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Migrationskonferenz in Frankfurt am Main

Lösungsansätze, zu hart für Deutschland

Was des Journalisten Freude ist, ist des Veranstalters Leid: Auf der Migrationskonferenz der Frankfurter Goethe-Universität ist es zum Eklat gekommen, weil Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer den Begriff „Neger“ benutzte. Es kam dazu, weil der als Sprecher eingeladene Palmer, das Enfant terrible der Grünen, sich auf eine Diskussion mit Demonstranten eingelassen hatte, die ihn vor dem Eingang des Gebäudes „Normative Ordnungen“ mit der Parole „Es gibt kein Recht auf Nazi-Propaganda“ „begrüßten“. Sie warfen ihm vor, auf seiner Facebook-Seite das Wort „Neger“ verwendet zu haben. Palmer antwortete mit: „Ja, ich benutze das Wort Neger“.

Die ertraglose Debatte wurde im Saal fortgeführt, in dem die Konferenz mit dem Titel „Migration steuern, Pluralität gestalten“ stattfand. „Der simple Sprechakt gibt keinerlei Auskunft darüber, ob die Person ein Nazi ist oder nicht. Die Frage ist immer die des Kontextes. Wenn ich eine Person, die vor mir steht, als Neger bezeichne, weil sie schwarze Hautfarbe hat, ist das eine Beleidigung, darüber brauchen wir nicht zu diskutieren“, erklärte Palmer, der seine Grünen-Mitgliedschaft bis vorerst Ende 2023 ruhen lässt. Er finde es vollkommen legitim, in den Büchern Astrid Lindgrens den Begriff „Negerkönig“ beizubehalten und sei dagegen, ihn auf „Südseekönig“ umzuändern.

Die Direktorin und Gründerin des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam, Susanne Schröter, strebte eine konstruktive Diskussion an und ließ dafür zwei Demonstranten zu Wort kommen. Doch ein älterer Mann mit dem Schild „Nein zur Hetze gegen Muslime“ und eine junge Frau mit schwarzer Maske argumentierten nicht, sondern gaben ihrer Empörung über Palmer Raum. Nun riss einigen Konferenzteilnehmern der Geduldsfaden. „Maske runter“, forderten ein paar. Nachdem die beiden den Raum verlassen hatten, fühlten sich einige der Redner in der Verantwortung, darunter der Experte für Islamismusbekämpfung Ahmad Mansour und Manuel Ostermann, stellvertretender Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, kritisch Stellung zu beziehen.

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Mansour, Ostermann und Moderator verlassen den Saal

„Ehrlich gesagt habe ich Schwierigkeiten, das Wort zu hören“, trug Mansour vor. Wenn eine Gruppe von Menschen das Wort als Schimpfwort verstehe und dadurch selber verletzt sei, solle man über den Umgang damit reflektieren, sagte der Psychologe und erntete Applaus von einigen Teilnehmern. Bevor Palmer mit seinem eigentlichen Vortrag „Memorandum für eine andere Migrationspolitik“ begann, verließen Mansour, Ostermann und der Moderator der Veranstaltung den Saal – vermutlich, um ihr Unverständnis gegenüber Palmer Ausdruck zu verleihen. Schröter blieb gelassen, übernahm kurzerhand die Moderation – und Palmer konnte seine eigentliche Rede halten.

Eigentlich wolle er nur über seine Erfahrungen als Bürgermeister mit der Zuwanderung reden, begann er. Es sei nicht seine Absicht gewesen, die ansonsten sehr sachlich-universitäre Veranstaltung „in Misskredit zu bringen“, so Palmer.

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Das größte Problem der starken Zuwanderung für seine Stadt Tübingen und andere Kommunen sei „der Wohnungsmarkt, die Unterbringung“. Seit 2013 seien bundesweit drei Millionen Menschen dazugekommen. Für die Geflüchteten müssten nun zunehmend Großunterkünfte oder Hallen genutzt werden, „was die Integrationschancen schmälert“. Der Druck im Wohnungsmarkt treffe vor allem die „hiesige Bevölkerung mit kleinem oder mittlerem Einkommen“.

Weitere Herausforderungen seiner Kommune seien der Kitamangel und zu wenig Erzieher für Kindergärten. Wolle man die Probleme lösen, müsse die irreguläre Migration reduziert werden, forderte der Bürgermeister.

Palmer ist einer der Verfasser des im Februar entstandenen „Memorandums für eine andere Migrationspolitik in Deutschland“. Dieses ist ein Manifest der „Vert Realos“, einer Gruppe innerhalb der Grünen, die sich als „wertkonservativ“ bezeichnet. Sie fordert unter anderem „verpflichtende Aufenthaltszonen“ für Migranten an den EU-Grenzen. Das Konzept wird auch von FDP-Politikern wie dem FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai begrüßt.

