegt.

Die Ministerin betont: „Der Bevölkerungsrückgang hat weitreichende Folgen, sowohl materieller als auch immaterieller Natur. Sie reichen von der Nicht-Nachhaltigkeit des Sozialwesens und der öffentlichen Gesundheit bis hin zur Entvölkerung der empfindlichsten Gebiete mit der Gefahr der Verödung Tausender kleiner Gemeinden und jener Gebiete im Landesinneren, die einen wichtigen Teil des kulturellen, natürlichen und identitätsstiftenden Erbes Italiens bewahren.“

Die neue Regierung hat das Problem erkannt

Die Prognosen des italienischen Statistikamtes reichen von einer Schrumpfung des Bruttoinlandsprodukts bis hin zur Auslöschung der Vitalität Italiens. „Denn weniger Geburten bedeuten weniger junge Menschen und damit weniger Neigung zu Kreativität, Innovation, Entwicklung und Unternehmertum“, mahnt Roccella.

Konkret sei es notwendig, eine Kultur zu fördern, die die Mutterschaft zu etwas Erstrebenswertem und nicht zu einem Hindernis für die persönliche Entfaltung machen. In Hinblick auf dieses Ziel „können die Unternehmen eine entscheidende Rolle spielen, indem sie sowohl ein günstiges Umfeld für die Mutterschaft schaffen als auch konkrete ergänzende Sozialleistungen zu ihrer Unterstützung anbieten“.

Ministerin Roccella: „Die Geburtenrate zu fördern bedeutet auch, die Frauen beim Kinderkriegen nicht alleinzulassen, sondern sie entsprechend ihren Bedürfnissen und Anforderungen zu begleiten. Für die Regierung ist dies eine Priorität, und wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, um ein Unterstützungsnetz für werdende Mütter und für Kinder zu schaffen, um eine mütternahe Fürsorge aufzubauen.“

Worte, die zeigen, dass das Problem der Geburtenrate für die neue italienische Regierung aus Fratelli d’Italia, Lega und Forza Italia Priorität hat. Wird es ihr gelingen, den Kurs umzukehren? Das Überleben Italiens hängt davon ab.

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Kommentare

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Marina
Vor 1 Jahr 9 Monate

Ich bin kein großer Italien-Fan. Die deutsche Italien-Sehnsucht habe ich nie verstanden, vielleicht liegt sie nur an der Gegensätzlichkeit. Doch der demographische Winter in dem Land ist bedenklich. Was dem Land und unserem Kontinent und der Welt entgehen wird, weil so viele Italiener nicht geboren sind?

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hildegard tscholl
Vor 1 Jahr 9 Monate

das heiße Eisen Abtreibung als große Geburtenverhinderung wagt niemand in die Hand zu nehmen. Der politische Linksdruck wird zu sehr gefürchtet. Daher ist es fraglich, ob die Regierung mit ihrem halbherzigen Programm eine Veränderung in dieser Thematik erzielen wird. Hätte eine Regierung endlich den Mut, den demographischen Niedergang auch von dieser Seite anzugehen, würde sich schlagartig die Situation verändern: Geburtengeld statt kostenlose Abtreibung, Babywindeln statt Tabletten für die Tötung des Kindes, kesse Schwangerschaftsmode statt Managerkleidung für Frauen, Bilder von Familien mit frohen Kindergesichtern statt Bilder mit erfolgreichen, aber gestressten Eltern, die Fortschritt und Wohlstand vermitteln sollen.
Schlicht und einfach, die Gesetze in Richtung pro Familie ändern heißt, dass gesunde Frauen und Männer im italienischen Staat wieder für Nachwuchs sorgen.

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Jürgen
Vor 1 Jahr 1 Monat

Man kann das Kinderkriegen nicht erzwingen. Kinder kommen auf die Welt, wenn Menschen sich in einem Land wohl fühlen und positiv in die Zukunft sehen. Die Politik aber entfremdet sich von den Einwohnern und Instanzen in Brüssel meinen sie müssten Bürger gängeln statt Freiheit zu ermöglichen.

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Markus
Vor 1 Jahr 9 Monate

Die Regierung Meloni nimmt als rechte Regierung im Kern Europas eine Vorreiterrolle ebenso ein wie die eines Versuchskaninchens. Gelingt es ihr, die fundamentalen Probleme ganz Europas durch konservative Politik einzudämmen? Oder sind diese Probleme einfach Marker vom sog. Fortschritt des Menschengeschlechts? Zeit hat sie – bis zu unserer nächsten Bundestagswahl!

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Franz
Vor 1 Jahr 9 Monate

Italien schien immer ein Bollwerk der Kinderfreundlichkeit zu sein. Ist das vielleicht ein komplett abendländisches Problem?

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Jürgen
Vor 1 Jahr 1 Monat

Man kann das Kinderkriegen nicht erzwingen. Kinder kommen auf die Welt, wenn Menschen sich in einem Land wohl fühlen und positiv in die Zukunft sehen. Die Politik aber entfremdet sich von den Einwohnern und Instanzen in Brüssel meinen sie müssten Bürger gängeln statt Freiheit zu ermöglichen.

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Markus
Vor 1 Jahr 9 Monate

Die Regierung Meloni nimmt als rechte Regierung im Kern Europas eine Vorreiterrolle ebenso ein wie die eines Versuchskaninchens. Gelingt es ihr, die fundamentalen Probleme ganz Europas durch konservative Politik einzudämmen? Oder sind diese Probleme einfach Marker vom sog. Fortschritt des Menschengeschlechts? Zeit hat sie – bis zu unserer nächsten Bundestagswahl!

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hildegard tscholl
Vor 1 Jahr 9 Monate

das heiße Eisen Abtreibung als große Geburtenverhinderung wagt niemand in die Hand zu nehmen. Der politische Linksdruck wird zu sehr gefürchtet. Daher ist es fraglich, ob die Regierung mit ihrem halbherzigen Programm eine Veränderung in dieser Thematik erzielen wird. Hätte eine Regierung endlich den Mut, den demographischen Niedergang auch von dieser Seite anzugehen, würde sich schlagartig die Situation verändern: Geburtengeld statt kostenlose Abtreibung, Babywindeln statt Tabletten für die Tötung des Kindes, kesse Schwangerschaftsmode statt Managerkleidung für Frauen, Bilder von Familien mit frohen Kindergesichtern statt Bilder mit erfolgreichen, aber gestressten Eltern, die Fortschritt und Wohlstand vermitteln sollen.
Schlicht und einfach, die Gesetze in Richtung pro Familie ändern heißt, dass gesunde Frauen und Männer im italienischen Staat wieder für Nachwuchs sorgen.

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Franz
Vor 1 Jahr 9 Monate

Italien schien immer ein Bollwerk der Kinderfreundlichkeit zu sein. Ist das vielleicht ein komplett abendländisches Problem?

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Marina
Vor 1 Jahr 9 Monate

Ich bin kein großer Italien-Fan. Die deutsche Italien-Sehnsucht habe ich nie verstanden, vielleicht liegt sie nur an der Gegensätzlichkeit. Doch der demographische Winter in dem Land ist bedenklich. Was dem Land und unserem Kontinent und der Welt entgehen wird, weil so viele Italiener nicht geboren sind?