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Österreich und die Abgrenzung nach rechts

Reicht die Brandmauer bald bis ins Land der Sachertorte?

Die österreichischen Grünen lugen gern über den Alpen-Tellerrand zu ihren älteren und einflussreicheren Familienmitgliedern, den deutschen Grünen. Oder, anders ausgedrückt: Die Ösi-Grünen verhalten sich zu den Piefke-Grünen wie eine kleine Schwester, die zur coolen großen Schwester aufschaut und sie nachzuahmen versucht. Und das jedes Mal, wenn sie mit einem neuen vermeintlichen Trend um die Ecke kommt.

Wann immer die deutsche Ampelregierung ein neues Gesetz beschließt oder Änderungen andenkt, die aus der Ideenwerkstatt der Grünen stammen – Stichwort Selbstbestimmungsgesetz, Gesetz gegen „Gehsteigbelästigung“ durch Lebensschützer, Forderung nach Legalisierung von Abtreibung –, kann man Wetten abschließen, dass die Grünen der Alpenrepublik mit einiger Zeitverzögerung Gleiches fordern.

Seit neuestem hecheln sie einer ganz speziellen deutschen Erfindung hinterher: der Brandmauer gegen die AfD. Anfang der Woche machte der Grünen-Vizekanzler Werner Kogler und Justizministerin Alma Zadić publik, dass die Partei – Überraschung! – eine Brandmauer gegen die „rechtsextreme“ FPÖ fordert.

Eine Brandmauer hat in Österreich keine Tradition

Auch von ihren roten (SPÖ) und schwarzen (ÖVP) Mitstreitern erwarten sie, sich von den Blauen abzugrenzen. Die Parteichefin der liberalen NEOS, Beate Meinl-Reisinger, äußerte sich diplomatisch, aber dennoch positiv zu diesem Vorschlag. Bei einer Pressekonferenz meinte sie, es brauche „endlich einmal Klarheit, dass rechtsextrem etwas anderes ist als rechts“. Aber: „Eine Brandmauer gegen Rechtsextrem will ich als Liberale genauso.“ Für die Grünen ist die FPÖ jedenfalls eine rechtsextreme Partei.

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Eine Brandmauer gegen die Rechtspopulisten hat in Österreich keine Tradition und wird sich, anders als in Deutschland, auch nicht durchsetzen lassen. Dazu ist die FPÖ eine viel zu etablierte Partei. Sie existiert seit den 1950er-Jahren und war bisher fünfmal in einer Bundesregierung vertreten. Sozialdemokraten legen gerne den Mantel des Schweigens über die Tatsache, dass ausgerechnet ihre Ikone Bruno Kreisky eine Minderheitsregierung unter Duldung der FPÖ nach der Nationalratswahl 1970 bildete.

Damals war die FPÖ noch wirklich problematisch, da sie aus ehemaligen Nationalsozialisten bestand – genau wie übrigens die SPÖ. Gleich sechs Männer mit NS-Vergangenheit aus seiner Partei betraute der SPÖ-Bundeskanzler Kreisky damals mit Ministerämtern. In den 1980er Jahren war die FPÖ erstmals Teil einer Koalition mit der SPÖ auf Bundesebene!

ÖVP-Chef schließt Koalition mit „Volkskanzler“ aus

Vielleicht ist dieses für die Sozialdemokraten unangenehme Wissen ein Grund dafür, dass die SPÖ den Vorschlag der Grünen ausweichend kommentierte: „Die SPÖ ist DIE Brandmauer gegen Rechtsextreme.“ Wer Blau-Schwarz verhindern wolle, müsse die SPÖ wählen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass sich viele Funktionäre innerhalb der Roten unter Umständen eine Koalition mit den Blauen vorstellen können.

ÖVP-Chef Karl Nehammer hingegen hat in mehreren Interviews eine Koalition mit dem selbsternannten „Volkskanzler“ Herbert Kickl ausgeschlossen. Dabei gibt es auf Landesebene derzeit gleich drei schwarz-blaue Koalitionen. Doch vor der Wahl ist bekanntlich nicht nach der Wahl. Das Wahlprogramm der Schwarzen ist jedenfalls fast deckungsgleich mit jenem der Blauen. Dem ÖVP-Spitzenkandidat wird nicht entgangen sein, dass laut einer OGM-Umfrage von Anfang September eine schwarz-blaue Koalition die beliebteste unter den Bürgern ist.

Auch Künstlertrupp fordert Brandmauer

Forderungen nach einer Brandmauer nach bundesdeutschem Vorbild kommt nicht nur von dem Häuptling der Grünen, sondern auch in Form eines öffentlichen Briefes von einem kleinen, aber einflussreichen Künstlertrupp rund um die Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek. Jelinek, ehemaliges Mitglied der Kommunistischen Partei Österreich (KPÖ), protestiert seit eh und je gegen die FPÖ und schwarz-blaue Koalitionen. Im Jahr 2000 verhängte die Schriftstellerin sogar ein Auftrittsverbot ihrer Stücke für die Alpenrepublik – aus Protest gegen die damals zum ersten Mal entstandene schwarz-blaue Regierungskoalition.  

 

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Der nun veröffentlichte Brief enthält wohlbekannte Phrasen und die immer gleichen Argumente: er rückt die FPÖ in die Nähe der Nationalsozialisten, meint, Kickl wolle die Republik in „eine Art Ständestaat 2.0“ umformen und kritisiert, dass die FPÖ – huch, wie rechtsradikal! – zwei Geschlechter in der Verfassung verankern wolle. Und natürlich geht im linken Künstlermilieu die Panik davor um, dass die FPÖ die staatlichen Subventionen für Kunstprojekte streichen will.

Künstler wie Jelinek werfen der FPÖ gern vor, populistisch zu sein. Dabei merken sie anscheinend nicht, dass Briefe dieser Art nur selbst so vor Populismus triefen. Anscheinend sind sie auch blind für die Tatsache, dass die beschriebenen und beschworenen angeblichen Horrorszenarien („Remigration“, „Zweiklassengesellschaft“, „Mindestsicherung nur für Staatsbürger“) in Zeiten von schwarz-blauen Koalitionen, die es in den vergangenen 24 Jahren dreimal gab, noch nie eingetroffen sind.

Kulturkämpfe passen nicht zu Österreich

Doch noch einmal zu den Grünen: Dass sie nun mit dem Vorschlag einer Brandmauer gegen die FPÖ Stimmung machen, hat vor allem damit zu tun, dass sie mit einer „Reform-Koalition“ spekulieren. Diese Art der österreichischen Ampel-Koalition könnte sich zusammensetzen aus Grünen, SPÖ und NEOS. Doch dass eine Mehrheit jenseits der FPÖ oder ÖVP zustande kommt, ist angesichts der derzeitigen Wahlumfragen eher unwahrscheinlich. Grüne, SPÖ und NEOS kommen gemeinsam laut aktuellen Umfragen derzeit auf 38 Prozent. Die FPÖ auf 28, die ÖVP auf 25 Prozent. 

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Man muss es in aller Deutlichkeit sagen: Eine Brandmauer in der Heimat des weißen Spritzers und der Sachertorte ist einfach undenkbar. Kulturkämpfe, wie sie sich in Deutschland abzeichnen, passen einfach nicht zu Österreich, das in vergangenen Zeiten statt auf Konfrontation mit politischen Gegnern lieber auf Heiratspolitik setzte, um den (manchmal auch faulen) Frieden zu wahren. Eine Hochzeit von Schwarz-Blau ist übrigens nicht unwahrscheinlich. Die Grünen in Österreich sollten sich besser eigene Projekte suchen und die deutsche große Schwester ihr Ding machen lassen.

 

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Kommentare

Comment

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Braunmüller
Vor 4 Wochen

"Kulturkämpfe, wie sie sich in Deutschland abzeichnen, passen einfach nicht zu Österreich, das in vergangenen Zeiten statt auf Konfrontation mit politischen Gegnern lieber auf Heiratspolitik setzte, um den (manchmal auch faulen) Frieden zu wahren."

Naja, wenn das eine Wienerin sagt, dann muss das ja stimmen. Blind für die Abgründe des Landes. Vielleicht keine Kulturkämpfe, ja. Aber ich denke mit Grausen an die beruflichen Intrigen zurück, denen ich dort wie nirgendwo anders ausgesetzt gewesen bin, mit dem Preis, dass ich darüber krank geworden bin.

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G.
Vor 4 Wochen

Was Europa braucht, ist eine Brandmauer gegen die links-totalitären Grünen!

Die Art und Weise, wie der - sorry - vulgäre Herr Kogler und seine Adlat*innen die Causa der charakterlich vollkommen deformierten EU-Spitzenkandidatin Lena Schilling und ihrer miesen Intrigen mit herablassend und bedrohlichen Kommentaren gegen die freie (sogar linksliberale) Presse in einer "Pressekonferenz" abhandelte, ist einer liberalen Demokratie unwürdig. Leider ist diese Selbstgerechtigkeit und totalitäre Doppelmoral m.E. für Grüne typisch (wobei der brave Katholik Winfried Kretschmann, der in Stuttgart regiert, nur die Ausnahme ist, die die Regel bestätigt). Dass die österreichischen Grünen von einem Ampel-Gehampel träumen, beweist nur ihre vollkommene Realitätsverweigerung, die sie hoffentlich bei der anstehenden Brandenburg-Wahl (wir schon in Thüringen) und anderswo aus den Parlamenten kegeln.

Und die nervige Elfriede? Also bitte ... was soll man auch von einer Kommunistin anderes erwarten ...

Unter realistischen Bedingungen wünsche ich mir (als Deutscher unmaßgeblich) eine von Kanzler Nehammer geführte schwarz-rote Koalition ... am liebsten mit einseitiger blauer Outside-Option für seine ÖVP ...

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Wolfgang Türtscher
Vor 3 Wochen 4 Tage

Eine Brandmauer ist undemokratisch, weil sie Wahlergebnisse ignoriert.

1
G.
Vor 4 Wochen

Was Europa braucht, ist eine Brandmauer gegen die links-totalitären Grünen!

Die Art und Weise, wie der - sorry - vulgäre Herr Kogler und seine Adlat*innen die Causa der charakterlich vollkommen deformierten EU-Spitzenkandidatin Lena Schilling und ihrer miesen Intrigen mit herablassend und bedrohlichen Kommentaren gegen die freie (sogar linksliberale) Presse in einer "Pressekonferenz" abhandelte, ist einer liberalen Demokratie unwürdig. Leider ist diese Selbstgerechtigkeit und totalitäre Doppelmoral m.E. für Grüne typisch (wobei der brave Katholik Winfried Kretschmann, der in Stuttgart regiert, nur die Ausnahme ist, die die Regel bestätigt). Dass die österreichischen Grünen von einem Ampel-Gehampel träumen, beweist nur ihre vollkommene Realitätsverweigerung, die sie hoffentlich bei der anstehenden Brandenburg-Wahl (wir schon in Thüringen) und anderswo aus den Parlamenten kegeln.

Und die nervige Elfriede? Also bitte ... was soll man auch von einer Kommunistin anderes erwarten ...

Unter realistischen Bedingungen wünsche ich mir (als Deutscher unmaßgeblich) eine von Kanzler Nehammer geführte schwarz-rote Koalition ... am liebsten mit einseitiger blauer Outside-Option für seine ÖVP ...

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Braunmüller
Vor 4 Wochen

"Kulturkämpfe, wie sie sich in Deutschland abzeichnen, passen einfach nicht zu Österreich, das in vergangenen Zeiten statt auf Konfrontation mit politischen Gegnern lieber auf Heiratspolitik setzte, um den (manchmal auch faulen) Frieden zu wahren."

Naja, wenn das eine Wienerin sagt, dann muss das ja stimmen. Blind für die Abgründe des Landes. Vielleicht keine Kulturkämpfe, ja. Aber ich denke mit Grausen an die beruflichen Intrigen zurück, denen ich dort wie nirgendwo anders ausgesetzt gewesen bin, mit dem Preis, dass ich darüber krank geworden bin.

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Maria
Vor 1 Woche 6 Tage

D' Accord.

Kulturkämpfe werden in Österreich mit derselben Grausamkeit wie in Deutschland ausgetragen! Und dann noch grausamer, weil hinterhältig und gemein. Ich traf auf social media deutschen Youtuber, der mich überraschte: Als in München ein Terrorist vor Kurzem vor jüdischer Einrichtung rumzuschießen begann, machte der YTuber sofort Witz mit "ein Ösi". Was im Nachhinein tats. stimmte. Mein Nachfragen "wie hast du das gewusst?" beantwortete er mit "Der Typ agierte hinterhältig u verlogen wie ein Österreicher."

Der Ruf eilt uns voraus. Kein Film/Humor im deutschsprachigen Raum hat so abgründige gruselige Inhalte wie der österreichische.

Die Autorin wuchs im Schutz einer wunderbaren Familie auf u hält gern das Sachertorten-Image hoch. Ich gönne es ihr gerne.

Jedoch ohne Schutz einer guten Familie ist in Österreich Missbrauch u psychische Gewalt eher Normalität. Noch gefährlicher, weil drüber nicht geredet wird u viel lieber das genannte "Mozartkugeln-Lipizzaner-Lederhosen-Dirndl"-Image hochgehalten wird.

Von typisch österreichischer Alltags-Bösartigkeit Betroffene erleben daher in der oberflächlich "Heile-Welt-Gesellschaft" Österreichs wenig Solidarität u Offenheit u Ausstiegsmöglichkeiten, wie sie in Deutschland od besonders in Communities der USA schon sehr progressive Normalität sind.

Die Parteibeschreibungen sind klug und genau.

Dass die ÖVP die Stärke hat, ihre Vorhaben konsequent umzusetzen (wie zB Trump in USA es sicher tut) u zB die ANGEBLICH IRRTÜMLICHE Unterschrift unter das Bundesgleichbehandlungsgesetz ("Mann", "Frau"-Begriff wurde rausgeworfen, "selbstidentifiziertes Geschlecht" eingeführt 🤪) wie versprochen im Oktober nach der Wahl zu widerrufen - das trau ich der ÖVP nicht ganz zu. Eine SPÖ-ÖVP-Koalition würde das verhindern.

Der Kulturkampf der globalen Gender-Ideology, der von Gabriele Kuby seit Jahren genau beschrieben u nun tatsächlich Deutschland u GB grad destabilisiert, von den US-Demokraten u Kanadiern aggressiv vorangetrieben wird, ist ganz still u heimlich u eben ganz typisch OHNE öffentliche Debatte in Österreich schon in viel tieferem Maße umgesetzt als das schöne ÖVP-Programm es wahrhaben will.

Und zwar im Bildungsbereich, wo es mir konkret bekannt ist: beginnend bei katholischen Kindergartenträgern über Volksschulen bis zu Höheren Schulen.

Gott gebe Österreich mehr Widerstands-Fähigkeit gegen die globalisierte Gender-Ideologie!