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Interview mit Birgit Kelle

Spielen die Ampel-Politiker Gott, Frau Kelle?

Ihr aktuelles Buch heißt „Ich kauf mir ein Kind. Das unwürdige Geschäft mit der Leihmutterschaft“. Wie kamen Sie auf dieses Thema?

Das Thema Leihmutterschaft ist mir schon häufig über den Weg gelaufen, da ich seit Jahren sowohl über Frauen-, aber auch über Genderpolitik schreibe. Wenn man das zu Ende denkt, ist es eine logische Konsequenz, dass nach der Forderung einer „Ehe für alle“ nun auch „Kinder für alle“ der nächste Schritt ist.

Stellen Sie sich vor, ich würde mir mit meinem Partner oder meiner Partnerin ein Kind bestellen wollen. Wie gehe ich da vor?

Innerhalb von Deutschland können Sie, Stand jetzt, keine Leihmutter anheuern. Was allerdings kein Hindernis ist, denn Sie können bei ausländischen Agenturen ein Kind bestellen und bezahlen und aus dem Katalog die Leihmutter und die Eizellspenderin bei Bedarf heraussuchen.

Aus welchen Ländern kommen die Leihmütter?

In Europa ist die Ukraine ganz eindeutig das Eldorado. Dort liegt das Zentrum der europäischen Leihmutterschaft, und das Geschäft geht auch übrigens trotz Krieg ungebremst weiter. Das High-End-Geschäft wird in den USA abgewickelt.

Wie viel kostet ein Kind?

In den USA mindestens 100.000 Euro. In der Ukraine bekommen Sie schon für die Hälfte ein Kind, teilweise für noch weniger. Insofern ist es am Ende einfach nur eine Frage des Preises. Die USA sind hier aber der Goldstandard, weil die Besteller in keinem anderen Land einfacher und legaler an eine Geburtsurkunde kommen. In vielen Bundesstaaten ist die Gesetzgebung sehr liberal. Da gibt es Bundesstaaten, da können sich selbst zwei Männer in die Geburtsurkunde als zwei Väter eines Kindes eintragen lassen. Dann gibt es also gar keine Mutter mehr.

„Nicht nur die Leihmutter selbst, sondern auch die Eizellspenderin ist massiv körperlich gefährdet“

Was passiert, wenn ich das Kind gekauft habe und es nicht meinen Erwartungen entspricht? Oder wenn das Kind behindert ist: Was passiert dann?

Dann wird das Kind abgetrieben. Das wird auch vertraglich geregelt. Ich habe mich durch Datenbanken geklickt, weil ich Zugang als vermeintliche Kundin habe, und die Leihmütter listen dort akribisch auf, zu was sie alles bereit sind: Wie viele Embryos sind sie bereit, sich in den Bauch pflanzen zu lassen und unter welchen Bedingungen sind sie bereit zur Abtreibung.

Was sind das für Frauen, die zu Leihmüttern werden? Aus welchen Beweggründen tun sie das?

Man kann sagen, bis auf die USA, werben die Agenturen gezielt Frauen in Not an. Nicht umsonst war der erste Leihmutterschaft-Markt global einst in Indien herangewachsen. Die Inder sind inzwischen zurückgerudert, weil sie sehr, sehr schlechte Erfahrungen gemacht haben. Allerdings sind über 25.000 Kinder aus Indien in die Welt verkauft worden.

Also werden gezielt arme Frauen angesprochen?

Ja. Frauen mit geringem Einkommen und geringer Bildung. Man muss sich vorstellen, für eine ukrainische Mutter, die im Durchschnitt 350 Euro verdient und für ein Kind 10.000 Euro bekommt, ist das astronomisch hoch.

Sie schreiben in Ihrem Buch auch über gesundheitliche Risiken für die Beteiligten.

Nicht nur die Leihmutter selbst, sondern auch die Eizellspenderin ist bereits massiv körperlich gefährdet. Die Frau muss sich einer hormonellen Hyperstimulation unterziehen. Normalerweise kann man in einem Zyklus immer nur ein Ei entnehmen. Damit man mehrere Eier auf einmal „ernten“ kann, wird die Frau mit starken Hormonspritzen vorbereitet, und dann punktiert man ihre Eierstöcke. Bei all diesen Dingen kann unheimlich viel schiefgehen. Gefäßkrankheiten, Bluthochdruck – all diese Dinge bieten bereits extreme Gefahren allein bei der Eizellentnahme.

