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Digitaler Euro

Der breite Weg, der ins Sozialkredit-System führt

Einige der bedeutendsten Zentralbanken der Welt sind gerade dabei, digitale Währungen einzuführen, auch CBDC (Central Bank Digital Currency) genannt. China befindet sich mit dem digitalen Yuan in einer Vorreiterrolle. Dort wird das digitale Zentralbankgeld bereits in mehreren Regionen getestet. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) plant bereits einen digitalen Euro.

Momentan befindet sich das Projekt noch in einer Untersuchungs- und Sondierungsphase, in der laut EZB die optimale technische Ausgestaltung des Zentralbankgeldes untersucht wird. Diese Phase soll spätestens im Oktober 2023 abgeschlossen sein. Danach soll der EZB-Rat entscheiden, ob die digitale Währung tatsächlich eingeführt wird.

Der digitale Euro ermöglicht der Europäischen Zentralbank, Zahlungsströme genau zu überwachen und nachzuvollziehen. Im Gegensatz zum analogen Zentralbankgeld, dem Bargeld, wäre das digitale Zentralbankgeld nicht anonym. In ihren offiziellen Statements betont die EZB stets, dass die CBDC nicht das Bargeld ersetzen wird, sondern lediglich eine zusätzliche, digitale Bezahlmöglichkeit sein soll.

Der digitale Euro könnte das Bargeld zurückdrängen

Die Begrenzung des Bargelds steht jedoch schon länger im Raum, nicht erst seitdem die EZB den digitalen Euro angekündigt hat. Um Geldwäsche vorzubeugen, plant die EU-Kommission eine einheitliche Bargeldobergrenze von 10.000 Euro. In manchen EU-Ländern ist dieser Wert bereits jetzt deutlich niedriger.

Italien hatte die Obergrenze für Barzahlungen zum 1. Januar 2022 wieder auf 1.000 Euro reduziert. Bei Verstößen gegen diese Regel drohten saftige Strafen im Ausmaß von bis zu 50.000 Euro. Die neue italienische Regierung von Giorgia Meloni scheint nun jedoch einen anderen Kurs einzuschlagen. Berichten zufolge plant Meloni, die Bargeldgrenze wieder auf 5.000 Euro anzuheben.

In Griechenland darf andererseits im Normalfall nur bis zu einem Betrag von 500 Euro bar bezahlt werden.

Nur Bares ist Wahres – zumindest für Deutsche und Österreicher

Auch in Deutschland plant die Ampel-Regierung, nun erstmals eine Bargeldobergrenze von 10.000 Euro einzuführen. Interessanterweise bezeichnete noch vor wenigen Jahren der grüne Finanzexperte Gerhard Schick die Bargeldobergrenze als „absolute Scheinlösung“, die „nicht im Geringsten“ helfen würde, „Terroristen die Mittel für ihren Lebensunterhalt oder für Waffengeschäfte abzugraben“. Der Spiegel berichtete 2016, die Einführung von Bargoldobergrenzen in Italien und Frankreich hätte gezeigt, dass diese Regelungen wenig gegen Geldwäsche und Schattenwirtschaft helfen.

Der Grenzwert für Barzahlungen könnte also so niedrig werden, dass Bürger de facto keine anonymen Zahlungen mehr tätigen können, selbst wenn das Bargeld nicht komplett abgeschafft wird. Somit besteht eine realistische Gefahr, dass die EZB beinahe alle Zahlungsströme im Euroraum überwachen könnte.

Österreich und Deutschland liegen nach wie vor europaweit im Spitzenfeld, wenn es um die Bargeldnutzung geht, auch wenn der Anteil an Bargeldtransaktionen seit der Corona-Krise zurückgegangen ist; gerade bei jüngeren Verbrauchern hat seither das bargeldlose Bezahlen stark zugenommen, wie eine aktuelle Forsa-Umfrage im Auftrag des Kreditkartenanbieters Visa ergab.

