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Kolumne „Der Schweizer Blick“

Abzocker in der Regierung

Der erste Fall wirkt wie eine Posse, anstößig zwar, doch so herrlich absurd, dass man sie in der Verzweiflung weglachen kann. Beim zweiten Fall geht es aber ans Eingemachte. In Kombination vermitteln sie den Eindruck: Der Bundesrat, die Schweizer Regierung, spürt sich selbst nicht mehr.

Fall 1: Die Schweiz fährt Ski. Wie sicher die Mitglieder des Bundesrats auf zwei Brettern sind, ist nicht bekannt. Gelegenheit zum Üben haben sie aber jede Menge. Bisher erhielten die sieben Regierenden jedes Jahr von den Seilbahnen Schweiz eine Dauer-Fahrkarte für alle Skigebiete im Land. Wert: 4.324 Franken. Weil ein solches Geschenk aber nach Bestechung klingt, hat es damit ein Ende. Den Skipass gibt es dennoch weiterhin, nur bezahlen ihn künftig die Steuerpflichtigen. Denn einfach auf den Spaß verzichten wollte der Bundesrat nicht.

Die Gesamtkosten von 30.000 Franken werden das Land nicht in den Ruin treiben. Warum die arbeitende Bevölkerung der Landesregierung aber das Skifahren finanzieren soll, bleibt unklar. Bei einem Bruttoeinkommen von rund 468.000 Franken könnten die Bundesräte auch selbst dafür aufkommen. Allerdings würden sie sich dann kaum für die luxuriöse Jahreskarte entscheiden. Denn um diese herauszuschlagen, müssten sie jährlich 60 Tage auf Skiern verbringen. Es ist zu hoffen, dass ihnen das zeitlich gar nicht möglich ist.

Sparen bei „normalen“ Witwen

Fall 2: Glücklich ist, wer Bundesrats-Witwe ist. Bisher erhielten in der Schweiz die Ehepartner von Verstorbenen bis zum Ende ihres Lebens eine Witwenrente. Ab 2026 soll diese nur noch bis zum 25. Lebensjahr des jüngsten Kindes ausgeschüttet werden. Das ermöglicht Einsparungen von einer Milliarde Franken pro Jahr.

Allerdings sind Ausnahmen vorgesehen. Die Mitglieder des Bundesrats, des Bundesgerichts und der Bundeskanzlei sollen von der neuen Regelung ausgenommen werden. Im Todesfall erhalten die Hinterbliebenen pauschal 142.000 Franken pro Jahr – bis an ihr Lebensende. Ob es Kinder gibt, spielt dabei keine Rolle.

Eine 50-jährige Frau, deren Mann, möglicherweise der einzige Broterwerber in der Familie, überraschend verstirbt und deren Kind 26 Jahre alt ist, erhält also auf einen Schlag keine Witwenrente mehr. Die Bundesratsgattin, der es vermutlich bereits zu Lebzeiten ihres Mannes finanziell nicht ganz schlecht ging, erhält hingegen bis zum eigenen Ableben Jahr für Jahr mehr Geld, als das Durchschnittseinkommen in der Schweiz beträgt.

Jedes Jahr mehr Gehalt

Fast zeitgleich, und das ist im Grunde sogar Fall Nummer 3, hat sich der Bundesrat für das neue Jahr einen Teuerungsausgleich von einem Prozent gegönnt, womit die obengenannte Gehaltszahl bereits wieder veraltet ist. Die Regierungsmitglieder verdienen 2024 rund 5.000 Franken mehr als 2023. Was eigentlich sogar eine bescheidene Steigerung ist, denn von 2022 auf 2023 betrug der Lohnsprung über 11.000 Franken.

Die Teuerung ist eine Realität. Allerdings können sich herkömmliche Arbeitnehmer den Ausgleich nicht einfach selbst zuschanzen, sondern müssen ihn beim Arbeitgeber durchsetzen. Hat man die Macht dazu, das selbst zu tun, muss man damit verantwortungsvoll umgehen.

Es ist erst wenige Monate her, als eine erneute Erhöhung der Krankenkassenprämien wie eine Schockwelle durchs Land ging. Längst sind auch Teile des Mittelstandes aufgrund der steigenden Belastung durch Steuern, Gebühren und Abgaben finanziell herausgefordert. Gleichzeitig beschenkt sich die Regierung des Landes selbst und sichert sich für den Todesfall ab. Da kann man nicht mehr von fehlender Sensibilität sprechen, das grenzt an Wahrnehmungsstörungen.

Mentalität der Selbstbedienung

Es ist allerdings eine Eigenheit der Schweiz, dass solche Nachrichten für wenige Tage durch die Nation rauschen, einiges an medialer Empörung auslösen und dann wieder vergessen werden. Gewählt wird erst wieder in knapp vier Jahren. Der Zeitpunkt ist damit perfekt, sich Privilegien zu verschaffen, über die dann längst niemand mehr spricht.

Pflichtschuldig protestiert zwar der eine oder andere Parlamentarier über diese Mentalität der Selbstbedienung. Dabei wird es allerdings auch bleiben. Aktiv hindern wird den Bundesrat niemand daran, es sich gutgehen zu lassen. Denn, eine weitere Eigenheit, fast jeder der 246 Bundesparlamentarier träumt davon, selbst einmal Bundesrat zu werden. Ein Skipass und die lebenslange Rente für den Ehepartner klingen da nicht so übel.

Bundesräte als auserwählte Spezies

Man würde gern Mäuschen spielen in Bundesratssitzungen, auf denen solches diskutiert und beschlossen wird. Wie begründen die Teilnehmer diese egoistische Abzocke in schweren Zeiten vor sich selbst und den anderen? Worin sehen sie die Logik der exklusiven lebenslangen Witwenrente, während man diese dem gemeinen Volk wegnimmt? Was rechtfertigt für sie eine Dauerkarte auf Schweizer Skipisten, während es Familien gibt, die ihren Kindern diesen Spaß nicht einmal für einen Tag bieten können, weil das Geld dafür nicht reicht?

Es gibt nur eine Erklärung. Mit erfolgter Wahl sehen sich Bundesräte nicht mehr als Teil dieses Volkes, sondern als auserwählte Spezies, für die eigene Regeln gelten. Daran wird sich auch nichts ändern, solange sie damit durchkommen.

 

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