Und für die Leihmutter?

Die Leihmutter selbst erlebt eine gespaltene Mutterschaft. Das heißt, sie trägt nicht ihre eigene Eizelle aus. Daher muss die Frau ebenfalls hormonell hyperstimuliert werden, damit man den Embryo überhaupt einsetzen kann, denn sie ist ja faktisch nicht schwanger. Also wird sie mit wahren Hormonbomben behandelt, um ihren Körper auf das Kind vorzubereiten. Sie muss allerdings auch eine Menge anderer Medikamente nehmen, von Steroiden über Antibiotika bis hin zu Immunsuppressiva.

Was sind das für Medikamente?

Das sind ähnliche Medikamente, wie Empfänger von Spenderorganen nehmen müssen, denn ihr Körper bekommt ja einen Fremdkörper eingesetzt. Sie ist genetisch mit diesem Kind überhaupt nicht verwandt. Das heißt, ihr Körper will diesen Fremdkörper abstoßen, und um das zu verhindern gibt man ihnen diese starken Medikamente. Und natürlich verschwinden die nicht spurlos aus dem Körper einer Frau, zumal in der Regel mehrere Versuche gemacht werden müssen, bis es dann mal klappt.

Was kann im schlimmsten Fall schiefgehen?

Die größte Gefahr ist die sogenannte Schwangerschaftsvergiftung, das heißt, der Körper lehnt den Embryo ab. Sehr häufig kommt es dann zu einem Abgang.

„Es gibt kein Recht auf Reproduktion“

Welche gesundheitlichen Folgen kann das Ganze für die Kinder selbst haben?

Es ist so, dass es dazu überhaupt gar keine wissenschaftlichen Erkenntnisse gibt. Leihmutterschaft ist ein Experiment am lebenden Herzen der Kinder. Diese neugeborenen Kinder werden unmittelbar nach der Geburt von ihrer Mutter getrennt und werden den Bestellern schon im Kreißsaal übergeben. Es gibt viele Leihmütter, die kriegen das Kind nie zu Gesicht. Wir haben keine Ahnung, was es mit den Kindern machen wird, dass man ihnen zur Geburt die Mutter nimmt und sie mit einem Trennungstrauma belastet.

Zur Person Birgit Kelle

Birgit Kelle, Jahrgang 1975, ist freie Journalistin für verschiedene Print- und Onlinemedien im gesamten deutschsprachigen Raum. Oft tritt sie in Talkshows auf, darunter „Stimmt!“, der Nachrichten-Talk von Niusoder „Talk im Hangar-7“ von ServusTV. Kelle ist Autorin verschiedener Bestseller wie der Feminismus-Kritik „Dann mach doch die Bluse zu“ oder der Genderkritik „Gendergaga“. 2024 erschien ihr neuestes Buch „Ich kauf mir ein Kind. Das unwürdige Geschäft mit der Leihmutterschaft“. Die Katholikin ist Mutter von vier Kindern und setzt sich für den Lebensschutz ein.

Nicht selten werden auch geplante Kaiserschnitte gemacht, um auch die Geburt besser planen zu können, so dass die Besteller aus einem anderen Land rechtzeitig anreisen können, um bei der Geburt auch wirklich da zu sein.

Kommen wir zur Expertenkommission der Bundesregierung, die am Montag ihre Empfehlungen zum Thema „reproduktive Selbstbestimmung“ ausgesprochen hat. Da ging es um Abtreibung, aber auch um Eizellspende und Leihmutterschaft. Daraus möchte ich kurz zitieren: „Die Eizellspenderin ist umfassend und neutral aufzuklären. Sie ist mit jeweils gesundheitsschonenden Verfahren zu behandeln, und sie muss Anspruch auf eine angemessene Aufwandsentschädigung haben. Jegliches Handeln mit Eizellen ist unzulässig.“ Wie passt das zusammen? Aufwandsentschädigung und gleichzeitig den Handel verbieten?

