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Arbeit und Lebenssinn

Die betrogene Generation

Dana Rosa erlebte gerade „den größten Nervenzusammenbruch ever“, wie sie selbst sichtlich aufgelöst in die Kamera sagt. Dana Rosa ist eine TikTok-Nutzerin und beschreibt in dem knapp zweieinhalb Minuten langen Video ihr ganzes Leid als Studienabsolventin und Arbeitssuchende.

Potenzielle Arbeitgeber versuchten Bewerber mit Obstkörben zu locken, sie böten „nur“ 30 Tage Urlaub an, und als Anfängerin bekäme sie bloß 36.000 Euro Jahresgehalt, klagt die junge Frau mit dem Nasenpiercing. Für einen Job, der ihr keinen Spaß mache. Und das, obwohl sie studiert hat, weil man ihr erzählt habe, mit einem Studienabschluss verdiene sie gut. Und am Wochenende? Tja, da habe sie auch nicht frei. „Weil auf mich wartet dann ein Haushalt, auf mich wartet dann ein Einkauf, auf mich warten dann irgendwelche Freunde, die mich auch mal wiedersehen wollen.“ Fazit: „Ich weiß wirklich nicht, wie man überleben soll.“

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Auch die Influencerin Brielle Asero beschwert sich in einem millionenfach geklickten Video – erschöpft und unter Tränen – über ihren Arbeitsalltag. „Ich habe keine Energie mehr fürs Kochen, für Workouts, nichts.“ Eine Work-Life-Balance sei in einem sogenannten Nine-to-Five-Job, also einer gewöhnlichen Arbeitszeit von acht Stunden pro Tag, nicht möglich. „Ich habe keine Zeit, irgendetwas zu tun und bin so gestresst. Sie müsse morgens um 7.30 Uhr in den Zug, um 18.15 Uhr wieder nach Hause. „Wie soll man da Freunde haben?“

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Im Internet kursieren noch weitere Videos dieser Art. Etwa jenes der kurzhaarigen jungen Frau, die ebenfalls bekräftigt, ein Vollzeitjob wäre nichts für sie. Und auch sie spricht über unerfüllte Erwartungen: „Mein Ziel von der Schauspielerei – auch eher so mittelmäßig gewesen. Ich war bei unzähligem Vorsprechen an den staatlichen Schauspielschulen im deutschsprachigen Raum und wurde nirgendwo genommen.“ Wegen „Depression und Vollzeitjob“, erklärt sie im Denglisch-Slang, habe sie aus ihrem Theaterkollektiv austreten müssen. Wie es jetzt weitergehe? „I have absolutely no fucking idea.“

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Die erste Reaktion auf diese interessanterweise vor allem von Frauen veröffentlichten Clips: Willkommen in der Realität! Würde es Freude bereiten, hieße es nicht Arbeit. Also: Ärmel hochkrempeln, Zähne zusammenbeißen und ran an die Arbeit. So war es schon immer. Von nichts kommt nichts.

Oder doch lieber einen Mann suchen, heiraten, eine Familie gründen? Sich um Kinder und Haushalt kümmern, das ist ja schließlich auch irgendwie Arbeit. Oder ganz auf dieses A-Wort verzichten? Denn mit Arbeit versaut man sich den ganzen Tag, wie eine Redewendung ausgerechnet in der DDR lautete, dem Arbeiter- und Bauernstaat.

Womit wir bei der Kernfrage angelangt wären: Was ist Arbeit? Warum arbeiten wir? Was ist der Sinn der Arbeit? Gibt es diesen überhaupt?

Arbeit: Mühsal oder Selbstverwirklichung?

Der Begriff Arbeit leitet sich vom mittelhochdeutschen Wort arebeit ab, womit Beschwernis, Leiden oder Mühe gemeint ist. Eindrücklich wird das in den ersten Versen des Nibelungenlieds deutlich:

Uns ist in alten mæren wunders vil geseit
von helden lobebæren, von grôzer arebeit,
von fröuden hôchgezîten, von weinen und von klagen,
von küener recken strîten muget ir nu wunder hœren sagen.

Uns wird in alten Erzählungen viel Wunderbares berichtet von berühmten Helden, großer Mühsal, von glücklichen Tagen und Festen, von Tränen und Klagen und vom Kampf tapferer Recken könnt Ihr jetzt Erstaunliches erfahren.

Die Menschen müssen sich seit jeher anstrengen, um zu überleben. Der Mensch muss wirtschaften und arbeiten, weil er nicht im Schlaraffenland lebt und mindestens seine Existenzbedürfnisse befriedigen muss. Nicht nur die Ökonomie und Soziologie, auch die Theologie befasst sich damit.

