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Kolumne „Der Schweizer Blick“

Die Republik und ihre Bananen

Es wäre lustig, wenn es nicht traurig wäre. Philippe Müller, Regierungsrat im Kanton Bern, hat in der Vergangenheit einzelne Einkäufe für seinen „Znüni“ – die Zwischenverpflegung zwischen Frühstück und Mittagessen – als Spesen verbucht und so das Geld zurückerhalten. Darunter waren ein Brötchen für 95 Rappen und eine Banane für 20 Rappen. Wo der Mann eine Banane zu diesem Preis gefunden hat, ist ein Rätsel. Allerdings ist das natürlich nicht das eigentliche Problem.

Aufgedeckt hat die Spesenaffäre eine Konsumentensendung des Schweizer Fernsehens. Tagelang kannte die Schweiz danach nur noch dieses Thema. Die Eckdaten sind auch zu verführerisch. Ein gewähltes Regierungsmitglied mit einem Jahresgehalt von 280.000 Franken und einer Spesenpauschale von 8000 Franken möchte seine Banane für 20 Rappen nicht selbst bezahlen, sondern den Snack an den Steuerzahler überwälzen?

Eine etwas billige Ausrede

Müller hat sich inzwischen selbst zur Lage geäußert, nachdem er zunächst geschwiegen hatte. Es sei in der Tat sein Fehler gewesen, allerdings nicht etwa aus Geiz oder Gier, sondern weil diese Produkte „falsch verbucht“ worden seien. Damit etwas in der Buchhaltung landet, muss man allerdings erst einmal die Quittung dafür einreichen. Warum das im Fall dieser Zwischenmahlzeit überhaupt geschah, bleibt ein Mysterium. Zudem wurde später enthüllt, dass eine Butterbrezel für 3.20 Franken mit dem schriftlichen Vermerk „Znüni PhM“ in der Administration landete. Das klingt nicht nach Nachlässigkeit, sondern einem bewussten Versuch.

Dass über die pauschalen Spesen hinaus auch einzelne Posten abgerechnet werden können, macht durchaus Sinn. Dann und wann muss man als Regierungsrat beruflich mit jemandem essen gehen. Dort geht es allerdings selten um eine Banane und ein kleines Brötchen. Zudem ist auch in diesen Fällen Augenmaß gefragt. Dieses wird überschritten, wenn wie in einem anderen Fall Müllers Amtskollege Pierre Alain Schnegg ein Mittagessen für über 600 Franken ausrichtet und dabei zwei gute Flaschen Wein auffahren lässt.

Durchaus wertvoll sind die Einzelbeispiele, die nun aufgedeckt wurden, weil sie den Steuerzahlern die Existenz solcher Mechanismen vor Augen führen. Dass man als Mitglied einer Kantonsregierung anständig verdient, ist den meisten klar, aber wie zusätzliche Abgeltungen geregelt sind, nicht. Diverse Medien haben sich nun ins Thema reingekniet und aufgezeigt, wie das die einzelnen Kantone handhaben.

Das Problem wird kleingeredet

Das Ergebnis: Einige arbeiten mit Spesenpauschalen, diverse lassen aber darüber hinaus solche Einzelbuchungen zu. In diesen Fällen wird der Umgang damit zur Charakterprobe. Ist sich ein Amtsträger seiner privilegierten finanziellen Situation bewusst oder nützt er das System, um die Staatskasse so weit wie möglich auszupressen?

Die Parteien der Regierungsmitglieder, die nun am Pranger stehen, spielen die Sache fleißig herunter. Das sei schon einige Jahre her, es sei seither nie mehr vorgekommen, und zudem sei das Ganze vielleicht nicht sehr elegant, aber rechtlich sauber. Solche Reaktionen können nur von Leuten stammen, die von Amtes wegen in Verteidigungsposition gehen und das grundsätzliche Problem nicht sehen.

Die Idee, die Einnahme eines „Znünis“ sei Sache des Steuerzahlers, deutet auf einen Wahrnehmungsverlust hin. Nur schon ein einzelner Fall wirft die Frage auf, was sich der Betreffende in diesem Moment gedacht hat. Um die Summe geht es dabei nicht. Ein paar Franken werfen die Staatsfinanzen nicht aus der Bahn, sehr wohl aber das Vertrauensverhältnis zwischen Bürgern und Regierung. Es ist Öl im Getriebe für den Generalverdacht vieler Menschen, dass sich „die da oben“ auf ihre Kosten alles erlauben.

Die Parlamente sind gefragt

Das nicht zuletzt, weil sich Enthüllungen dieser Art mehren, und das bis auf die höchste Ebene, den Bundesrat. Stammtisch-Schlagworte wie das des „Selbstbedienungsladen“ erhalten damit Auftrieb. Kommen dann noch eine sinkende Kaufkraft und eine steigende Teuerung dazu, unter der gewöhnliche Bürger leiden, wachsen Wut und Unverständnis.

Sind diese Emotionen mal abgeebbt, geht es um die Frage, wie solche Fälle in Zukunft verhindert werden können. Leider kaum mit Appellen an die Eigenverantwortung. Der Mensch ist ein Jäger und Sammler, und wenn ihm die Beute zu leicht gemacht wird, schlägt er zu. Gefragt sind daher die Parlamente. Sie haben es in der Hand, der Regierung Grenzen zu setzen. Denn wir sprechen hier ja nicht von illegaler Korruption, sondern von rechtlich abgesegneten Vorteilen.

Beschneidet man diese, ist das Problem ausgeräumt. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass der Gesetzgeber den „Bananen-Gate“ auch wirklich als solches sieht. Bisher gibt es dafür wenig Anzeichen. Hier rächt sich, dass in den Schweizer Kantonsparlamenten nach wie vor kaum „einfache Leute“ sitzen. Sie sind es nämlich, denen für all das jedes Verständnis fehlt.

 

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