Ja, es passt eben nicht zusammen. Man muss einfach wissen, dass weibliche Eizellen ein unglaublich begehrter Rohstoff der Wissenschaft sind. Die Forscher brauchen dringend menschliches Embryonalmaterial, und sie haben Mühe, dieses zu besorgen. Wenn man junge Frauen gegen Geld zur Eizellspende animiert, dann kann es im schlimmsten Fall bei ihnen zur Unfruchtbarkeit kommen, während sich die Forschung an ihren Eizellen erfreut.

Also ist Ihrer Meinung nach die Aufwandsentschädigung schon der Beginn des Handels und ein erster Schritt in die Richtung?

Ja, selbstverständlich, weil wir sehen, dass Begriffe wie „Aufwandsentschädigung“ auch genutzt werden, um die sogenannte altruistische Leihmutterschaft schönzureden. Auch dort soll ja angeblich kein Geld an die Frau, sondern allerhöchstens eine Aufwandsentschädigung gezahlt werden. In England, wo eben nur diese altruistische Leihmutterschaft erlaubt ist, bedeutet das, dass die Aufwandsentschädigung bis zu 25.000 britische Pfund (mehr als 29.000 Euro) hoch sein kann. Das ist ein Jahresgehalt im Niedriglohnsektor.

Auch zum Thema Leihmutterschaft äußert sich der Abschlussbericht. Hier möchte ich zitieren: „Aus ethischer Sicht können sich die Wunscheltern bei der Entscheidung für eine Leihmutterschaft auf das Prinzip der reproduktiven Selbstbestimmung berufen, verstanden als die Freiheit, eine Familie zu gründen.“ Heißt das, Familie gründen um jeden Preis?

Birgit Kelles neues Buch: „Ich kauf mir ein Kind. Das unwürdige Geschäft mit der Leihmutterschaft“

Ja, natürlich. Dieser Satz alleine ist schon abartig, weil er impliziert, dass es ein Recht gäbe auf Reproduktion, also dass es ein Recht auf ein Kind gäbe. Und mit Verlaub, dieses Recht existiert nicht. Hier wird ein neues Recht erfunden, nämlich für Menschen, die selbst weder irgendwie fähig sind, sich zu reproduzieren, weil sie unfruchtbar oder auch einfach Single sind, oder die in einer Beziehungskonstellation leben, die natürlicherweise schlicht nicht reproduktionsfähig ist. Es ist aber weder Diskriminierung noch Schuld der Gesellschaft, dass sich zwei Männer nicht gegenseitig befruchten können. Es ist schlicht Biologie.

„Man versucht die Biologie und die Natur zu überwinden“

Warum glauben Sie, dass neben der SPD und den Grünen vor allen Dingen auch die FDP bei dem Thema so engagiert ist? Geht es darum, Wählergruppen zu gewinnen?

Es geht, glaube ich, um etwas anderes. Die FDP war schon immer sehr wissenschaftsfreundlich. Ich denke, es kommt bei den Liberalen also tatsächlich eher aus der Richtung der Wissenschaftsfreiheit. Man will ausloten, wie weit man gehen kann. Allerdings glaube ich, dass es durchaus auch einen sehr großen Druck aus der Pharmaindustrie gibt. Man darf nicht unterschätzen, dass die finanziellen Interessen daran, dass Menschen sich nicht mehr natürlich fortpflanzen, sondern auf die Segnungen der Reproduktionsmedizin angewiesen sind, ein riesengroßer Markt sind. Im Moment liegt das globale Geschäft bei 13 Milliarden Euro. Erwartet wird, dass das Geschäft in zehn Jahren bereits bei 130 Milliarden im Jahr angekommen ist.

Aber wenn ich das Thema Selbstbestimmungsgesetz anschaue, wo die FDP auch dafürstimmte, das hat ja mit Wissenschaft eher wenig zu tun.

Das stimmt zwar, aber die FDP ist auch LGBTQ-freundlich. Der grundliberale Gedanke zieht sich bei der Partei im gesellschaftspolitischen Bereich durch. Aber auch der Druck aus der Wirtschaft und aus der Wissenschaft darf nicht unterschätzt werden.

Am vergangenen Freitag hat der Bundestag das Selbstbestimmungsgesetz beschlossen. Was war Ihr erster Gedanke, als Sie Markus Ganserer ohne Perücke, dafür mit Glatzentattoo gesehen haben?

Ich saß nahezu fassungslos da. Nicht wegen eines Markus Ganserer, sondern wie viele Abgeordnete ernsthaft bei diesem Irrenhaus mitmachen. Warum sind eigentlich so wenige in diesem Bundestag, die entschieden „Nein“ sagen? Wenn ich Justizminister wäre, ich würde mich schämen, so einen Gesetzentwurf überhaupt zur Abstimmung freizugeben, weil er auch juristisch so viele Interpretationslücken und offene Fragen hinterlässt. 

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Jeder Abgeordnete ist doch auch Mensch, ist doch auch in Beziehungen. Alle Männer dort haben doch auch Ehefrauen, Schwestern, Töchter, die durch das Gesetz betroffen sind. Da sitzen aber auch viele Frauen und nicken ihre eigene Entmachtung ab und feiern das auch noch als Erfolg.

Ein Mann kann eine Frau sein, ein Homosexueller kann sich ein Kind kaufen, eine Frau kann sich die Eier für später einfrieren lassen. Spielen die Politiker mit dieser übertriebenen Wissenschaftsfreundlichkeit Gott?

Wahrscheinlich. Es ist nicht nur wissenschaftsfreundlich, es ist genau genommen menschenfeindlich. Man versucht, die Biologie und die Natur in den Griff zu bekommen und diese zu überwinden. Ein Mann, der versucht, eine Frau zu sein, versucht die Grenzen seines Körpers durch einen Sprechakt zu überwinden. Die Forschung arbeitet ja auch an künstlichen Uteri. Der feuchte Traum der Reproduktionsmedizin ist es, den weiblichen Körper überhaupt nicht mehr zu benötigen, sondern in einer künstlichen Gebärmutter ein Kind heranreifen zu lassen. Man versucht das bereits mit Mäusen.

Auch bei der Abtreibung möchte die Expertenkommission weiter liberalisieren.

Genau. Hier haben sich die Experten auf eine seltsame Definition geeinigt. Der Embryo soll noch legal abgetrieben werden dürfen, bis er lebensfähig ist. Dann erst will man ihm Menschenwürde zuteilen. Ein Mensch, der im Koma liegt, ist übrigens auch nicht lebensfähig. Jeder Mensch, der sich allein nicht versorgen kann, ist nicht lebensfähig. Mit demselben Argument kann uns allen irgendwann die Menschenwürde wieder genommen werden, wenn wir zum Beispiel auf medizinische Unterstützung angewiesen sind, und sei es nur auf ein Sauerstoffgerät. Ist der Mensch dann noch lebensfähig? Wenn man dem Embryo seine Würde nur unter der Bedingung der Lebensfähigkeit zuspricht, wird man sie den lebenden Menschen irgendwann unter derselben Begründung wieder absprechen – und dann sind wir alle dran.

 

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Kommentare

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Ursula Maad
Vor 7 Monate

Sehr geehrte Frau Kelle,
vielen Dank für Ihre Ausführungen sowie Ihr Buch, das auf dieses schreckliche Thema aufmerksam macht. Ich kann es einfach nicht verstehen, dass Menschen, aber vor allem Frauen so eine Entwicklung zulassen, die viele von ihnen in sklavenähnlichen Zustand treibt. Leihmutterschaft ist Menschenhandel, ist Sklaverei und Unterdrücktheit, für die, die arm sind und sich nicht wehren können vor unseren westeuropäischen, über alles sich erhebenden Anschauungen.

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Anna Hansmann
Vor 1 Monat

Ganz richtig so weit
Aber SIE haben Kinder und blenden die Beweggründe aus. Also eine sehr einseitige Darstellung.

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Anna Hansmann
Vor 1 Monat

Ganz richtig so weit
Aber SIE haben Kinder und blenden die Beweggründe aus. Also eine sehr einseitige Darstellung.

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Ursula Maad
Vor 7 Monate

Sehr geehrte Frau Kelle,
vielen Dank für Ihre Ausführungen sowie Ihr Buch, das auf dieses schreckliche Thema aufmerksam macht. Ich kann es einfach nicht verstehen, dass Menschen, aber vor allem Frauen so eine Entwicklung zulassen, die viele von ihnen in sklavenähnlichen Zustand treibt. Leihmutterschaft ist Menschenhandel, ist Sklaverei und Unterdrücktheit, für die, die arm sind und sich nicht wehren können vor unseren westeuropäischen, über alles sich erhebenden Anschauungen.