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Kolumne „Kaffeehaus“

Lob des einfachen Lebens

Die Sommerferien sind eine ideale Zeit, um durch Erholung und einfache Freuden neue Kraft zu tanken. Der wahre Luxus besteht nicht mehr in exotischen Reisen oder teuren Autos, sondern in dem einfachen, aber echten Genuss. Die einfache Lebensart ist jedoch eine große Kunst.

„Heute ist der beste Tag in diesem Jahr!“ rief mir mein achtjähriger Sohn entgegen, als er in seiner nassen Badehose ins Zimmer kam, wo ich gedankenverloren am Laptop saß. Ich wollte wissen, was zu dieser seiner Feststellung geführt hatte. Im Pool sei es so lustig gewesen und „babka“, die Oma, brachte sogar Vanilleeis mit Erdbeersorbet, lautete seine Begründung. Ich nickte anerkennend, dass er recht habe. Schließlich schmeckte nicht nur das Eis, sondern auch der Espresso meines Bruders wirklich hervorragend.

Der sanfte Wind machte den warmen Tag angenehm, das Dorf war außergewöhnlich ruhig und still. Ich konnte mir keinen anderen Ort vorstellen, an dem ich diesen herrlichen Sonntag lieber verbringen würde als hier auf dem Land, im Hause meiner Eltern. Für einige Wochen darf ich wieder das Kind sein. Ich lasse mich wie ein Teenager in der Früh wecken, um rechtzeitig in die Kirche zu kommen, und zu Mittag werde ich bekocht. Immer wieder ertappe ich mich dabei, mit großer Lust, fast Unersättlichkeit zu essen: die Petersilienkartoffeln mit Butter, die ersten Tomaten oder Pflaumen direkt aus dem Garten. Das Einfache zu genießen, scheint mir eines der größten Privilegien im Leben zu sein.

Wenn Oma mit den Enkeln im Garten saß und gesüßten türkischen Kaffee trank, war das Glück vollkommen

Die einfache Lebensart ist auch zum neuen Trend und einem Gegenpol zur übersättigten urbanen Gesellschaft geworden. Authentische Erlebnisse und Orte werden gesucht, „artisanale“ Produkte gut verkauft. Erlebnisse zu sammeln anstatt Materielles, gehört zum Lebensmotto dieser Haltung. Nicht die Quantität, sondern die Qualität wird gefördert.

Was dabei vergessen wird: Es sind nicht die Hipster-Cafés oder überteuerten Produkte, die den Menschen die wahre Freude des einfachen Lebens näherbringen. Dieses besteht vor allem in der Fähigkeit, das Einfache, aber Gute zu erkennen und wertzuschätzen. Das Leben zu lieben.

Dabei denke ich an meine verstorbene Großmutter, zu deren Lieblingsgenüssen gesüßter türkischer Kaffee mit einem Stück frischen Butterbrotes gehörte. Wenn dabei noch die Enkel mit im Garten saßen, war ihr Glück vollständig. Das einfache Leben hat nicht den größtmöglichen „authentischen“ Genuss zum Ziel, sondern durch die Reduktion den Fokus auf das Wesentliche.

„Das Leben einfach zu leben ist das Schwierigste überhaupt“

Dass die einfache Lebensart gar nicht so einfach ist, merkt man beispielsweise gut in Italien. Die lässige, authentische Lebensart, die jeder so liebt, verlangt viel Wissen und Können. Es braucht alles Zeit und Ruhe – wie ein guter Parmaschinken oder Barolo-Wein. Kürzlich versuchte ich einen italienischen Freund davon zu überzeugen, dass ich einen einfachen Geschmack habe. „Du liebst das Leben und die guten Dinge. Die guten Dinge sind einfach, aber das Einfache ist immer schwer zu bekommen“, erwiderte er und erklärte: „Das Leben ist eine einfache Sache, aber es einfach zu leben ist das Schwierigste überhaupt.“

Wie wahr: Die guten Dinge bedürfen der Mühe, der Disziplin und auch des Verzichts. Und so auch das einfache Leben.

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E.S.
Vor 9 Monate

Ist es nicht interessant? Ich denke, viele junge Menschen haben Sehnsucht nach dem einfachen Leben und dem, was Kristina Ballova beschreibt. Andererseits wollen wir, Millenials und die Gen Z, nicht unbedingt mit dem Leben unserer Eltern- oder Großelterngeneration tauschen. Trotz der Wertschätzung und dem Genuß der "einfachen Dinge", wollen wir nicht auf das Highlife eines Stadtlebens verzichten, wollen Kulturangebote in greifbarer Nähe haben und über Internet und Social Media immer mit anderen verbunden sein.

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E.S.
Vor 9 Monate

Ist es nicht interessant? Ich denke, viele junge Menschen haben Sehnsucht nach dem einfachen Leben und dem, was Kristina Ballova beschreibt. Andererseits wollen wir, Millenials und die Gen Z, nicht unbedingt mit dem Leben unserer Eltern- oder Großelterngeneration tauschen. Trotz der Wertschätzung und dem Genuß der "einfachen Dinge", wollen wir nicht auf das Highlife eines Stadtlebens verzichten, wollen Kulturangebote in greifbarer Nähe haben und über Internet und Social Media immer mit anderen verbunden sein.