Das Delirium schlägt zurück

Wann immer man für das Klischee von der mangelnden Flexibilität der Stadtverwaltung eine Bestätigung sucht, wird man in der Regel schnell fündig. Jedoch – in Köln bestätigte kürzlich eine Ausnahme die Regel. Man erfuhr von einer neuen, ungeahnt dynamischen und aufsehenerregenden Flexibilität der dortigen Verwaltung. Und zwar in deren Entscheidung, dass in Köln der Begriff „Spielplatz“ abgeschafft und durch „Spiel- und Aktionsfläche“ ersetzt werden soll.
Hunderte von Schildern, auf denen „Spielplatz“ steht, sollen ausgetauscht werden. In einer amtlichen Mitteilung heißt es: „Insbesondere muss dem erweiterten Inklusionsgedanken, der die Diversität der Nutzer*innen im Rahmen ihres Alters, ihrer kulturellen Hintergründe und möglicher Behinderungen berücksichtigt, Rechnung getragen werden.“ Der Begriff „Spielplatz“ sei „veraltet“ und „eingrenzend“.
Und fürwahr, so ist es! Wir hatten nur noch nicht darüber nachgedacht. Denn: Der Begriff „Platz“ ist doch nun wirklich überholt, nicht zuletzt, weil er wenig interaktiv ist. „Spiel- und Aktionsfläche“ passt wesentlich besser zur aktuellen Eventkultur, innerhalb derer man nicht nur banales Spielen, sondern Aktionen und Kommunikationen diverser Art ins Werk setzen kann.
Sieht man sich die Alterspyramide in unserem Land an …
Und schließlich soll doch die „Spiel- und Aktionsfläche“ eine Begegnung nicht nur exklusiv für Kinder bieten, sondern inklusiv für Bürger aller Altersgruppen. Denn sieht man sich die Alterspyramide in unserem Land an, ist der Bedarf an „Spiel- und Aktionsflächen“ für Senior*innen mindestens genauso groß wie für Kinder – ähnlich wie ja auch neben den Kindergärten (sorry, Kindertagesstätten) die Tagespflegeeinrichtungen als „Senior*innen-Kitas“ aus dem Boden sprießen.
Und so werden wir bald Zeuge werden, wie aus den „Spiel- und Aktionsflächen“ bald Senior*innenspielzentren werden, in denen fröhliche alte – nein, nicht alte, „junggebliebene“ – Menschen gemeinsam Sandburgen bauen und ihre wertvollen Erfahrungen dabei an die Jüngsten weitergeben können.
Und so soll – das wenigstens ist der Plan – an allen siebenhundert Kölner Spielplätzen das veraltete Schild mit Mutter und Kind verschwinden und durch eine von einem gut bezahlten Grafikdesigner kreierte Alternative ersetzt werden.
„Mama, wann gehen wir wieder zur Spiel- und Aktionsfläche?“
Der Vorgang ist sicherlich kurios. Aber er offenbart auch etwas von der Kompliziertheit des Lebens für den Fall, dass ihm der Wirklichkeitsbezug verloren gegangen ist. Und davon, wie wenig möglich es ist, etwas rein Erdachtes gegen die Wirklichkeit sprachlich ins Feld zu führen. Denn es bleibt doch fraglich, ob demnächst das Kölner Kind die Mama tatsächlich fragen wird, „wann wir wieder zur Spiel- und Aktionsfläche gehen“.
Dass dies nicht so kommen wird, ist indes einigermaßen sicher. Und zwar ganz einfach, weil einem Menschen ohne wahrnehmungsgetrübte Auffassungsgabe durch die Gehirnwäsche täglicher Zeitgeisterstunden die Begrifflichkeit „Spiel- und Aktionsfläche“ im Halse stecken bleibt und zuvor im tätigen Verstand.
Eine pragmatische und ideologisierte Verballhornung hat selten Ewigkeitswert. Ihre Haltbarkeitsdauer ist so kurz, wie wir es aus DDR-Zeiten mit ihren „verdienten Lehrern des Volkes“ und der „Herrschaft der Werktätigen unter der Führung der Arbeiterklasse“ gewöhnt sind.
Köln, wie man über es singt und lacht
Die Republik hat deswegen gut gelacht, als die Kölner Wortkonstruktion bekannt wurde. Ausgerechnet wurde diesmal über Köln gelacht, das sich doch ansonsten so humoristisch und betont normalo gibt. In der Umbenennung der Spielplätze durfte die Fünf auf einmal nicht mehr gerade sein. Es musste eine inklusive Formulierung einen weitestgehenden Gebrauch der Sandkästen und Spielgeräte gewährleisten.
Denn wer weiß schon wirklich, ob er spielen oder ob er statt buddeln eine Selbstfindungsaktion durchführen will. Die Vielfalt der diversen Lebensentwürfe muss schließlich auszuleben sein. Und da ist die Engführung „Spielplatz“ eine schiere Einschränkung für den jugendlichen Drogendealer, der sich inmitten der Kleinkinderwelt keineswegs fehl am Platz oder in irgendeiner Weise diskriminiert fühlen darf. Alles muss eingeschlossen sein – „inklusiv“, wie man heute sagt.
