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Auch aus abgetriebenen Föten gewonnen

Embryonale Zellen statt Tierversuche?

Es ist eines der am heftigsten debattierten Themen in der Pharmaindustrie: Die Verwendung von lebenden Versuchstieren im Labor zur Entwicklung und zum Test von Pharmazeutika. Aufgrund der anhaltenden und lautstarken Proteste von Tierschutzorganisationen wurden die Bestimmungen immer mehr verschärft. Zusätzlich werden Labore, in denen Tierversuche gemacht werden, strenger und häufiger kontrolliert. Wegen dieses Widerstandes und des enormen Verwaltungsaufwands vermeiden Forscher zunehmend Tierversuche.

Stattdessen wird vermehrt auf Gewebe, Zellen und Zelllinien zurückgegriffen – von Tieren und von Menschen. So ist es heute möglich, Gewebe zu züchten, etwa aus Hautzellen, und dieses für die Entwicklung und Tests von neuen Wirkstoffen zu verwenden. Doch dies reicht in vielen Fällen nicht aus.

Die Forschung argumentiert: Tierversuche abzuschaffen bedeute gleichzeitig, das Risiko für menschliche Probanden zu senken. Denn egal wie oft ein neues Medikament an Tieren getestet werde, könnte der menschliche Körper völlig anders reagieren.

Was in Tieren funktioniert, kann im Menschen tödlich wirken

Die Biologin Sabine Stebel, die auf Zellbiologie spezialisiert ist, erklärt gegenüber Corrigenda die Problematik: „Was man als Wissenschaftler schon vor zwanzig Jahren in den Einführungsvorlesungen lernte: Die Mausmedizin ist die fortschrittlichste Medizin des Planeten. Viele Medikamente funktionieren ganz wunderbar in Mäusen, im Menschen jedoch kann das gleiche Produkt tödlich sein.“ Die Biologin arbeitete als wissenschaftliche Assistentin an der Universität Freiburg und ist derzeit wissenschaftliche Autorin und Gutachterin. Selbst Versuche an Affen, die den Menschen am nähesten verwandt sind, sind häufig nutzlos. Dies zeigte sich etwa bei einer Studie zur Sars-Cov2-Impfung von BioNTech im Fachmagazin Nature.

Humane pluripotente Stammzellen, die aus menschlichen Föten gewonnen werden, haben für die Forschung den Vorteil, dass sie vielfältig einsetzbar sind. Embryonale Stammzellen werden vor allem aus zwei Quellen gewonnen: Zum einen aus „überzähligen“ Embryonen, die im Zusammenhang mit künstlicher Befruchtungen anfallen, und zum anderen aus abgetriebenen Embryonen und Föten.

Mit Corona kam Bewegung in die Wissenschaft

Die Forschung an humanen embryonalen Stammzellen ist seit Beginn heftig umstritten. Vor allem christliche Gruppen und Kirchen lehnten diese Art der Forschung seit Beginn aus ethischen Gründen ab. Doch mit der Covid-Pandemie kam Bewegung in die Sache. Wie etwa das Deutsche Ärzteblatt berichtete, zogen Wissenschaftler der Johns Hopkins University School of Medicine in Baltimore ein von menschlichen induzierten pluripotenten Stammzellen (iPSC) abgeleitetes BrainSphere-Modell heran, um zu untersuchen, ob das Virus die Nervenzellen schädigt. Diese Methode hatten sie zuvor auch schon für Infektionsstudien mit Zika-, Dengue-, HIV- und John-Cunningham-Viren verwendet.

Forscher am Universitätsklinikum Ulm untersuchten ähnliches auch im Hinblick auf den Darm mittels humanen, aus pluripotenten Stammzellen hergestellten Darmorganoiden mit SARS-CoV-2. Dabei testeten sie auch, ob Medikamente wie etwa Remdesivir und Famotidin in der Lage sind, die Infektion dieser Zellen zu verhindern. „Das hat mit Remdesivir ja auch so richtig gut funktioniert. Es war nierentoxisch, das hat man an Darmzellen aber nicht gesehen und wäre im Tierversuch vielleicht aufgefallen“, berichtet Stebel, als wissenschaftliche Beobachterin des Geschehens über die Studienlage. Zudem sei eine Zellkultur bei einem nicht ausreichend validiertem Testsystem ebenso wie der Tierversuch nicht sonderlich aussagekräftig.

