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Kolumne „Mild bis rauchig“

Nein, danke!?

Sie rangieren zwischen Bescheidenheit und Unhöflichkeit und sind daher für die einen ein Grund zum Staunen, für die anderen ein Grund zum Ärgern: die beiden kleinen hingeworfenen Wörtchen „Nein, danke!“

Während im Falle eines großzügigen Angebots, eines Getränks oder eines Sitzplatzes im Bus das „Nein, danke“ als Ausdruck der Bescheidenheit bewundert werden darf, löst es im Fall der Überreichung eines Geschenks mit Sicherheit Enttäuschung und Empörung aus. Das, was man hat schenken wollen, weswegen man sich Mühe machte und Zeit aufwandte, dasjenige, über das man sich Gedanken gemacht und es liebevoll verpackt hatte, verlangt nach Annahme, Auspacken und echter oder zumindest höflicher Freude.

Durch ein „Nein, danke!“ des Beschenkten wird eine Regel gebrochen und das Geschenk zum Stolperstein für eine Beziehung. Diesbezüglich ist ein „Nein, danke“ auch der Indikator für ein schlechtes mitmenschliches Verhältnis, aufgrund dessen man von jemandem grundsätzlich nichts geschenkt haben will, zumal, wenn man die Erfahrung gemacht hat, dass man mit seinen Geschenken ohnehin nichts anfangen kann.

Immer derselbe schlechte Rotwein aus dem Discounter

An der Schwelle zu einem neuen Jahr stellt sich die Frage, was man mit dem Geschenk der Zukunft des nun anbrechenden Jahres tun soll. Soll man es freudig entgegennehmen, obwohl man noch gar nicht weiß, was sich unter der Geschenkhülle verbirgt? Oder soll man es aus genau diesem Grund vielleicht doch eher ablehnen?

Oder sollte man – wenn es einem denn wie im Falle der persönlichen Zukunft ohnehin aufgenötigt wird und es unumgänglich ist, diese entgegenzunehmen – zumindest durch ein „Nein, danke!“ signalisieren, dass die Zukunft selten etwas ist, auf das man sich mit Freuden stürzt, weil sie in der Regel böse Überraschungen bereithält? Denn wie beim Überreichen der Weinflasche in der Geschenktüte weiß man ohnehin, dass sich darin das befindet, was man vermutet – eben immer derselbe schlechte Rotwein aus dem Discounter.

Wenn man konkret an die letzten Jahreswechsel zurückdenkt, bestätigt sich dies. Denn man hat sich in Sachen geschenkter Zukunft und der Prognosen, was sie wohl für uns bereithält, daran gewöhnt, dass sich in das Böllern zum Jahreswechsel schnell die Detonationen terroristischer Mörder hineinmischen können, obwohl uns die Neujahrsansprachen unserer ungekrönten Oberhäupter doch Jahr für Jahr versprechen, dass ihre Aufforderung zur Willkommenskultur den Ponyhof Deutschland keineswegs durch die Invasion völkerwanderungshafter Flüchtlingsströme in seiner Work-Life-Balance erschüttern wird. Wir ahnen, dass es nicht so sein wird. Nein, wir wissen es.

Nichts als eine kleine Zäsur

Und deswegen: wer wollte freudig das Überraschungsei 2024 auspacken, wo doch einigermaßen klar ist, was drin sein wird an Krieg, Missverständnissen, politischer Unzufriedenheit und Stümperei, Teuerungen, weiteren Auflösungserscheinungen in Sachen Menschenbild, Kultur und Religion, Aufregungen und flächendeckendem Beleidigtsein, an Mangelware bei den Geistesgrößen und an Legionen von Dilettanten und Blendern, wie sie die a-sozialen Medien täglich millionenfach produzieren, füttern und erziehen. Also doch besser: 2024 – „nein, danke“?

Man muss schließlich nicht im Zeitalter der Kriegstreiberei, des Terrorismus und der schwankenden Weltböden leben, um diese Frage zu stellen. Sie stellt sich eigentlich immer. Und zwar jeden Tag und nicht nur beim Jahreswechsel. Denn der Jahreswechsel ist ja nicht mehr als eine kleine Zäsur, die im Archiv des Menschenlebens ein wenig Ordnung herstellen soll. Ansonsten hat die Nacht vom 31. Dezember zum 1. Januar keineswegs irgendeine magische Funktion. Die Zukunft, die in dieser Nacht befragt, begrüßt, befürchtet oder abgelehnt wird, entpuppt sich jeden Moment neu aus dem Lauf der Dinge. Es gehört zu den nicht veränderbaren Konstanten des Lebens, dass unsere Jahre uns entgegenkommen, ohne dass wir sie manipulieren können. Und weil das so ist, weil die Zukunft unbekannt ist und bleibt, haben wir keine andere Chance, als sie anzunehmen und zu tragen.

