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Wer hat das Zeug zum Unternehmer?

Was Gründer wirklich brauchen, um eine Chance zu haben

Gestern saß ich nachmittags mit meiner Frau und einem alten Freund von uns zusammen in unserem Garten unter der weißen Wisteria. Es war ein ganz normaler Wochentag, die Sonne schien, ein Meisenpärchen versorgte im Vogelhäuschen den Nachwuchs und hastete unentwegt über unseren Köpfen hin und her.

Wir konnten da mitten in der Woche sitzen und Kuchen essen, weil unser Freund im Ruhestand ist und meine Frau und ich Unternehmer sind – das heißt, wir können uns unsere Zeit frei einteilen und müssen keinen von anderen geschriebenen Dienstplan oder Gleitzeitzonen einhalten – wir selbst sind es, die Dienstpläne schreiben und unseren Teams verbindliche Regeln geben, wenn es nötig und sinnvoll ist.

Und wir selbst arbeiten sicher in jeder Woche freiwillig mehr als unsere Mitarbeiter, aber eben dann, wenn wir wollen und können und es für sinnvoll erachten. Für mich heißt das sehr oft auch abends, manchmal nachts, gerne auch an Feiertagen und Wochenenden, weil da die Unterbrechungen am geringsten sind und die Produktivität am höchsten ist. Dem Ergebnis ordnet sich eben alles unter. Und ein nicht unerhebliches Ergebnis ist auch mein körperlicher und geistiger Zustand. Als Unternehmer sorgt niemand für meine Erholungs- und Ausgleichszeiten, um in seelischer Balance zu bleiben – das muss ich schon selbst tun.

Der Freund fragte mich: „Woher kannst du das?“

Unser Freund war früher ein Mentor meiner Frau und hat ihr viel beigebracht, als sie Berufsanfängerin war, insbesondere was Haltung, Werte und Ethos bei der Arbeit angeht. Er war Sozialarbeiter und klassisch Linker: SPD, Öffentlicher Dienst, Gewerkschaft, Betriebsrat, das volle Programm. Also gerade kein Unternehmertyp, sondern einer auf der entgegengesetzten Seite der Selbständigkeitsskala. Aber eben auch einer mit dem Herz am rechten Fleck, immer ehrlich, immer aufrichtig, immer verlässlich, immer zugewandt, neugierig, vorurteilsfrei und interessiert und eben, wie ein Linker mit Niveau, immer auf der Seite der Schwachen und Hilfebedürftigen.

Wir kamen im Gespräch auf eine knifflige unternehmerische Verhandlung, bei der es um viel Geld ging und die ich gut gemeistert hatte, wohl auch dank meiner fast zweieinhalb Jahrzehnte Erfahrung in zig Verhandlungen als mehrfacher Unternehmer. Er fragte: „Woher kannst du das?“

Tja, und das war eine Frage, die ich nicht so leicht beantworten konnte. Ich weiß zwar, dass ich schon als junger Mann schlecht in Gruppen und gut in Eins-zu-eins-Gesprächen war, aber es gehört natürlich mehr dazu als Talent oder Neigung für dies oder das.

 


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Die erweiterte Frage ist: Was muss man mitbringen, um ein guter Unternehmer zu sein? Was muss man können? Und wie lernt man das? Abgesehen davon, wer „man“ ist: Ist das allein eine Frage des Menschentypus beziehungsweise von Charaktereigenschaften? Kann man das überhaupt so eindeutig sagen?

Heute herrscht die Kurzzeitdenke vor – das ist nicht unternehmerisch

Die Frage ist deshalb nicht unerheblich, weil im gesellschaftlichen Klima heute die Zeitpräferenz aus verschiedensten Gründen sehr hoch geworden ist – mit anderen Worten: Kurzzeitdenke herrscht vor. Die Leute wollen immer weniger Zeit und Geld investieren, sondern wollen lieber hier und heute konsumieren. Der strategische Blick nach vorne, Konzepte, Langfristplanungen, Missionen, die Bereitschaft, Durststrecken in Kauf zu nehmen und heute zu verzichten, um übermorgen zu ernten, das alles gehört nicht mehr zum Zeitgeist. Ausgerechnet diese Eigenschaften und Ideen aber sind die unternehmerischen.

Wir leben also nicht in einer Zeit, in der Unternehmertum angesagt wäre. Auch die in unserer Zeit sehr mächtigen und in alles hineinregierenden Parteipolitiker können diese unbequemen und geistig wie finanziell unabhängigen Unternehmer im Allgemeinen nicht leiden. Zum einen gehen Unternehmer kaum je in die Politik oder umgekehrt, zum anderen wollen Politiker zwar gerne die Früchte der Arbeit der Unternehmer einziehen und umverteilen, machen ihnen aber genauso gerne das Leben schwer mit immens hohen Steuern und Abgaben und einer überbordenden Bürokratie – gestandene Unternehmer flüchten darum in den letzten Jahren scharenweise ins Ausland, gerade auch in meinem Freundes- und Bekanntenkreis.

Und gleichzeitig gibt es im Land viel zu wenig junge Gründer, viel zu wenige Neugründungen, um die notwendige stetige Erneuerung von Wirtschaft und Gesellschaft zu leisten. In den letzten zwanzig Jahren nahm die Zahl der Existenzgründungen je 10.000 Erwerbsfähigen laut Statistik der KfW kontinuierlich ab und hat sich seit 2003 mehr als halbiert.