Die Einwohner der Bundesrepublik führten im Jahr 2020 rund 60 Prozent aller Zahlungsvorgänge mit Bargeld durch. In Österreich lag dieser Wert 2020 sogar bei 66 Prozent. Auf Zahlungsvolumen bezogen betrug der Bargeldanteil in Deutschland 2020 rund 32 Prozent und in Österreich stolze 51 Prozent.

Wie die EZB Bürger zu beschwichtigen versucht

In der Rubrik „Häufig gestellte Fragen zum digitalen Euro“ auf der Website der Zentralbank heißt es bezüglich der Nachverfolgung von Zahlungsströmen: „Das Eurosystem hat kein Interesse daran, Zahlungsdaten einzelner Nutzerinnen und Nutzer zu erheben, das Zahlungsverhalten nachzuverfolgen oder diese Daten an staatliche Stellen und andere öffentliche Einrichtungen weiterzugeben.“

Weiter unten findet sich jedoch eine Aussage, die im direkten Widerspruch dazu steht:

„So könnte beispielsweise die Nutzeridentität getrennt von den Zahlungsdaten gespeichert werden, sodass nur zentrale Meldestellen für Finanztransaktionen diese Informationen auf Grundlage eines klar definierten rechtlichen Rahmens erhalten würden, um bei Verdacht auf kriminelle Aktivitäten den Zahlungspflichtigen und Zahlungsempfänger identifizieren zu können.“

Was ist kriminell, was ein Verdacht auf kriminelle Aktivität?

Liegt also ein Verdachtsfall krimineller Aktivitäten vor, scheint die EZB sehr wohl daran interessiert zu sein, die Zahlungsdaten dieser Nutzer zu erheben und deren Zahlungsverhalten nachzuverfolgen. Ebenso ist es naheliegend, dass diese Daten dann zum Zwecke einer möglichen Strafverfolgung der Nutzer an staatliche Stellen weitergegeben werden.

In der Praxis stellt sich demnach die Frage, was als kriminelle Aktivität gilt und welche Bedingungen für einen Verdacht auf eine solche Aktivität erfüllt sein müssen. Jedenfalls klingen diese offiziellen Aussagen für Datenschützer und Freunde der Anonymität nicht gerade beruhigend.

Die digitale Identität führt zum gläsernen Menschen

Die Autoren Andreas Dripke und Stephanie Stoerk warnen in ihrem Buch „Der digitale Euro: Computergeld statt Bares“, dass das Ziel, die digitalen Zahlungsmöglichkeiten auszuweiten, der gläserne Bürger sei. Die Verbindung eines digitalen Euro mit einer digitalen Identität könnte den Weg zu einer möglichen Totalüberwachung ebnen. Dass ein solches Szenario nicht von der Hand zu weisen ist, zeigt sich deutlich anhand folgender Aussage der EZB auf ihrer Website (in der Antwort auf Frage 6):

„Ein digitaler Euro könnte auch erweiterte Funktionalitäten wie automatisierte Zahlungsfunktionen bieten. Denkbar wäre außerdem die Nutzung einer Form von digitaler Identität.“

Vorschau Bezahlung per Smartphone im Supermarkt
Elektronisches Bezahlen des Einkaufs – bequem oder eher leichtfertig? Die Buchautoren Andreas Dripke und Stephanie Stoerk warnen: Das Ziel, die digitalen Zahlungsmöglichkeiten auszuweiten, ist der gläserne Bürger

Die Europäische Union hat den rechtlichen Rahmen für die Einführung einer europäischen digitalen Identität bereits 2014 mit der eIDAS-Verordnung geschaffen. Es ist noch unklar, wann genau die sogenannte „EU Digital Identity Wallet“ flächendeckend eingeführt wird. Die kroatische EU-Abgeordnete Romana Jerković sagte vor kurzem in einem Interview, dass die Digital Identity Wallet nach dem aktuellen Plan 2024 eingeführt werden könnte.

Außerdem wäre es denkbar, dass die EU in Zukunft ein bereits geplantes Europäisches Vermögensregister, in dem das Vermögen jedes EU-Bürgers erfasst wird, mit der digitalen Identität verknüpft.