Wobei gerade diese Formulierung Aufschluss über die möglicherweise wirklichkeitsfremde Ideologie gibt, die hinter der Posse aus dem heiligen Köln steckt. Denn hatte man einst den Begriff „Integration“ parat, wenn es um das freiwillige Zusammenführen unterschiedlicher Kulturen oder Lebensformen ging, so müssen heute alle zwangsweise in einen Sack.
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„All inclusive“ wird so zum kulturellen Muss. Inklusion will nicht mehr Gemeinschaftlichkeit aufgrund persönlicher Entscheidungen, sondern hält eine Zwangsjacke hin, in die man unterschiedlichste Momente einzwängt.
Abgründe subjektivistischer Weltsicht
Heraus kommen die Chimären beflissener Wortschöpfer, die mittlerweile unseren Alltag durchziehen und uns stets wach („woke“) halten sollen für das, was irgendjemand gerade vermisst und weswegen er sich beleidigt fühlt. So werden durch den von John Biden eingebrachten Begriff „gebärende Person“ alle Menschen beglückt, die Mutter sein wollen, obwohl sie ein Mann sind, ähnlich wie „Menschenmilch“ einer möglichen Diskriminierung von Transsexuellen vorbeugt.
Auch wenn die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker sich im Nachgang von dem Verwaltungsvorstoß distanziert und die Sache nochmals dem Stadtrat vorlegen will, so bleibt doch eines klar: der keineswegs nur sprachliche Zug woker Umgestaltung unserer Gesellschaft ist abgefahren und in voller Fahrt und lässt sich durch Frau Reker genauso wenig administrativ stoppen wie sie vor Jahren Belästigungen von Frauen durch ungezogene Männer verhindern konnte, indem sie den Damen empfahl, sich möglichst immer eine Armlänge weit von Fremden fernzuhalten.
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Das System des woken Nominalismus ist kaum noch aufzuhalten. Geradezu besoffen von den benebelnden Getränken pseudogerechter Namensgebungen ist es dem Delirium vernebelter Wirklichkeitstrübung erlegen. Die seit Jahrzehnten aufgebauten Forderungskataloge einer erst universitären und dann politischen Linken entbergen die Abgründe subjektivistischer Weltsicht, wie sie schon seit der Aufklärung in den verschiedensten Spielarten die Welt erst verändert und dann dominiert haben.
Vom Kindergarten bis zur Universität indoktriniert
Die Ergebnisse in den Köpfen und mittlerweile wohl auch in den Herzen der „Generationen X Y Z“ sind nachhaltig und durchdringen unsere Gegenwart mittlerweile wie ein Automatismus. Bevölkerungsumfragen nach dem Gebrauch der Gendersprache, die (noch) zugunsten eines normalen Deutsch ausgehen, der sogenannte gesunde Menschenverstand oder die Versuche, auf dem Verwaltungsweg den größten Irrsinn zu verhindern, zeigen sich wirkungslos.
Zu groß ist die Menge derer, die vom Kindergarten bis zur Universität gelernt haben, dass richtige Sprache richtiges Verhalten gebiert, weswegen Phänomene wie die Kölner Metamorphose harmloser Spielplätze zu Arenen woker Cancel Culture auch nicht mehr einzufangen sind.
Das Delirium wirklichkeitsblinder Ideologisierung, das man in den Denkfabriken auf den Weg gebracht hat, ist zu ausgiebig, als dass man es politisch in den Griff bekommen könnte. Der Geist, der die Wahrnehmung der Fülle des Wirklichen vernebelt hat, lässt sich nicht mehr in die Flasche zurückdrücken. Die entfesselten Truppen in der Politik, in der Bildungsszene und in der Kultur – mittlerweile auch in den Kirchen – lassen sich ihr Gendersternchen nicht mehr nehmen.
Woher Hoffnung nehmen?
Wann immer man versucht, Nüchternheit und Klarheit ins Denken zu bringen, schlägt das Delirium, das die tonangebenden Kreise erfasst hat, in voller Härte zurück und beschimpft, grenzt aus und säubert von allem, was sich dem zeitgeistlichen Tunnelblick in den Weg stellt.
Viel Hoffnung auf eine Änderung der Blickrichtung bleibt da nicht. Wenigstens nicht für die aktuelle Lebenswelt. Wenn es jedoch eine Ahnung geben sollte, dass es wieder besser werden könnte, dann deswegen, weil sich in der Geschichte immer wieder gezeigt hat, dass die Menschen ohne die Wahrheit nicht leben können, weswegen vieles am Ende implodiert, wenn man festgestellt hat, dass die Welt anders aussieht, nachdem man den Rausch ausgeschlafen hat.
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Kommentare
Der Autor versteht es mit einem hintergründigen Humor, Schneisen der Erkenntnis in unsere vom Zeitgeist überrumpelte Gesellschaft zu schlagen. In eine medial abhängige Gesellschaft, die das eigene Denken nicht gelernt hat oder der es wieder abtrainiert worden ist durch den medialen woken Duktus.
Interessant wäre es, vom Autor etwas über die im Raum stehende Frage des Schwangerschaftsabbruchs zu lesen, der der ethisch schiefen Ebene bzgl. Lebensrecht und Menschenwürde zuarbeitet in der Position von Frau Brosius - Gersdorf.
Gruß aus Aachen
Klaus D. Lubjuhn
Das Spiel ist für die Kinder, die Aktion wohl für Päderasten, Messerstecher und anderes Gesocks, die für die Einladung danken.