Pfizer setzte auf embryonale Stammzellen

Doch auch für die Entwicklung der Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 setzte man auf embryonale Stammzellen. In öffentlichen Verlautbarungen wurde vorerst in Abrede gestellt, dass Föten verwendet worden seien. Die Aufdecker-Plattform „Project Veritas“ veröffentlichte jedoch einen Mailverkehr, der die interne Diskussion des Herstellers Pfizer offenlegt: In einer E-Mail vom 4. Februar 2021 schrieb Advait Badkar, Senior Director von Pfizer, an Vanessa Gelman, der leitenden Direktorin für weltweite Forschung, Entwicklung und medizinische Kommunikation: „Diese Frage kam als Anfrage an unsere Med-Info-Gruppe. ‘Hat Pfizer bei der Durchführung von Bestätigungstests für diesen Impfstoff eine Zelllinie von einem abgetriebenen Fötus verwendet?’“ Badkar fügte hinzu: „Dies geschah, nachdem wir dem Kunden bereits bestätigt hatten, dass bei der Herstellung des COVID-19 mRNA-Impfstoffs BNT162b2 keine Zelllinien aus einem abgetriebenen Fötus verwendet wurden.“

Gelman antwortete: „Wir haben uns bemüht, die fötalen Zelllinien so weit wie möglich zu verschweigen“ und: „Eine oder mehrere Zelllinien, deren Ursprung auf menschliches fötales Gewebe zurückgeführt werden kann, wurden in Labortests im Zusammenhang mit dem Impfstoffprogramm verwendet.“ Im weiteren E-Mail-Verlauf bestätigte Philip Dormitzer, Vizepräsident und wissenschaftlicher Leiter von Viral Vaccines: „HEK293T-Zellen, die für den IVE-Test verwendet werden, stammen letztlich von einem abgetriebenen Fötus.“ Soweit die Recherchen des „Project Veritas“.

Die Pfizer-Verantwortlichen sahen zwar das ethische Problem, embryonale Stammzellen zu verwenden, man hatte aber vorgesorgt. Dormitzer beruhigte in einem geleakten internen Mail: „Auf der anderen Seite hat der Vatikan bestätigt, dass er es für akzeptabel hält, wenn Gläubige, die für das Leben eintreten, geimpft werden.“

Vatikan gab grünes Licht für Impfstoff

Tatsächlich gab es ein Schreiben der römischen Glaubenskongregation vom 21. Dezember 2020 im Hinblick auf die Covid-Impfstoffe: „Es gilt also festzuhalten, dass alle Impfstoffe, die als klinisch sicher und wirksam anerkannt sind, in diesem Fall verwendet werden können, mit dem sicheren Gewissen, dass die Inanspruchnahme dieser Impfungen keine formale Mitwirkung an der Abtreibung, aus der die Zellen stammen, mit denen die Impfstoffe hergestellt wurden, bedeutet. Es ist allerdings zu unterstreichen, dass die moralisch zulässige Verwendung dieser Arten von Impfstoffen aufgrund der besonderen Bedingungen, die sie eben rechtfertigen, in sich keine (auch nicht indirekte) Legitimation für die Praxis der Abtreibung darstellen kann und die Missbilligung der Abtreibung seitens jener, die die Impfstoffe nutzen, voraussetzt."

Dieses Schreiben des Vatikans öffnete zwar eine Tür, war aber keine Generalabsolution. Vielmehr beinhaltete es einen Auftrag mit einer Reihe von Bedingungen, die von den Herstellern nicht erfüllt wurden. So ist es mittlerweile erwiesen, dass schon vor der Zulassung klar war, dass die Covid-Impfstoffe nicht sicher waren: Sie konnten weder die Ansteckung und Weitergabe des Virus verhindern, noch wurden deren teils schwere Nebenwirkungen erwähnt oder ausreichend untersucht.

Studien: Prädikat „ungenügend“

Bei den Wirksamkeitsstudien wurde nachweislich getrickst. Die Studien insgesamt waren ungenügend. Sabine Stebel, die die Studien kennt, meint dazu: „Was die Tiermodelle bei den Covid-Impfstoffen angeht, hat man das Problem, dass es entsprechende Tiermodelle gar nicht gibt, mit denen man ADE oder Myocarditis und dergleichen hätte testen können. Auch die entsprechenden Zellkultursysteme existierten 2021 noch nicht, wie BioNTech ebenfalls zugibt. Wir haben also, nachdem bereits Milliarden von Menschen dieses erhalten haben, keine Ahnung wie man das Produkt auf Toxizität prüfen müsste, weil es noch keine Standards dafür gibt.“

Im Hinblick auf das Schreiben des Vatikans und den darin enthaltenen Bedingungen ist auch nicht erkennbar, dass sich die Entwickler um ethisch vertretbare Alternativen bemühen, wenn man nun anstatt der Tierversuche auf embryonale Stammzellen und Zelllinien zurückgreift.

Die Forscher argumentieren: Um die Risiken für die menschlichen Probanden zu senken, müsse der Fokus vermehrt auf humanrelevante Methoden gesetzt werden, also auf menschliches Gewebe und embryonale Stammzellen oder Zelllinien.

