Auf der Piste
Ich muss an dieser Stelle erklären, dass ich überhaupt nicht woke, sondern nach einem ganz hergebrachten Strickmuster geschaffen bin. „Zwei rechts, zwei links, eine fallen lassen“, erkläre ich meiner Frau Judith, die sofort weiß, was ich meine, weil sie in ihrer nach-pubertären Phase so viel gestrickt hat, dass ich fast froh bin, sie erst in ihrer Nachstrickphase kennengelernt zu haben. „Ja, du bist einfach gestrickt“, sagt sie, während sie durch die Haustür zum Mädelsabend entschwindet und mich mit den Kindern dem Schicksal überlässt, „ein Mann eben.“
Während ich auf der Suche nach Essen für den Nachwuchs in den leeren Kühlschrank blicke, den Judith nicht gefüllt hat, auf dem Wohnzimmerparkett Fußball mit dem Töchterchen kicke, was wir nie dürfen, wenn Judith daheim ist, und meine Playlist mit deutschen Schlagern aus den siebziger Jahren starte, die Judith nicht leiden kann, beginnt es in mir zu stricken – „zwei rechts, zwei links“.
Wenn Judith schon Samstagabend abhaut, denke ich, dann ziehe ich eben mit den beiden Kindern um die Häuser. Ich habe außerdem festgestellt, dass freilaufende Männer mit blonden lockigen Kindern auf dem Arm auf gewisse Frauen eine unnatürliche Anziehungskraft entwickeln – „zwei rechts, zwei links“.
Carl Benz’s Grundstrickmuster ist ganz meins
Zwei kalte Biere rechts, zwei links wären auch nicht schlecht in so einer warmen Sommernacht, in der einen die Frau fallengelassen hat. Dumm, dass mein altes Auto nicht fährt. Es hat das gleiche Baujahr wie ich, und wir wetteifern, wer besser in Schuss ist. Gerade hat es keine Kupplung, weswegen ich vorne liege. Die Karre, die Kinder und ich – ich kenne fast nichts, was auch nur ein bisschen besser wäre.
Ich mag so Autogeschichten. Neulich waren wir in Turin, wo die Fiats herkommen. Die genialen Konstrukteure waren verrückt genug, eine Rennpiste oben aufs Dach der Autofabrik zu setzen, die ich meinem Töchterchen zeigen musste. Ich habe ihr gesagt, so was können sich nur Männer mit intaktem Strickmuster ausdenken.
Als Judith frühmorgens wieder nach Hause kommt, sind die Kinder und ich längst wieder daheim. Ich bin zur Strafe noch wach und rede kein Wort. Dabei habe ich gerade die Geschichte von Carl Benz nachgelesen, der das Auto erfunden hat, das aber ohne seine Frau Bertha in der Garage verstaubt wäre. Bertha packt im August 1888 ihre beiden Söhne Eugen und Richard auf die Rückbank und fährt von Mann- nach Pforzheim. Was Carl an dem warmen Sommerabend vor 135 Jahren gemacht hat? Wahrscheinlich vier Bier trinken, „zwei rechts, zwei links“, Frauen aufreißen und sich ärgern, dass die Karre nicht da war. Sein Grundstrickmuster ist ganz meins, denke ich, auch wenn ich einräumen muss, dass er an jenem Tag im August einigermaßen schiefgewickelt war.
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