Palmer sagte, eigentlich sei er „Ökologe durch und durch“. Der Migrationspolitik habe er sich lediglich deshalb angenommen, weil es sonst niemand anderer getan habe. „Mir fehlt hier die CDU-Debatte“, meinte er. Themen wie Sicherheit, Recht, Migration seien eigentlich „der Job“ konservativer Parteien.

Asylanträge sollen schon in Drittstaaten geprüft werden

Für den Migrationsforscher und Professor Ruud Koopmans liegt ein Lösungsansatz in einer „Migration für Migration“-Umsteuerung. Mit Drittstaaten sollten Kooperationen gemacht werden, die für beide Länder gewinnbringend wären. Deutschland könnte mit einem Staat ein Abkommen schließen, bestimmte Kontingente an Arbeitsmigranten aufzunehmen mit Berufen, die hier dringend benötigt würden. Im Gegenzug nähme der Staat abgeschobene Migranten aus Deutschland auf. Denkbar wäre für Koopmans auch, „Schutzbedürftige“ mit Flugzeugen direkt aus den Erstaufnahmeländern zu holen.

Um die irreguläre Migration zu stoppen, komme man aber nicht umhin, Asylverfahren nach Drittstaaten zu verlegen, stellte der Migrationsforscher klar. „Das würde das Mittelmeersterben eingrenzen“, meinte Koopmans, denn: 70 Prozent der Menschen, die auf der Flucht umkommen, stürben beim Versuch, nach Europa zu gelangen. Wegen des gefährlichen Weges hätten wir ein „Asylsystem, dass junge Männer bevorzugt“.

Wie eine – für deutsche Gemüter – harte, aber sehr effektive Arbeitsmigration aussieht, erläuterte die Historikerin und Initiatorin des Netzwerks Wissenschaftsfreiheit, Sandra Kostner, am Beispiel Australiens. Das Land hat seit 2011 ein strenges Punktesystem für Menschen, die einwandern wollen. Dieses sei ganz auf die Bedürfnissen Australiens ausgerichtet. Um das sogenannte „Skilled Visa“ zu bekommen, müssen 65 Punkte erreicht werden. Hohe Chancen auf ein Visum haben junge Menschen. Menschen über 44 würde das Land gar nicht mehr aufnehmen. Andere zentrale Faktoren sind gute Englisch-Sprachkenntnisse und Berufserfahrung.

Kaum illegale Migration in Australien

Auch müssen Migranten die „Australische Werteerklärung“ unterzeichnen. Darin enthalten ist unter anderem das Bekenntnis zur parlamentarischen Demokratie oder die Chancengleichheit aller Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft, ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Orientierung. Dadurch habe es das Land zum Beispiel geschafft, viele „High potentials“ aus Asien in Australien anzusiedeln. Wenn Menschen einmal die herausfordernde Hürde des „Skilled Visa“ überwunden hätten, seien sie stolz auf ihre Leistung und darauf, nun endlich Teil dieses Landes zu sein.

Schutzbedürftige, die Asyl in Australien beantragen wollen, müssten das übrigens in Papua-Neuguinea und Nauru machen. Mit diesen Staaten habe Australien Asylantragsabkommen geschlossen. Dadurch gebe es kaum illegale Migration nach Australien.

Große Einigkeit gab es bei den Referenten, dass Deutschland aufgrund der Demographie auf Arbeitsmigration angewiesen sei. Um dem Arbeitskräftemangel entgegenzuwirken, bräuchte Deutschland eine jährliche Nettozuwanderung von jährlich 400.000 Personen bis 2060, sagte ein Mitarbeiter der Bundesagentur für Arbeit, der anstelle von Vanessa Ahuja, Vorstandsmitglied der Bundesagentur, sprach.

Vorschau Konferenzteilnehmer
Der Saal der Frankfurter Goethe-Universität war voll mit Teilnehmern der Konferenz

„Die Schönrednerei muss aufhören“

Der Lehrermangel wirke sich besonders drastisch auf Schulen mit einem hohen Migrationsanteil aus. Trauriges Exempel der letzten Zeit sei dafür die Gräfenauschule in Ludwigshafen, wo 40 Erstklässler die Klasse wiederholen müssten. 98 Prozent der Schüler dort hätten einen Migrationshintergrund. Das Problem sei, so der Präsident des deutschen Lehrerverbandes, Hans-Peter Meidinger, die einseitige Verteilung von Migrationskindern. So entstünden Brennpunktschulen.

Auch gebe es immer mehr Flüchtlingskinder, die dem Unterricht nicht folgen könnten. „Es bräuchte Sozialarbeiter, Schulpsychologen und Entlastung der Lehrer bei der Verwaltung“, sagte Meidinger, der vor einigen Jahren von sich reden machte, als er sich für eine Deutschpflicht auf Schulhöfen aussprach. „Die Schönrednerei muss aufhören“, forderte er. Aufgrund des Lehrkräftemangels werde zuerst bei Sprachkursen und Förderprogrammen gekürzt. Als Vorbild nannte der ehemalige Gymnasiallehrer Schweden. Dort gebe es einen „knallharten Einschulungsunterricht vor der Einschulung“.

