Die Krux mit der Distanzierung
Distanzierungen sind im Trend. Es ist erstaunlich, wie Menschen die gesellschaftliche Polarisierung beklagen und sich noch im gleichen Satz von jemandem distanzieren. Analog beklagt ein Großteil den Verlust der Diskursfähigkeit, spricht aber gleichzeitig Gesprächsverbote aus.
Wer sich bis jetzt nicht klar genug distanziert hat, von dem wird es eingefordert. In einem neuen Beitrag der ZDF-Sendung „Die Spur“ versuchen die Macher die gesamte Lebensschutzszene beispielsweise als „rechtsextrem“ zu framen. Die Sendung hat aber Züge einer Pseudo-Erlösung: Nachdem man zur rechtsextremen Kontaktschuld verdammt wurde, hat man die Gelegenheit, per Distanzierung wieder einen Ablass zu erhalten.
Doch das Spiel ist getürkt. Denn distanzieren sollte man sich nur von Inhalten, nie von Begriffen. Wer sich von Begriffen distanziert, über die er keine Deutungshoheit und Definitionsmacht hat, lässt sich nur noch treiben.
Ein Beispiel: Die einflussreiche Politico-Journalistin Heidi Przybyla sagte am Donnerstagabend im US-Fernsehsender MSNBC: „Die eine Sache, die christliche Nationalisten vereint, ist der Glaube, dass unsere Rechte als Menschen von Gott kommen.“
Müssen sich jetzt alle Christen (und Juden), die glauben, dass die unantastbare Menschenwürde jedes Einzelnen aus seiner Gottesebenbildlichkeit stammt, von dieser Überzeugung verabschieden? Oder sollen alternativ alle Menschen sich von Christen, die diese Überzeugung haben, distanzieren?
„Es gibt nur zwei Geschlechter“ kann heute schon „rechtsextrem“ sein
Und in Deutschland? Bei der staatlich finanzierten Meldestelle „Berliner Register“ gilt die Aussage „Es gibt nur zwei Geschlechter“ als rechtsextrem, wie die Neue Zürcher Zeitung unlängst berichtete.
Noch einmal: Wer sich von politischen Schlagwörtern („christlicher Nationalismus“) distanziert, verbeugt sich vor der Deutungshoheit des Zeitgeistes. Distanzierung ist dabei der Spaltung mehr als nur ähnlich – und die Strategie des divide et impera damit vollkommen.
Christen und Lebensschützer sollten sich deswegen von Begriffen wie „rechts“ und seinen meist wenig schmeichelhaften Abwandlungen nicht ins Bockshorn jagen lassen. Entleerte und entkernte Schreckensbegriffe sind wie die wackelnden Werbeluftfiguren, die nur durch kostenintensive Luftpumpen aufrechterhalten werden.
Selbstverständlich kann und sollte man sich abheben und abgrenzen, wenn Inhalte dem (christlichen) Welt- und Menschenbild widersprechen. Aber nicht, weil es jemand auf Zuruf fordert, vielmehr weil es die eigenen Werte und Inhalte gebieten. Gerade wenn die eigenen Argumente besser sind, braucht man sich nicht von und mit Schlagworten abgrenzen – sondern kann auf die Gründe eingehen.
Das kulturproduzierende Lügengebäude ist ein Scheinriese
Spaltpilze versuchen im diskursiven Machtkampf über billige Begriffe die Oberhand zu gewinnen. Deswegen eignen sich Schlagworte nicht im Geringsten für die eigene Standortbestimmung – auch nicht mehr für die Abgrenzung. Das ZDF-Beispiel zeigt: Die Gegner des Lebens und der grundgesetzlichen Menschenwürde sind in den Schaltzentralen der kulturellen Macht. Von dort können sie die gemeinschaftsfinanzierte Infrastruktur gezielt gegen Lebensschützer einsetzen.
Doch das kulturproduzierende Lügengebäude ist ein Scheinriese, ein nackter Kaiser, der immer wieder der Selbstbestätigung bedarf. Tun wir diesem Scheinriesen nicht den Gefallen, indem wir uns einschüchtern lassen und das Distanzierungsspiel mitspielen.