Suche nach Alternativen stellt sich als schwierig heraus

Pfizer ist nicht das einzige Unternehmen, das bei der Impfstoffentwicklung vermehrt auf fötale Zelllinien setzt. Katja Schenke-Layland, Professorin für Medizintechnik und Regenerative Medizin an der Universität Tübingen, hat dafür eine Erklärung. Vor allem bei der Impfstoffproduktion sei es zwar durchaus möglich, auf tierische Zellen zurückzugreifen. „Aber die kommen aus einem anderen Organismus, können auch Verunreinigungen haben. Manchmal gibt es auch allergische Reaktionen. Und natürlich versucht man auch aus ethischen Gründen, wo es möglich ist, von Tierversuchen wegzukommen, wenn es eine Alternative gibt. Und eine Zelllinie ist definitiv eine Alternative", sagte Schenke-Layland in einem Beitrag für n-tv.

Das Problem der allergischen Reaktionen ist allerdings nicht gelöst, wenn man humane Zellen verwendet, ganz im Gegenteil: Embryonale Stammzellen werden vom Körper als fremd erkannt und abgestoßen. Patienten müssen ein Leben lang Medikamente nehmen, um das Immunsystem von einer Attacke abzuhalten. Und langfristig besteht die Gefahr, dass sich einzelne embryonale Stammzellen zu einer besonderen Krebsart entwickeln. Zellbiologin Stebel warnt: „Wenn man Zellen der gleichen Spezies für die Produktion eines Impfstoffes verwendet, kann es zur Bildung von Alloantikörpern gegen die eigene Spezies kommen, wie das bei der BVD-Impfung bei einigen Rindern passiert ist. In diesem Fall ist eine speziesfremde Zellkultur wiederum sicherer, als wenn man zufällig nahe verwandt mit der verwendeten Zellkultur wäre.“

Die Studie an Rindern, von der Stebel berichtet, wurde von zwei deutschen Forschern im renommierten British Medical Journal veröffentlicht: 2007 tauchte eine mysteriöse Rinderkrankheit auf, die ausschließlich neugeborene Kälber betraf, die sogenannte BNP. Die Sterblichkeit bei den betroffenen Kälbern lag bei 90 Prozent. BNP ist durch schwere äußere und innere Blutungen gekennzeichnet. Klinische Studien hatten gezeigt, dass die Blutungen durch eine massive Thrombozytopenie verursacht wurden.

Nicht einschätzbares Gefahrenpotenzial

Dasselbe, meint Stebel, könnte auch beim Menschen passieren. „Die Alternative wäre, von unbekannten Substanzen, die toxisch sein könnten, in Zukunft einfach generell die Finger zu lassen“, meint Sabine Stebel. Dies bedeute, dass man von einer Impfstoffherstellung auf Basis fötaler humaner Zellen generell absehen solle, da das Gefahrenpotential nicht einschätzbar ist.

In etlichen Ländern, wie etwa in Österreich, ist die Herstellung von embryonalen Stammzell-Linien zu therapeutischen Zwecken gesetzlich verboten, nicht jedoch die Forschung an und der Import von bereits existierenden Stammzell-Linien. Die dortige Bioethikkommission wies in einer Stellungnahme dazu auf die Problematik hin: „Ethisch umstritten ist die Gewinnung und Verwendung von embryonalen Stammzellen. Dies hängt damit zusammen, dass der ontologische, moralische und rechtliche Status des Embryos unterschiedlich beurteilt wird: ob ihm der Status der Person mit Menschenwürde und Lebensrecht zukommt und wenn ja, ab welchem Zeitpunkt.“

Daher dürfe „weder die immunologische Problematik und die Infektionsgefahr, die mit einer Transplantation von allogenen Zellen verbunden sind, noch das ungeklärte cancerogene Potential embryonaler Stammzell-Linien außer acht gelassen werden.“

Die Biologin Stebel kommt zu dem Schluss: „Vielleicht sollte man einfach die Finger von Substanzen lassen, von denen man noch gar nicht weiß, wie man sie überhaupt testen soll.“ Es ist also aufgrund dieser Erkenntnisse ethisch äußerst fragwürdig, wenn humane embryonale Stammzellen und Zelllinien als moralisch vertretbarer gelten als Tierversuche. Zudem werden damit zwar teilweise Probleme in der medizinischen Forschung und Entwicklung neuer Produkte gelöst, dafür eine Vielzahl neuer Risiken und ethischer Konflikte hervorgerufen.

 

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Veritas
Vor 4 Monate 1 Woche

Danke für den Beitrag. Ich bin hin- und hergerissen: Wieviele Krankheiten können wir heilen, wenn wir Stammzellen von abgetriebenen Kindern als Basis für Forschung und Entwicklung verwenden? Die Kehrseite der Medaille: Führt das vielleicht zu einem noch unmenschlicheren Umgang mit ungeborenem Leben? Schwierig, wie gesagt.

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Veritas
Vor 4 Monate 1 Woche

Danke für den Beitrag. Ich bin hin- und hergerissen: Wieviele Krankheiten können wir heilen, wenn wir Stammzellen von abgetriebenen Kindern als Basis für Forschung und Entwicklung verwenden? Die Kehrseite der Medaille: Führt das vielleicht zu einem noch unmenschlicheren Umgang mit ungeborenem Leben? Schwierig, wie gesagt.