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Gesellschaft Katholischer Publizisten

Im Modus der Anbiederung

Die traditionsreiche Gesellschaft Katholischer Publizistinnen und Publizisten Deutschlands e. V. (GKP) hat sich dem Anti-AfD-Kurs der Deutschen Bischofskonferenz angeschlossen. Dazu wurde jüngst sogar die Satzung der 1948 auf dem ersten Nachkriegskatholikentag in Mainz gegründeten Gesellschaft geändert. Das gab der Journalistenverband auf seiner Webseite bekannt. Künftig können Mitglieder ausgeschlossen werden, die öffentlich „rassistische“, „antisemitische“ oder „fremdenfeindliche“ Positionen vertreten. Das scheint auf den ersten Blick eine gute Nachricht. Doch der Schein trügt.

Konnten in der Vergangenheit solche Positionen von GKP-Mitgliedern straflos vertreten werden? War die Satzung des katholischen Journalistenverbandes so löchrig, dass offen bekennende Nationalsozialisten darin Mitglied sein konnten? Hoffentlich nicht. Der Verband vollzieht hier nach, was derzeit gesellschaftlich opportun ist. Man distanziert sich von sogenanntem völkischen Nationalismus und zeigt mit dem Finger auf die AfD.

Mal nennt man sie offen, wie Georg Bätzing, Bischof von Limburg, der sich nach eigener Aussage mit Wählern der AfD nicht mehr solidarisch wissen will. Da findet tatsächlich eine Beschimpfung von einem Viertel der Wähler statt – denn so viele bekennen sich inzwischen in Umfragen zur AfD. Ein andermal verklausuliert man es, wie die GKP, die Personen, die öffentlich wahrnehmbar bestimmten Organisationen oder Parteien angehören, künftig ausschließen will.

Als der Hund eines Bundeskanzlers bei „Soz…“ laut bellte

Klingt gut? Nein! Denn auch wenn man sich grün und blau darüber ärgert, die AfD sitzt im Deutschen Bundestag. Sie vertritt dort ein Fünftel der teilnehmenden Wähler, die bei der Bundestagswahl so gestimmt haben (20,8 Prozent). Man darf sich in guter christdemokratischer Tradition sogar darüber ärgern, dass die Sozialdemokraten immer noch zu viele Bundestagsmandate erringen.

In besseren Zeiten unseres Landes lehrte ein deutscher Bundeskanzler seinen Hund bei der Silbe „Soz…“ laut zu bellen. Vermutlich würde das heute unter „Hass und Hetze“ fallen und eine Rüge des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz nach sich ziehen.

„Hartnäckige Anwaltschaft für die Freiheit“ – als die GKP 25 Jahre bestand

Zum 25-jährigen Bestehen der Gesellschaft Katholischer Publizisten (GKP) 1973 lud der damalige Kölner Erzbischof Joseph Kardinal Höffner zu einem Empfang im Erzbischöflichen Haus. Vor mehr als 100 katholischen Publizisten aus dem Westen des geteilten Deutschland unternahm der seinerzeitige Vorsitzende der GKP Hermann Boventer (1928-2001) einen Rückblick auf die Anfänge der Gesellschaft in Köln.

Ziel und Auftrag der GKP war es nach damaligen Leitsätzen, so Boventer in seinem Grußwort unter dem Titel „Hartnäckige Anwaltschaft für die Freiheit“, „den engeren Zusammenschluss der katholischen Publizisten zur Klärung ihrer Berufsanliegen und zur eventuellen Stellungnahme zu den großen Fragen des deutschen Pressewesens“ einzuleiten:

„Die großen Fragen des deutschen Pressewesens damals waren einfach und elementar: Dass man wieder leben und arbeiten durfte, ohne Gestapo-Bespitzelung. Die Luft, die Freiheit hieß, wurde tief eingeatmet.“

Die Diskussion in der Medienpolitik zu Beginn der 70er-Jahre kreiste in den Worten Boventers um „Mitbestimmung, Machtaufteilung und kontrollierende Rätesysteme“ – gleichsam, „als ob die Pressefreiheit eine Angelegenheit von Mehrheitsentscheidungen sei“: „Unter solchen Voraussetzungen werden Leser, Hörer, Zuschauer das ‘Opfer’ der Medien. Diese Medienpolitik übersieht geflissentlich, dass sie sich an der Wirklichkeit des Menschen vorbeimogelt und zuerst diesem Menschen, diesem Bürger zu dienen hat. Das allererste, was stets zu leisten bleibt, ist diese Indienstnahme des journalistischen Handelns für eine sach- und wahrheitsgemäße Unterrichtung der Öffentlichkeit.“

Deutlich verwahrte sich der Vorsitzende gegen „Machtansprüche, die Pressefreiheit zu ‘regeln’“ – dieses Verb, aufgeschnappt auf einem SPD-Landesparteitag, nannte Boventer ein „verräterisches Wort“. Er sehe keinen Weg, wie „klassenkämpferische Stilübungen uns auch nur einen einzigen Schritt weiterbringen“ könnten.

„Denken wir an die Informations- und Meinungsfabriken öffentlich-rechtlicher Anstalten“, mahnte der GKP-Vorsitzende im Jahr 1973. „Die Machtzusammenballungen werden immer größer. Desto hartnäckiger muss unsere Anwaltschaft für die Freiheit ausfallen, gegen die Anmaßung des Staates und der Bürokratie.“

Durch die Pressefreiheit sei der Einzelne gefordert: „Wo ihm der Freiheitsraum seiner persönlichen Verantwortung beschnitten wird, ist es auch um die freie Presse geschehen.“ Den „Blick in die Wirklichkeit“ des Neuanfangs nach dem Krieg vor damals 25 Jahren „könnten wir heute gebrauchen“. (CR)

Schon dies Beispiel mag zeigen, welche Risiken es birgt, Denk- und Sprechverbote zu errichten. