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Kolumne „Der Philosoph“

Ein neues Ereignis, von Gott gewirkt

Jedes Osterfest lässt aufs Neue überdeutlich werden, was für eine Zumutung das Christentum für den modernen, sich für vernünftig und aufgeklärt haltenden Menschen ist. Denn der Dreh- und Angelpunkt des christlichen Glaubens besteht in einem Ereignis, das die Grenzen der naturwissenschaftlichen Erklärung allem Anschein nach sprengt: in der Auferstehung Jesu Christi.

Diese Auferstehung ist dabei nicht etwa bloß ein Wiederlebendigwerden eines Toten – was allein schon eine Unmöglichkeit für das naturwissenschaftliche Denken darzustellen scheint –, sondern die Verwandlung eines zuvor gefolterten Leichnams in einen glorreichen Leib, der so voller Leben steckt, dass er niemals wieder vergehen kann. Ja, an dieser für so viele Ohren skandalösen Behauptung hängt der gesamte Christenglaube, oder wie es der Apostel Paulus im ersten Brief an die Korinther (15,14) formuliert: „Wenn Christus nicht auferweckt ist, so ist also auch unsere Predigt inhaltslos, inhaltslos aber auch euer Glaube.“

Der für die Moderne typischen Skepsis gegenüber dem österlichen Auferstehungsgeschehen hat vielleicht niemand besser Ausdruck verliehen als der evangelische Theologe Rudolf Bultmann, als er schrieb: „Man kann nicht elektrisches Licht und Radioapparate benutzen, in Krankheitsfällen moderne medizinische und klinische Mittel in Anspruch nehmen und gleichzeitig an die Geister- und Wunderwelt des Neuen Testaments glauben.“ Hat Bultmann mit dieser Einschätzung Recht? Ist unsere heutige, auf dem Siegeszug der modernen Naturwissenschaften basierende Lebensweise unvereinbar mit dem Christentum, ja widerlegt sie den Glauben an die Auferstehung Jesu vielleicht sogar auf performative Art und Weise?

Der Naturalismus ist eine philosophische Position, und zwar eine schlechte

Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass der Glaube an die Auferstehung – so sehr er uns auch vor den Kopf stoßen mag – in Wahrheit höchst vernünftig ist. Dagegen erweist sich die scheinbar so rationale Skepsis eines Bultmann als bloße Vernünftelei, die in einer eigenen Art von Aberglauben gefangen ist. Denn es sind mitnichten die Naturgesetze, die Wunder unmöglich machen. Es ist vielmehr die metaphysische Übersteigerung der Naturwissenschaften zum Naturalismus, vor deren Hintergrund die Möglichkeit göttlicher Wunder von vornherein ausscheidet.

Der Naturalismus ist aber keine naturwissenschaftliche, sondern eine philosophische Position, und zwar eine schlechte. Denn sie behauptet, dass es in Wahrheit nur das gibt, was auch zum Gegenstand der modernen Naturwissenschaften gemacht werden kann. Nicht nur muss der Naturalismus daher die Realität der Moral, des freien Willens und der Schönheit leugnen – nein, er muss, wenn er konsequent sein will, letztlich auch der reinen Mathematik und den Grundgesetzen der Logik seine Anerkennung verweigern. Denn Mathematik und Logik sind geistige Realitäten, die die naturwissenschaftliche Forschung zwar unbedingt voraussetzen muss, die jedoch selbst nicht in den Untersuchungsbereich der Naturwissenschaften fallen. Auf diese Weise zersägt der Naturalismus eigenhändig den Ast, auf dem er sitzt.

Und trotzdem ist der Götze des Naturalismus in der modernen Welt so mächtig geworden, dass ihm selbst jene zu huldigen pflegen, die sich offiziell nie zu ihm bekennen würden. Ich erinnere mich etwa an ein eigentümliches Gespräch, das ich während meiner Promotionszeit mit einem Philosophieprofessor führte, der sich öffentlich gerne als Anti-Naturalist inszenierte. Als ich, damals noch ein Agnostiker, ihm gegenüber die Auferstehung Jesu als eine nicht auszuschließende Möglichkeit bezeichnete, entglitt dem Professor das Gesicht: Mit jemandem, der ernsthaft und in einem nicht-metaphorischen Sinne daran glaube, dass man von den Toten auferstehen könne, mit so jemandem habe er keine gemeinsame Gesprächsgrundlage.

Wunder müssen gar nicht als Verletzung der Naturgesetze verstanden werden

Wenn es aber einmal gelungen ist, aus dem geistigen Gefängnis des Naturalismus auszubrechen, dann kann man sich auch unbefangen der Frage zuwenden, ob nicht gute Gründe dafür sprechen könnten, dass Gott existiert und auch in das Geschehen seiner Schöpfung einzugreifen vermag. Hier ist nicht der Ort, die zahllosen philosophischen Argumente für das Dasein Gottes zu referieren und gegen die nicht minder zahlreichen Einwände zu verteidigen. Der Punkt soll hier nur sein: Wenn es Gott gibt und er mächtig genug ist, die Welt samt ihrer naturgesetzlichen Ordnung zu erschaffen, dann gibt es keinen Grund anzunehmen, dass er nicht auch mächtig genug sein sollte, Wunder zu wirken.