Und es lassen sich Parallelen aufzeigen zur ursprünglichen Bedeutung des Begriffs Arbeit.

„Weil du auf die Stimme deiner Frau gehört und gegessen hast von dem Baum, von dem ich dir geboten habe: Du sollst davon nicht essen! – so sei der Erdboden deinetwegen verflucht: Mit Mühsal sollst du davon essen alle Tage deines Lebens; und Dornen und Disteln wird er dir sprossen lassen, und du wirst das Kraut des Feldes essen! Im Schweiße deines Angesichts wirst du dein Brot essen, bis du zurückkehrst zum Erdboden, denn von ihm bist du genommen.“ (Gen 3, 17-19)

Folglich interpretierte auch die Kirche Arbeit vor allem als Akt und Notwendigkeit der Buße. Das änderte sich erst nach der Reformation. Luther und Calvin maßen der Arbeit einen neuen, höheren Stellenwert bei. „Unser Broterwerb ist Gottesdienst und heilig“, betonte Calvin. „Heilige Tage sind nicht heilig, Werkeltage aber sind heilig“, mahnte Luther.

Ende des 19. Jahrhunderts schwenkte auch die katholische Kirche um. Was im Mittelalter noch gepriesen wurde, verlor nun an Bedeutung. Der Münsteraner Moraltheologe Josef Mausbach schrieb 1934 von der Arbeit als „unmittelbarer Gottesdienst“. Die marxistische Ideologie des „messianischen Materialismus“ setzte sich immer mehr durch und „Erlösung durch Arbeit“ fand auch Einzug in katholisches Denken.

Auf der anderen Seite sorgten Marktwirtschaft, Kapitalismus und eine immer globalere Arbeitsteilung im 20. Jahrhundert dafür, dass millionenfach Menschen der Armut entkamen. Womit wir wieder im Hier und Heute wären, wo Menschen die Sinnfrage im Zusammenhang mit der Arbeit stellen.

Während des Großteils der Menschheitsgeschichte mussten Menschen arbeiten, um zu (über-)leben. Heute wollen sie sich selbst verwirklichen durch Arbeit (wobei es sich dabei übrigens auch um ein kommunistisches Mantra handelt). In Umfragen geben Befragte regelmäßig mit großer Mehrheit an, sie möchten etwas Sinnvolles arbeiten. In den Medien wird häufig derjenige hervorgehoben, der den öden „Alltagsjob“ hinwirft, um „etwas völlig anderes“ zu tun.

Die Kinder sollten nicht mehr malochen müssen, sondern im Job aufgehen

Vor ein paar Jahren machte der Chef einer Hamburger Werbeagentur mit markanten Sprüchen zum Thema Arbeit Schlagzeilen: „Liebe deine Familie, deine Freunde, dich selbst und das Leben. Aber nie deinen Job.“ Und: „Ich liebe Menschen und keinen Job.“ Die Gallup-Studie ermittelt jedes Jahr, wie hoch die emotionale Bindung der Arbeitnehmer in Deutschland zu ihrem Arbeitgeber ist. Und die ist nicht sehr hoch. Nur 16 Prozent fühlen sich emotional an ihren Arbeitgeber gebunden. Weltweit sind es 23 Prozent.

Gleichzeitig hat die anormale Niedrigzinspolitik der vergangenen Jahre in Kombination mit dem demographischen Niedergang in der westlichen Welt zu teils absurden Verhaltensweisen von Arbeitgebern und -nehmern geführt. Große Konzerne halten manche Mitarbeiter nur deshalb, damit diese nicht zur Konkurrenz wechseln. Manche Beschäftigte sagten offen, sie wüssten selbst nicht, was sie hier täten, würden aber gut bezahlt. Für das Ökosystem in der Branche ist das natürlich schlecht, weil die Ökonomie verkrustet und Wettbewerb eingeschränkt wird. Ist solch ein Job sinnstiftend?

Die Nachkriegsgenerationen, die durchschnittlich mehr und härter gearbeitet haben als die Generation Z heute, gab ihren Kindern mit auf den Weg: Ihr sollt es besser haben, sucht euch eine Ausbildung, die euch gefällt, schreibt euch in einem Studiengang ein, der euch Spaß macht. Wir haben malocht, um wirtschaftlich etwas aufzubauen, ihr sollt aufgehen in eurer Arbeit.

Zeitgleich sank mit dem gesteigerten Wohlstand die Bindung zu Glauben und Kirche. Gott scheint nicht mehr gebraucht. Die Zahl der beanspruchten Psychotherapien hat zugenommen, vor allem unter jungen Leuten. Es gibt Workshops für seelisches Wohlbefinden, Angebote für Urlaubsreisen, die mit einer Mischung aus Fasten und Yoga explizit religiöse Praktiken anwenden, oder man ignoriert die Seele und den dem Menschen innewohnenden Hang zur Transzendenz gleich ganz und versteigert sich in einen ungesunden Körperkult.