Der deutschsprachige Raum braucht einen kulturellen, diskursiven und politischen Wandel. Das Gemeinwohl, unsere ungeborenen Mitmenschen, aber auch einfach unser jeweiliger Nächster ist eine lebendige Frage, auf die wir eine Antwort, eine Ver-Antwortung finden müssen.
Distanzierungsgratismut gibt es genug. Goethe beschreibt ihn schön, schlägt aber auch gleich eine Alternative vor:
„Entzwei und gebiete! Tüchtig Wort;
Verein und leite! Bessrer Hort.“
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Ein gutes Thema. Die Grünen beherrschen die Techniken der Verschiebung des Overton-Fensters, das Astroturfing und das Framing besonders gut. Bisher haben sie und die Linken hier ihre Trümpfe klar besser gespielt und bei deren Gegnern hat man den Eindruck, dass ihnen gar nicht klar ist, wie wichtig der Kampf um die Worte ist. Allerdings ist es nicht so einfach, die Begriffe zu meiden, die zum Distanzierungsobjekt erklärt werden. Die Begriffe haben in der Debatte eine ähnliche Funktion wie früher die Fahnen im Krieg, sie sollen Orientierung geben. Was man aber machen kann, ist mit Gegenfragen zu antworten, z. B.: „Was genau meinen Sie mit rechts?“
Was soll denn bitte "christlicher Nationalismus" überhaupt sein - außer einer neuen dümmlich-leeren Totschlagvokabel? Den Nationalismus haben wir doch gerade nichtchristlichen Strömungen zu "verdanken". Völker sind Gedanken Gottes und die Liebe zum Vaterland wurde von Kirchenlehrern sehr hoch angesetzt, gehört ja mit zum 4. Gebot. Aber Nationalismus christlich? *kopfschüttel*
Zur ZDF-Rep. ist eine Gegen-Doku produziert worden:
"Das gefährliche Netz der Abtreibungsgegner"? - Ein Faktencheck!
Teil 1: https://www.youtube.com/watch?v=rBswlHmvYwE
Teil 2: https://www.youtube.com/watch?v=xhoPZ48-Ulo
Selbstverständlich ist es notwendig, sich auch von Begriffen zu distanzieren, wenn sie etwa falsch oder diffamierend sind.
Den Begriff „kulturproduzierendes Lügengebäude“ halte ich z.B. für eine undifferenzierte Polemik und distanziere mich damit von ihm, um dem Autor hier nicht die Begriffshoheit zu überlassen.
Auf katholisch.de hat jüngst ein Hochschulpfarrer die Lebensrechtsdemonstrationen als „rechtsextrem dominiert“ diffamiert (vielleicht hatte er allein von einer Propagandasendung des ZDF seine Infos), eine nachweisbar falsche politische Qualifizierung. Davon haben sich zahlreiche Kommentare auf katholisch.de distanziert und dies bemängelt.
Sich allerdings von einer guten Sache zu distanzieren (hier von Lebensrechtsdemonstrationen), weil sie von Gegnern böswillig falsch etikettiert werden, ihnen eine „Kontaktschuld“ vorgeworfen wird, die sich gar nicht gänzlich verhindern lässt, wäre sachlich unbegründet und feige.
Ein gutes Thema. Die Grünen beherrschen die Techniken der Verschiebung des Overton-Fensters, das Astroturfing und das Framing besonders gut. Bisher haben sie und die Linken hier ihre Trümpfe klar besser gespielt und bei deren Gegnern hat man den Eindruck, dass ihnen gar nicht klar ist, wie wichtig der Kampf um die Worte ist. Allerdings ist es nicht so einfach, die Begriffe zu meiden, die zum Distanzierungsobjekt erklärt werden. Die Begriffe haben in der Debatte eine ähnliche Funktion wie früher die Fahnen im Krieg, sie sollen Orientierung geben. Was man aber machen kann, ist mit Gegenfragen zu antworten, z. B.: „Was genau meinen Sie mit rechts?“
Was soll denn bitte "christlicher Nationalismus" überhaupt sein - außer einer neuen dümmlich-leeren Totschlagvokabel? Den Nationalismus haben wir doch gerade nichtchristlichen Strömungen zu "verdanken". Völker sind Gedanken Gottes und die Liebe zum Vaterland wurde von Kirchenlehrern sehr hoch angesetzt, gehört ja mit zum 4. Gebot. Aber Nationalismus christlich? *kopfschüttel*