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Kolumne „Ein bisschen besser“

Schnittstelle

Eine Freundin von uns arbeitet in der IT-Branche, und ihr Leben kreist um Schnittstellen. Schnittstellen sind Orte, wo eins aufs andere stößt, und Schnittstellenmanager managen, dass es dann passt. Ich muss dabei immer an den Film über Apollo 13 denken, in dem die havarierten Astronauten in ihrer Not einen runden Sauerstoffschlauch in eine eckige Öffnung schieben mussten. Die Schnittstelle hielt nur dank ganz viel Klebeband.

Wenn so eine Schnittstelle nicht passt, dann gelangen Sauerstoff, Daten – ja, was auch immer –, nicht von einem Ort zum andern. Auch Küsse zum Beispiel können davon betroffen sein. Der Mund als menschliche Schnittstelle funktioniert mal besser und mal schlechter.

Es ist aber nur einmal Geld da

Bei Judith ist das tageszeitenabhängig, vor dem ersten Kaffee ist ihre wichtigste Schnittstelle in etwa so gut verriegelt wie einst die Westgrenze der DDR. „Da brauchste ein Visum“, grummele ich, worauf sie den Mund ein wenig kräuselt, die Lippen spitzt und ich dankbar feststelle, dass es schon nach dem ersten Kaffee ist.

In der Politik gibt es auch viele Schnittstellen, und wir erleben, wie das Runde nicht in das Eckige passt, und Klebeband ist ebenfalls alle. Der Finanzminister will Geld an Unternehmen verteilen, die zum Beispiel Autos bauen, die Familienministerin an Kinder, die zum Beispiel kein Taschengeld haben. Es ist aber nur einmal Geld da, deswegen bekommt jetzt keiner was.

Wir küssen uns dann einfach, und plötzlich …

Irgendein Schnittstellenmanager hat da einen lausigen Job gemacht, und wenn unsere Freundin aus der IT so arbeiten würde, würde der Krieg der Server ausbrechen. Wir wollen uns aber auch nicht vorstellen, wie die Familienministerin die Lippen spitzt und der Finanzminister ihr einen Schmatz draufgibt.

Judith und ich haben deswegen beschlossen, dass es für uns beide ein bisschen besser ist, vorerst nicht in die Politik einzusteigen. Die Gründe liegen klar auf der Hand: So ein Konflikt passiert uns auch mal. Aber wir küssen uns dann einfach, und plötzlich ist Geld da für Autos und Kinder. So etwas geht halt nur bei uns und niemals in der Politik.

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