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Kolumne „Ein bisschen besser“

Sabber im Mund

Wir sind keine Fußballprofis. Nicht mal Fußballguckprofis. Meine Frau Judith kann zwar aus dem Stegreif erklären, was Abseits ist, während ich die Regel schon immer als Beschäftigungstherapie für Schiedsrichter abgetan habe – aber mehr ist nicht drin. Wenn in der Schule die Mannschaft gewählt wurde, blieb ich immer bis zum Schluss unauserwählt und ging dann ins Tor. Im Allgemeinen verlor die Mannschaft, bei der ich war. 

Judith hat Fußball ganz aus ihrem Gedächtnis gestrichen, weil sie sich bei dem Gebolze mal den Fuß gebrochen hatte. Wir haben unser Leben lang Sonnenuntergänge mehr genossen als Steilpässe und dem Wasser, das gegen die Uferfelsen klatscht, lieber gelauscht als dem Ball, der gegen den Torpfosten klatscht.

Aber jetzt hat es uns doch erwischt. Und das kam so: Zwischendurch-Trainer Mike Tullberg, der der glücklosen Borussia Dortmund Feuer unterm Hintern machen soll, hat seine Spieler mit den Worten aufs Feld geschickt, sie sollten das mit Sabber im Mund und mit dem Messer zwischen den Zähnen tun.

„Wenn der Schnee geschmolzen ist, siehst du, wo die Kacke liegt“

„Sabber im Mund“ hat das Zeug zum Bestseller, finde ich.  Es ist wie „Ich habe fertig“ oder „Die Renten sind sicher“. Nur besser, weil es diese Bilder erzeugt: Schaum, Fäden, Blubber. Speichelfluss, wie der Profi sagt. Ich höre dieses „fffft“, wenn so ein Fußballprofi beim Stürmen den Sabber wegputzt. Ich überlege, ob ich mich nicht bei meiner Morgenkonferenz im Büro statt mit meinem liebgewonnenen „Frohes Schaffen“ besser mit einem motivierenden „Habt Sabber im Mund“ verabschieden sollte. Das treibt todsicher zu Höchstleistungen an. Tullberg weiß das. 

 

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Das ist eben für mich das Schöne am Fußball, dass er sprachlich total geerdet den Elfmeter verwandelt. Gehobeneren Kreisen läuft gerade mal das Wasser im Munde zusammen, nichts ist das gegen „Sabber“. Mein bisheriger Lieblingsfußballerspruch stammte von Rudi Assauer und lautete: „Wenn der Schnee geschmolzen ist, siehst du, wo die Kacke liegt.“ Auch sehr bildhaft und geerdet. Aber Sabber ist sogar ein bisschen besser.

Sabbern tut man das ganze Leben

Unser Töchterchen ist in dem Alter, wo Sabbern noch okay ist. Die Menschen machen es am Anfang, in der Lebensmitte lassen sie sich dabei nicht erwischen, und gegen Ende ignoriert es ihre Umwelt höflich. Als neulich der Schnee geschmolzen war, bin ich mit Töchterchen hinter unserem Haus im oberen Italien vom Berg abgestiegen. 

Sie hat das Ärmchen ausgestreckt und nach vorn gezeigt, ihre Augen funkelten, als sie nach vorne deutete, und siehe: Da lag keine Kacke, sondern die Sonne verschwand golden hinter den Gipfeln. „Sie kommt ganz nach uns“, sagte Judith. Ich lauschte dem Wasser eines Baches, der gegen die Felsen klatschte, und wir drei waren glücklich.

 

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