Erste Sozialkreditsysteme werden in Europa bereits umgesetzt

Überwachungskritiker wie beispielsweise der Autor und Finanzexperte Markus Krall befürchten die Einführung von Sozialkreditsystemen in Europa nach chinesischem Vorbild. Die Kombination aus digitalem Euro, Abschaffung oder Begrenzung des Bargelds, digitaler Identität und einem europäischen Vermögensregister würde ein Sozialkreditsystem möglich machen. Erste Vorläufer solcher Systeme machen sich bereits in Europa bemerkbar.

Die italienische Stadt Bologna stellte im März 2022 das Projekt „Smart Citizen Wallet“ vor. Bürger der Stadt sollen ab diesem Herbst mithilfe einer App Tugendpunkte sammeln können, etwa wenn sie korrekt Müll trennen oder regelmäßig öffentliche Verkehrsmittel nutzen. Die gesammelten Punkte sollen dann gewisse Vorteile bringen, wobei noch nicht feststeht, wogegen die Punkte eingetauscht werden können.

In Wien befand sich ein ähnliches System seit 2020 in der Testphase, diese ist allerdings aufgrund der Corona Pandemie unterbrochen worden. Das erklärte Ziel des Projekts ist die Förderung von „klimaschonendem Verhalten“. Wer sich in der Stadt viel autofrei bewegt, soll sogenannte Wien-Token erhalten, die in Kultureinrichtungen für Vergünstigungen eingelöst werden können. Ein ähnliches System stellte die bayerische Regierung in ihrer „Klimaschutzoffensive“ Ende 2019 vor. Dort heißen die Belohnungspunkte „Ökotoken“, und die Umsetzung soll „ab 2022“ erfolgen.

Zu viel CO2 erzeugt: keinen Kredit mehr

Als erste Schweizer Stadt überwacht Zürich seit diesem Jahr die direkten und indirekten CO2-Emissionen der Einwohner. Die Stadt benutzt dieses Monitoring als Kontrollinstrument, um zu prüfen, ob die Umweltschutz- und „Klimaziele“ eingehalten werden. Es wäre nicht die Schweiz, wenn das Volk nicht die Vorlage geliefert hätte: Drei Viertel der Stimmberechtigten hatten in einer Abstimmung ihrer Stadt den Auftrag erteilt, die „Treibhausgas“-Emissionen bis 2040 auf netto null zu senken.

Schweden ist nicht nur Spitzenreiter, wenn es um bargeldloses Bezahlen geht, es gibt in dem skandinavischen Land auch eine „Carbon Limit Credit Card“ mit dem Namen DO Black. Diese berechnet den CO2-„Fußabdruck“ aller Einkäufe, die damit getätigt werden, und setzt dem Nutzer ein CO2-Limit. Sobald dieser Grenzwert erreicht wurde, können keine weiteren Einkäufe mehr mit der Kreditkarte getätigt werden.

Der Unterschied dieser relativ neuartigen Systeme zum chinesischen Sozialkreditsystem liegt nur darin, dass die Teilnahme an den europäischen Systemen bisher freiwillig ist. Kritiker wie Markus Krall fürchten jedoch: Der Staat wird in Zukunft Druck auf die Bürger ausüben, diese Programme mitzumachen.

So könnte beispielsweise die Teilnahme an dem System mit Zugang zu gewissen Einrichtungen verknüpft sein – ein Konzept, das in Deutschland und Österreich mit der sogenannten 2G-Regel bereits aus der Corona-Zeit bekannt ist.

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Ursula Mies
Vor 1 Jahr

Wir behalten unser Bargeld!
Was Schweden macht interessiert
uns nicht & China schon mal garnicht!
Nie auf Bargeld verzichten!

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Ursula Mies
Vor 1 Jahr

Wir behalten unser Bargeld!
Was Schweden macht interessiert
uns nicht & China schon mal garnicht!
Nie auf Bargeld verzichten!