Der verzerrte Blick auf die Arbeit

Die im Wohlstand geborenen Generationen sind betrogene Generationen. Was ihnen – zwar aus wohlwollenden Motiven heraus – versprochen wurde, ist eine Illusion. Der Sinn des Lebens findet sich in der Regel nicht in einem selbstverwirklichten Arbeitsalltag. Der Blick auf die Arbeit wird jedoch, wie auf viele andere Entwicklungen auch, durch den demographischen Niedergang verzerrt.

Heute bewerben sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Letztere sitzen am Hebel, weshalb es marktwirtschaftlich gedacht nur folgerichtig ist, wenn die Generation Z ihre Forderungen mit breiter Brust vorträgt. Ob man mit Vier-Tage-Woche und Work-Life-Balance gegen die Konkurrenz aus dem hungrigen Asien bestehen kann, ist eine andere Frage.

Dass die Rückkehr zur geldpolitischen Realität und zur Erkenntnis der Härten des Lebens – Mensch und Natur sind gemäß christlicher Lehre seit dem Sündenfall Adam und Evas gefallen – gerade die junge Generation wieder klarer auf die Arbeit schauen lässt, lassen Zahlen einer neuen Studie des Verbands Wirtschaftsjunioren Deutschland vermuten, einem Zusammenschluss von jungen Unternehmern und Führungskräften unter dem Dach der Industrie- und Handelskammer.

Demnach stehen gute Verdienstmöglichkeiten ganz oben auf der Prioritätenliste der Befragten im Alter von 15 bis 25 Jahren. Und entgegen den Klischees ist ein hoher gesellschaftlicher Sinn und Zweck des Berufs für nur rund 50 Prozent entscheidend.

Für junge Menschen sei zunächst einmal die berufliche Perspektive wichtig, Jobs müssten krisenfest und zukunftsorientiert sein, kommentiert der Präsident des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB), Friedrich Hubert Esser, gegenüber der dpa.

Gut so! Denn echte Selbstverwirklichung erfährt der Mensch in einem gottgefälligen Leben, in Ehe und Familie, im Dienst am anderen. Wenn sich das mit der Arbeitsstelle vereinbaren lässt: wunderbar. Wenn nicht, dann ist Arbeit eben das, was sie immer war: notwendig, um zu überleben. Grund für einen Nervenzusammenbruch ist das nicht.

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Konrad Badner
Vor 10 Monate 2 Wochen

Ich hatte mal eine frisch studierte freie Künstlerin am Telefon. Sie schimpfte unter Tränen, dass sie davon nicht leben kann und jetzt als Ungelernte anderes machen muss.

Ich kann durchaus die Reaktion verstehen, die so kalt deutsch ist: Hab dich nicht so. Reiß dich zusammen.

Zielführender finde ich, das als Ausdrücke von verletztem Vertrauen zu sehen. Die Vorstellung dazu: Belastung für Wohlstand, vielleicht sogar für Erfüllung.

Wer nun für sich zu dem Schluss kommt: Erwarte mal nicht so viel, der sollte sich bewusst sein, auf eine verwöhnte Person, die aber unter Schock steht (!), noch verbal abweisend bis prügelnd zu wirken. Dieser Weg, sie doch zum Arbeiten und zur richtigen Mentalität zu „überreden“, hat dann auch entsprechende Konsequenzen. Und zwar für ihr Vertrauen und das, was sie anderen (später) vermittelt.

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Konrad Badner
Vor 10 Monate 2 Wochen

Ich hatte mal eine frisch studierte freie Künstlerin am Telefon. Sie schimpfte unter Tränen, dass sie davon nicht leben kann und jetzt als Ungelernte anderes machen muss.

Ich kann durchaus die Reaktion verstehen, die so kalt deutsch ist: Hab dich nicht so. Reiß dich zusammen.

Zielführender finde ich, das als Ausdrücke von verletztem Vertrauen zu sehen. Die Vorstellung dazu: Belastung für Wohlstand, vielleicht sogar für Erfüllung.

Wer nun für sich zu dem Schluss kommt: Erwarte mal nicht so viel, der sollte sich bewusst sein, auf eine verwöhnte Person, die aber unter Schock steht (!), noch verbal abweisend bis prügelnd zu wirken. Dieser Weg, sie doch zum Arbeiten und zur richtigen Mentalität zu „überreden“, hat dann auch entsprechende Konsequenzen. Und zwar für ihr Vertrauen und das, was sie anderen (später) vermittelt.