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Kolumne „Ein bisschen besser“

Wir sind Lichtgestalten

Ein Tierfilmer hat uns jetzt berichtet, dass Vögel nicht zählen können: Wenn sich zwei Menschen dem Nest nähern, und einer wieder geht, glaubt die Amselmutter, sie sei allein. Meine Frau Judith und ich haben im Unterricht aufgepasst. Wir kennen uns ein bisschen besser als die Vögel mit Mengenlehre aus. Ich sage immer: „Wenn zwei Leute im Zimmer sind, drei rausgehen und einer reinkommt, ist keiner mehr drin.“ Dann lachen wir herzlich.

„Die heutige Generation dagegen“, sage ich zu Judith und werde ernst, „lernt das Falsche“. Am Samstag zum Beispiel war „Earth Hour. Auch, wenn es keiner gemerkt hat: Um 20.30 Uhr sollten für eine Stunde alle Lichter ausgehen. Wegen der Lichtverschmutzung. Und dem Klima natürlich. Judith liebt den Sonnenstrahl, und ich mag sogar den Kerzenschimmer. Wir sind Lichtgestalten.

Lichtverschmutzung macht uns ratlos, und Flugscham ereilt uns nicht

Lichtverschmutzung macht uns ratlos. Wir fliegen auch gern, wenn das Ziel stimmt. Flugscham hat uns bislang nicht ereilt. Und bei Fleisch laufen uns selten vegetarische Schauer über den Rücken, sondern eher solche der Fleischeslust. „Judith“, frage ich, und baue ein paar Brocken weltläufiges Englisch ein: „Judith, bin ich etwa nicht mehr state of the art?“ Ich lasse dabei meine Hosenträger zurückschnellen, dass es nur so „Batsch“ macht.

State of the art ist ein Ausdruck, den der amerikanische Konstrukteur Henry Harrison Suplee in seinem Buch „Die Gasturbine“ das erste Mal verwandt hat. Er meinte damit, dass ein jedes Ding unter Berücksichtigung von Normen, Standards und Regeln entwickelt werden sollte. Dazu müssten noch alle brauchbaren Erkenntnisse und technischen Möglichkeiten angewandt und höchster persönlicher körperlicher und geistiger Einsatz sichtbar sein. Ich finde, das ist eine Definition, die sich sehen lassen kann. Stünde sie heute noch auf dem Lehrplan, würde uns viel halbgares Zeug erspart bleiben. Lichtverschmutzung zum Beispiel.

Judith weiß das alles natürlich. „Wenn Du, mein Lieber“, antwortet sie, „höchsten körperlichen und geistigen Einsatz zeigst, bist du ganz brauchbar.“

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