Generationen von antikapitalistischen Lehrern in den Schulen haben ganze Arbeit geleistet

Im Trend liegt eben das scheinbar sichere, im gleichen Zeitraum deutlich angewachsene Beamtentum, nicht das allseits ungeliebte Unternehmertum. Generationen von antikapitalistischen Lehrern in den Schulen haben hier ganze Arbeit geleistet. Ich halte das für grundfalsch und auf lange Sicht für eine Zivilisation für selbstmörderisch.

Wahren Unternehmern sind Trends allerdings keine Richtschnur: Sie richten sich nicht nach dem, was „man“ gerade macht, sondern sehen einen Markt, in dem es an Neugründungen fehlt, womöglich gerade erst recht als Chance. Unternehmer sind nicht konformistisch, auch nicht notwendigerweise rebellisch, sondern unkonventionell.

Und solche Leute gibt es selbstverständlich auch in der jüngeren, oft als woke, schwach, unselbständig, hypermoralisch, faul und desinteressiert beschriebenen Generation – kollektive Etiketten dieser Art können einem einzelnen jungen Menschen prinzipiell niemals gerecht werden.

Viel wichtiger als Skills scheint mir die Grundeinstellung zum Leben zu sein

Also, was braucht es wirklich dazu, erfolgreicher Gründer zu werden? Ich will genauer fragen, denn natürlich gibt es da all die fachspezifischen Fertigkeiten und Fähigkeiten, die ein Unternehmer einfach durch das Unternehmersein mittels des Versuch-und-Irrtum-Verfahrens automatisch erlernt. Dazu gehören beispielsweise Mitarbeitergespräche, Entlassungen und andere harte Entscheidungen, die früher oder später notwendig sind, aber auch sich zu wehren, wenn Menschen die Grenzen des Anstands oder die Eigentumsverhältnisse missachten, notfalls mithilfe der Justiz. Dazu gehören auch Verträge, Bilanzen, Auswertungen, Planungen, Analysen, Prozesse und all das, was man zwar theoretisch durchdringen, aber nur in der Praxis wirklich beherrschen lernen kann.

Deswegen sind diese Skills uninteressant bei der Antwort auf die Frage, was ein Jungunternehmer mitbringen sollte. Viel wichtiger scheinen mir die Grundeinstellungen zum Leben, zur Welt und zu den Menschen zu sein.

Bei der Suche nach einer guten Antwort muss ich wieder an das Gespräch mit unserem altlinken Freund denken. Er sprach von einem besonders antikapitalistischen Kollegen, der das Erzielen von Gewinnen unmoralisch findet und jede Ausprägung von Individualismus kritisiert. Er ist der anti-unternehmerischste Mensch, der uns einfiel. Um zu erklären, wie dieser Kollektivist tickt, sagte unser Freund: „Der vertraut niemandem. Weder anderen noch sich selbst.“

Verantwortung tragen und aktiv dem lieben Gott vertrauen

Und da liegt der Hase im Pfeffer: Als ich durch einen Schicksalsschlag in meinem Leben gelernt hatte, dass sich das Leben nicht planen lässt und ich mein Leben, wenn es nicht misslingen soll, an den Hörnern packen musste, war ich reif dafür, Unternehmer zu sein. Denn ich hatte durch den größten Verlust in meinem Leben gar keine andere Wahl gehabt als zu lernen, dass ein naives, sorgloses „Alles wird gut, was soll mir schon passieren?“ mich nirgendwo hinbringt. Ich war mit einem Schlag erwachsen geworden und lernte in kürzester Zeit, mir selbst, meiner Frau und dem lieben Gott aktiv und absichtlich zu vertrauen.

Und dieses bewusste Grundvertrauen machte mich zu einem Unternehmer, denn genau das war die Grundvoraussetzung für das, was die zentrale Aufgabe eines Unternehmers ist: Verantwortung tragen.

Und hier ist meine Antwort: Wer Verantwortung tragen kann, hat das Zeug dazu, ein Unternehmer zu sein. Alles andere ist der Weg, der sich beim Gehen unter den Füßen bildet.

 


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Kommentare

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Andreas Graf
Vor 4 Monate 1 Woche

Ein Unternehmer benötigt vor allem einen günstigen Strompreis und keine staatlich vorgeschriebenen Sanktionen. Da diese Rahmenbedingungen nicht mehr stimmen, flüchten die Unternehmen ins Ausland oder gehen vorher in die Insolvenz. Da liegt der Hase im Pfeffer. Bundeswirtschaftsminister Habeck ist zugleich Kinderbuchautor und weiß deshalb, wo der Meister Lampe langläuft. Bei diesem Irrsinn benötigt man in der Tat viel Gottvertrauen, das die Jugend nicht mehr hat, sich all dem entgegenzustellen.

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Andreas Graf
Vor 4 Monate 1 Woche

Ein Unternehmer benötigt vor allem einen günstigen Strompreis und keine staatlich vorgeschriebenen Sanktionen. Da diese Rahmenbedingungen nicht mehr stimmen, flüchten die Unternehmen ins Ausland oder gehen vorher in die Insolvenz. Da liegt der Hase im Pfeffer. Bundeswirtschaftsminister Habeck ist zugleich Kinderbuchautor und weiß deshalb, wo der Meister Lampe langläuft. Bei diesem Irrsinn benötigt man in der Tat viel Gottvertrauen, das die Jugend nicht mehr hat, sich all dem entgegenzustellen.