Unterstützung bekam Meidinger von der Gesamtschullehrerin Birgit Ebel. Früher sei sie eine große Befürworterin der Gesamtschule gewesen, heute habe sie ihre Meinung geändert: denn die Gesamtschulen würden „zu neuen Haupt- und Sonderschulen“. In ihrer Schule in Herford gäbe es Probleme mit dem Radikal-Salafismus. „Konflikte der Herkunftsländer werden in die Migrationsländer hinübergetragen“, stellte Ebel fest. Das Grünen-Mitglied Birgit Ebel ist Mitbegründerin von „extremdagegen!“, einem Präventionsprojekt, das sich gegen „rechte Hetze“, Nationalismus und Islamismus an Schulen einsetzt.

In Australien stehen selbst Sozialdemokraten hinter „harten“ Einwanderungsgesetzen

Warum ist es in Deutschland eigentlich so schwer, offen über die Probleme, die Massenmigration mit sich bringt, zu reden? Diese Frage wurde auf der Konferenz „Migration steuern, Pluralität gestalten“ nicht behandelt. Womöglich wäre diese Frage eine eigene Veranstaltung wert. Konzepte wie das australische „Skilled Visa“ oder die Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten gelten hierzulande als „extrem“.

In Australien hingegen gebe es eine breite Zustimmung in der Bevölkerung, und die Gesetze würden von der sozialdemokratischen Regierung getragen, so Historikerin Kostner. Migrationsforscher Ruud Koopmans wies in seinen Studien nach, dass Muslime größere Integrationsprobleme hätten als andere Gruppen. Dafür würde er in Deutschland von einigen Personen als Rassist bezeichnet. Dabei bezeichne er sich selbst als „links“ und „progressiv“.

Leider warf der Vorfall mit Boris Palmer einen Schatten auf die Konferenz. Die Inhalte rückten in der medialen Berichterstattung in den Hintergrund. Die Aufregung um den Tübinger Oberbürgermeister und den Ausdruck „Neger“ dominierten. Dabei schafften es die Experten, Wissenschaftler, Lehrer und Politiker, die als Sprecher eingeladen waren, unaufgeregt und mit großer fachlicher Expertise pragmatische Lösungen der angespannten Migrationssituation in Deutschland vorzustellen.

Anstatt sich mit den produktiven Lösungsansätzen auseinanderzusetzen, die die Sprecher vorstellten, hagelte es im Anschluss nur so kritische Stellungnahmen. Das Institut für Ethnologie, an dem auch Schröter als Professorin tätig ist, distanzierte sich in seiner Stellungnahme „ausdrücklich von dieser Veranstaltung“.

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Kommentar
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Klaus Joachim Holz
Vor 10 Monate 4 Wochen

Weiß eigentlich niemand, dass das Wort "Neger" lateinisch ist und so viel wie "schwarz" oder "dunkel" bedeutet?
Wenn ich jemand diskriminieren will, ist es gleich, ob ich das auf Deutsch oder Lateinisch tue.

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H.u.P.Dornfeld
Vor 7 Monate 2 Wochen

Dies dürfte die einzig faire Berichterstattung vom Frankfurter Kongress gewesen sein, alle anderen Medien waren eilig darum bemüht, Palmers Auftritt zu skandalisieren, und das Anliegen der Konferenz dahinter verschwinden zu lassen. Dadurch geriet Susanne Schröters Kritik an unserer verfehlten Migrationspolitik völlig ins Hintertreffen. Übrigens findet sich im Archiv des DLF aus Zeiten, als der Sender noch nicht grünlinks stimuliert war, ein kluger Beitrag des Journalisten Philip Plickert:
26.09.2011 https://www.deutschlandfunkkultur.de/schattenseiten-der-bunten-republik…

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H.u.P.Dornfeld
Vor 7 Monate 2 Wochen

Dies dürfte die einzig faire Berichterstattung vom Frankfurter Kongress gewesen sein, alle anderen Medien waren eilig darum bemüht, Palmers Auftritt zu skandalisieren, und das Anliegen der Konferenz dahinter verschwinden zu lassen. Dadurch geriet Susanne Schröters Kritik an unserer verfehlten Migrationspolitik völlig ins Hintertreffen. Übrigens findet sich im Archiv des DLF aus Zeiten, als der Sender noch nicht grünlinks stimuliert war, ein kluger Beitrag des Journalisten Philip Plickert:
26.09.2011 https://www.deutschlandfunkkultur.de/schattenseiten-der-bunten-republik…

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Klaus Joachim Holz
Vor 10 Monate 4 Wochen

Weiß eigentlich niemand, dass das Wort "Neger" lateinisch ist und so viel wie "schwarz" oder "dunkel" bedeutet?
Wenn ich jemand diskriminieren will, ist es gleich, ob ich das auf Deutsch oder Lateinisch tue.