Als Christen gibt es diesbezüglich an der Schwelle des neuen Jahres nur eine Wahl: die der Annahme! Ich sage sogar: der freudigen Annahme dessen, was kommt! Denn – auch wenn wir nicht wissen, was die konkrete Zukunft für uns bereithält – eines wissen wir als Menschen, die an eine Ewigkeit glauben: dass es eine Zeit mit Gott werden wird. Er ist da! Er wird da sein! Und Er wird da bleiben! Er ist in der Zeit, aber Er ist auch über aller Zeit, macht aus unserer Zeit deswegen etwas anderes als ein Gefängnis. Er macht daraus den Lebensraum der Bewährung und der Entscheidung. Damit einmal nach allen Jahren eine Ewigkeit unsere Zukunft ist.

Das Glück ohne Ablaufdatum ist nicht zu haben

Jenseits jeder Sentimentalität hat der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer am 19. Dezember 1944 kurz vor seiner Hinrichtung durch die Nationalsozialisten diese Erwartung im Hinblick auf seine ziemlich kalkulierbare Zukunft in die bekannten Zeilen des Gedichtes „Von guten Mächten“ gegossen. Er ist darin als Christ im Angesicht seines absehbaren gewaltsamen Todes gelassen. Er beschwört keineswegs nur die „guten Mächte“, sondern er zeigt, wie ein gläubiger Christ auch das Schwere, das vor der Tür steht, erwarten kann, wenn er schreibt:

„Und reichst Du uns den schweren Kelch, den bittern
des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand,
so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern
aus Deiner guten und geliebten Hand.“

Dieses Gottvertrauen ist es, das man sich beim Hinübergleiten, -schlafen, -böllern und -trinken in das neue Jahr 2024 wünschen kann. Dazu gehört das Bewusstsein, dass das Glück, das man gerne ohne Ablaufdatum hätte, so nicht zu haben sein wird, solange es eine Welt gibt, in der man sich jede Sekunde des Lebens zwischen Gut und Böse zu entscheiden hat und dabei häufig genug versagt.

Und es gehört zum Gottvertrauen der Glaube, dass Gottes Macht jeden Menschen umgibt, auch wenn die Mächte des Bösen gewaltig sind, und dass man alles, aber auch wirklich alles annehmen darf, was die Zukunft einem entgegenbringt, weil man in jedem Augenblick in Gottes Nähe ist und Er in meiner, deiner, unserer!

Ein Jahr in Gottes Kalender

Es gibt also keinen Grund, ein zickiges „Nein, danke!“ auszustoßen, wenn uns ein neues Jahr gereicht wird. Sondern es gibt Grund genug zur Freude, dass es ein Jahr in Gottes Kalender ist, das Er uns Menschen – wie jedes Jahr – schenkt, um Ihm näherzukommen.

So wird man sich aus dieser Perspektive den Worten Dietrich Bonhoeffers anschließen können und mit Bitte und Dank in sich das Vertrauen zu stärken vermögen, dass die Macht des Bösen nie stärker sein kann, als das Heil, das Gott jedem schenkt, der nach Ihm verlangt:

„Noch will das alte unsre Herzen quälen,
noch drückt uns böser Tage schwere Last.
Ach, Herr, gib unsern aufgeschreckten Seelen
das Heil, für das Du uns geschaffen hast.

Von guten Mächten treu und still umgeben,
behütet und getröstet wunderbar,
so will ich diese Tage mit euch leben
und mit euch gehen in ein neues Jahr.

Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“

Es sind eben nicht nur blinde Zeitläufte, zwischen denen das menschliche Leben einfach nur „stattfindet“, sondern die Zeit ist in jeder Sekunde umfangen von der Güte Gottes, die die Zeit erträglich machen will, weil Er, Gott selbst, schließlich zeitlich geworden ist. Er hat die Zeit zum Präludium des Ewigen gemacht. Seit der Menschwerdung Gottes gehen die Uhren anders. Sie bewegen sich nicht auf ein Weniger zu, sondern auf ein Mehr. Weswegen es auch die berechtigte Hoffnung gibt, dass das Jahr 2024 ein gottvolles sein wird, eine Zeit des Zugehens auf das, was einem niemand mehr nehmen kann, eben ein Jahr des Herrn, das in jedem Fall mit Ihm ein gutes sein wird.

 

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