Außerdem müssen Wunder, wie C. S. Lewis gezeigt hat, gar nicht als Störung oder Verletzung der Naturgesetze verstanden werden. Sie sind eher zu begreifen als neue, gottgewirkte Elemente, die Gott in den natürlichen Ablauf der Welt hineinstellt: „Die göttliche Kunst des Wunders besteht nicht darin, die Ordnung aufzuheben, in die die Dinge eingefügt sind, sondern darin, neue Ereignisse in diese Ordnung einzuspeisen.“

Die Jünger fanden das leere Grab und änderten ihr Leben

Was nun das größte Wunder neben der Inkarnation betrifft – die Auferstehung –, so ist wie bei jedem angeblich historischen Ereignis nach der Glaubwürdigkeit der Quellen zu fragen. Entgegen der vor allem von deutschen Theologen des vergangenen Jahrhunderts verbreiteten Skepsis bezüglich der Verlässlichkeit des Neuen Testaments ist die weltweite Spitzenforschung – man lese etwa N. T. Wrights „The Resurrection of the Son of God“ – heute ganz anderer Ansicht: So leugnet im Grund niemand mehr, dass Jesus von Nazareth gekreuzigt wurde, gestorben ist und von einem Mann namens Josef von Arimathäa begraben wurde.

Ebenso wenig lässt sich historisch gesehen ernsthaft bezweifeln, dass Jesu Jünger zwei Tage nach seiner Kreuzigung ein leeres Grab vorfanden und in der Folge zur aufrichtigen, lebensverändernden Überzeugung kamen, dem leibhaftig auferstandenen Christus begegnet zu sein.

Damit steht jeder vernünftige Mensch vor der Frage, wie diese Faktenlage zu erklären ist: Handelt es sich um eine hartnäckige kollektive Halluzination der Jünger, eine geniale Verschwörung (ja, von wem eigentlich und zu welchem Zweck?) – oder trifft doch die direkteste Erklärung zu, nämlich dass Jesus wirklich auferstanden ist? Dieser Frage muss sich stellen, wer noch unentschieden ist. Ich für meinen Teil kann sagen: Je mehr ich mich damit beschäftige, umso mehr bin ich von der Wahrheit des Osterwunders überzeugt, so dass ich auch dieses Jahr wieder in den österlichen Jubel der Kirche einstimmen kann: „Scimus Christum surrexisse a mortuis vere“ – „Wir wissen, dass Christus wahrhaft von den Toten auferstanden ist.“

 

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Kommentare

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Kommentar
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Michael Böhles…
Vor 1 Monat

Wie schon Billy Wilder bemerkte: "Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist." Albert Einstein hat das etwas "um-fassender verpackt", wenn er davon handelt, dass eigentlich nur der Staunende fähig ist auch für die Wahrnehmung von "unerwarteten" Ereignissen; wer „nicht mehr staunen kann, ist sozusagen tot, und seine Augen sind erloschen" - was G. K. Chesterton humorig-ironisch ergänzt: "Die Sache mit den Wundern ist, dass sie tatsächlich passieren."
Also: Frohe + gesegnete Ostern 2024!

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Huber J.
Vor 1 Monat

Gut erklärt! Erfrischend, auch mal was Positives über unseren Glauben zu lesen. Meist wird er und seine Gläubigen nur verächtlich gemacht.

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Gernot Schmidt
Vor 4 Wochen 1 Tag

Im Lichte der Quantenphysik ist die Auferstehung Christi nicht unmöglich.
Rein logisch: meines Wissens ist kein Apostel eines natürlichen Todes gestorben. Nichts wäre logischer, als daß ein Mensch in der Folter eine Lüge zugibt. Das ist aber nie geschehen.

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Michael Böhles…
Vor 1 Monat

Wie schon Billy Wilder bemerkte: "Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist." Albert Einstein hat das etwas "um-fassender verpackt", wenn er davon handelt, dass eigentlich nur der Staunende fähig ist auch für die Wahrnehmung von "unerwarteten" Ereignissen; wer „nicht mehr staunen kann, ist sozusagen tot, und seine Augen sind erloschen" - was G. K. Chesterton humorig-ironisch ergänzt: "Die Sache mit den Wundern ist, dass sie tatsächlich passieren."
Also: Frohe + gesegnete Ostern 2024!

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Andreas Graf
Vor 1 Monat

Naturalisten glauben nur das, was mit den Sinnen erfahrbar und greifbar ist. Die Auferstehung ist durchaus greifbar, nämlich im Turiner Grabtuch. Die Echtheit ist inzwischen wissenschaftlich erwiesen. Nun kann weitergefragt werden. Wie kam der Abdruck, der einem Fotonegativ gleicht, in das Tuch? Jetzt kommen wir in den Bereich des Vorstellbaren, was da passiert sein muss. Hier können Philosophen beweisen, ob sie eine Vorstellungskraft besitzen. Wie sollte Jesus Christus auch im Grab zu finden sein? "Was sucht ihr den Lebendigen bei den Toten?" (Lk 24, 5)

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Huber J.
Vor 1 Monat

Gut erklärt! Erfrischend, auch mal was Positives über unseren Glauben zu lesen. Meist wird er und seine Gläubigen nur verächtlich gemacht.

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Veritas
Vor 1 Monat

Dem Lob schließ ich mich an. Überhaupt finde ich die Kolumnistenreihe von Corrigenda ganz hervorragend. Bitte weiter so!