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Kolumne „Der Schweizer Blick“

Unheiliger Krieg

Auch wenn die Zahlen seit Jahren tendenziell sinken: Menschen mit katholischem Glauben sind in der Schweiz immer noch eine interessante publizistische Zielgruppe. Jedenfalls diejenigen, die ihre Konfession nicht nur auf dem Papier tragen. 2,4 Millionen Katholiken gibt es im Land.

Das Portal kath.ch sorgt dafür, dass sie darüber informiert werden, was in der Kirche geht. Dort finden sich aktuelle Nachrichten, theologische oder philosophische Gastbeiträge und weitere Meldungen, die das Kirchenleben in irgendeiner Weise tangieren. Kath.ch ist keine Hobbyveranstaltung, sondern ein professionalisierter Betrieb: Rund ein Dutzend Leute arbeiten für das Medium, finanziert von den Schweizer Bischöfen, betrieben vom „Katholischen Medienzentrum“ in Zürich.

Im vergangenen Herbst tauchte plötzlich Konkurrenz auf. Swiss-cath.ch nennt sich die Alternative. Hat da ein findiger Geschäftsmann beschlossen, dass das wirtschaftliche Potenzial auch für zwei Portale reicht?

Bewusster Gegenentwurf zu politischem Kampfmagazin

Die Motivlage sieht anders aus. Der Gründer von swiss-cath.ch war schon lange unglücklich mit dem „Original“. Und überzeugt, dass es vielen Katholiken auch so geht. Sein junges Medium ist also ein gezielter Gegenentwurf zur publizistischen Leistung von kath.ch. Diese hat sich in den vergangenen Jahren in der Tat deutlich gewandelt. Es ist damit ein Wettbewerb um den Titel: Wer ist das katholischere Portal?

Anlass dazu gab eine Wandlung bei kath.ch. 2020 übernahm der deutsche Religionspädagoge und Journalist Raphael Rauch die Chefredaktion. Inzwischen ist er wieder auf dem Absprung, laut den Herausgebern nicht etwa aufgrund von Unstimmigkeiten, sondern weil sich ihm eine neue berufliche Chance bot. Es ist allerdings schwer vorstellbar, dass es hinter den Kulissen wirklich zu keinem Zeitpunkt gebrodelt hat unter der journalistischen Führung von Rauch.

Denn man musste kein sonderlich konservativer Kirchgänger des alten Schlags sein, um über einige Schlagzeilen zu staunen, die Rauch fabrizierte. Er machte aus kath.ch ein politisches Kampfmagazin, bei dem man die konfessionelle Prägung mit der Lupe suchen muss. Dabei warf er sich in erster Linie für linke Ansinnen in die Schlacht. Er wettert gegen böse Konzerne, die Menschen ausnutzen, hat ein großes Herz für Themen rund um LGBTQ und geschlechterneutrale Sprache, vor allem aber: Wer die Welt anders sieht, muss stets mit einem diffamierenden Anwurf rechnen.

Der Chefredakteur pflegt eine spitze Feder, was auch bei einer katholischen Leserschaft möglich sein muss. Nur hat er auch keine Hemmungen, seine Gegner mit Begriffen einzudecken, für die man früher aus dem Schulzimmer gewiesen worden wäre. Andersdenkende bezeichnete er als „Möchtegern-Macho“, „Problembär“ oder „Wolf im Schafspelz“. Die Tastatur als Ventil, und das nicht gerade auf die christliche Art. Was gemäß Aussage der Verantwortlichen aber durchaus der gesuchten publizistischen Stoßrichtung entsprechen soll. Rauchs Wirken war demnach kein unkontrollierbarer Unfall, sondern der erwünschte Weg.

Der Medienvielfalt hat die Neugründung gutgetan

Das alles fiel nicht nur den Initiatoren von swiss-cath.ch auf. Die NZZ sprach von „Boulevard und Konfrontation“, auf die Raphael Rauch das einst recht brave kath.ch eingeschworen habe. Auch vom Katholischen Presseverein kam Kritik, der Chefredakteur stehe „der Manipulation näher als dem Journalismus“. Ohne Frage hat die Aufmerksamkeit für das Portal zugenommen, vermutlich sind auch die Besucherzahlen gestiegen. Aber zu welchem Preis?

Dass sich eine klar positionierte Publikation unter dem Druck des Zeitgeistes auch gegenüber Haltungen öffnet, die früher ausgeschlossen gewesen wären: Es ist wohl unvermeidbar. Aber unter der aktuellen redaktionellen Führung verschob sich die Gewichtung. Bei den oft bespielten Themen rund um den Lebensschutz galt nicht mehr: Wir sagen, wie es die katholische Lehre sieht und ermöglichen gleichzeitig die Debatte durch einzelne Gegenstimmen. Stattdessen waren letztere plötzlich der Standard. Was wertkonservative katholische Leser zunächst überraschte, dann verstimmte – und schließlich den Weg frei machte für eine Alternative.

Der Medienvielfalt hat das Ganze natürlich gutgetan. Katholiken können sich nun das Portal aussuchen, bei dem sie sich von den Inhalten eher abgeholt fühlen. Allerdings steht bei swiss-cath.ch ein kleiner Trägerverein den massiven Mitteln der Bischöfe bei kath.ch gegenüber. Die Speere sind ungleich lang. Wie kath.ch seine Waffe in Zukunft nutzen will, wird man sehen, wenn man weiß, wer die Redaktion künftig führt.

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