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Kolumne „Der Schweizer Blick“

Das mediale Mitleiden mit Schwarz-Rot-Gold

Die Schweiz hatte schon immer eine ambivalente Beziehung zu Deutschland. Es gibt Parallelen zwischen den beiden Ländern, aber viel spürbarer sind die Unterschiede. Vor allem die atmosphärischer Natur. Wie Deutsche in der Schweiz immer gleich gnadenlos auf den Punkt kommen, auch mal auf Kosten einer Anrede oder eines kurzen „Bitte“: Das verstört die höflichen Schweizer.

Was wir aber neidvoll bewundern, vor allem unsere Medien, ist das politische System in Deutschland. Nicht etwa, weil es besser funktioniert, das tut es ja sichtlich nicht. Aber es ist so herrlich klar. Es gibt Gewinner und Verlierer – und: „the winner takes it all“. In der Schweiz haben die Verschiebungen bei einer Wahl kaum je Konsequenzen. Hier kümmert sich das Parlament bei der Bestellung der Regierung nicht darum, was die Leute gerade gewählt haben.

Kein Wunder also, dass auch die Schweiz am Wochenende gebannt nach Hessen und Bayern starrte und es die Journalisten kaum abwarten konnten, die Resultate im Nachbarland zu verkünden. Falls es Deutsche gibt, die aufgrund des medialen Einheitsbreis in ihrer Heimat zu uns umsiedeln wollen: Den Weg können sie sich sparen. Hier sieht es genau gleich aus.

Der Rechtsruck ist ein „Problem“

„AfD bei den Landtagswahlen: Der Rechtsruck ist nicht nur in Ostdeutschland ein Problem“, titelte watson.ch, ein kostenloses Onlineportal. Also nicht etwa: „Die AfD legt nun auch in Westdeutschland zu“, nein: Das Problem weitet sich geographisch aus. Denn es ist schlimm, wenn immer mehr Bundesländer rechts wählen. Immerhin weiß man so gleich, wo die Redaktion steht.

So deutlich macht es nicht jede Zeitung, aber es gibt auch kaum eine, die das Resultat der beiden Landtagswahlen einfach als das wiedergibt, was es ist: eine demokratische Entscheidung. Der Zürcher Tages-Anzeiger übernimmt die These vieler deutscher Blätter, wonach die Wahl ein Verdikt gegen die erfolglose Ampelregierung auf Bundesebene war.

Die AfD hat also gewissermaßen nicht selbst gewonnen, das haben SPD, Grüne und FDP für sie erledigt. Andere Journalisten spielen Küchentisch-Psychologen und suggerieren: Die AfD konnte nur erfolgreich sein, weil die deutschen Wähler so verbittert und hoffnungslos in die Zukunft schauen – und die AfD eben die Heimat der Verbitterten sei.

Der Reflex ist verständlich: Auch die Schweizer Medien betreiben seit Jahren ein kontinuierliches AfD-Bashing, und Journalisten können schlecht damit umgehen, wenn diese ungebildeten Bürger danach das Gegenteil von dem machen, was sie ihnen empfohlen haben. Es wirkt dennoch leicht absurd, wenn sich ein Land beziehungsweise dessen schreibende Zunft derart über das Wahlresultat in einem anderen Land enerviert, zumal noch auf Bundeslandebene.

Freie Wähler gewinnen dank „Opfermythos“

Die AfD kommt aber nicht als einzige Partei an die Kasse. Auch die Freien Wähler in Bayern haben zugelegt, obschon die Süddeutsche Zeitung nun wirklich alles getan hat, um den bayerischen Vizeministerpräsidenten Hubert Aiwanger zu erledigen. Das öffentlich-rechtliche Schweizer Fernsehen kann das Resultat nicht verdauen. Die Affäre habe Aiwanger nicht geschadet, „der Opfermythos verfing“, heißt es dort. Was übersetzt bedeutet: Da hat sich der Täter zum Opfer gemacht und wird nun auch noch dafür belohnt! Schon früher hatte der Sender unverdrossen von der „Hetzschrift von Aiwanger“ berichtet, als schon längst klar war, dass diese nicht aus seiner Feder stammte. Auch hier: Eine klare politische Haltung, finanziert vom Gebührenzahler.

In knapp zwei Wochen wird in der Schweiz gewählt, und der Knochen ist langsam durchgekaut, was die laufende Berichterstattung darüber angeht. Zudem gestaltet sich die Spezialdisziplin der großen Schweizer Zeitungen – Stimmung gegen alles rechts der Mitte machen – ziemlich schwierig, weil die rechtskonservative Schweizer Volkspartei (SVP) heute schon die stärkste Kraft im Land ist und gemäß aller Umfragen weiter zulegen wird. Zwar gab es einen flügellahmen Versuch, die SVP zu „AfD-isieren“, indem ihr Nähe zu rechtsextremen Kräften unterschoben wurde. Aber das war den meisten Zeitungslesern nun doch zu doof.

Kein Wunder also, dass sich die Schweizer Medienszene am Ausland abarbeiten muss. Im Zusammenhang mit der AfD darf sie endlich Begriffe wie „als in Teilen rechtsextrem beurteilt“ oder „vom Verfassungsschutz beobachtet“ in die Runde werfen, um unliebsame politische Haltungen zu diskreditieren.

Noch lieber würden das die Medienschaffenden natürlich vor der eigenen Haustür tun. Aber das ist bei einer altgedienten Volkspartei wie der SVP reichlich schwierig. Sollte die AfD eines Tages auch eine solche sein, und danach sieht es derzeit aus, brauchen die Schweizer Journalisten ein neues Feindbild im Ausland.

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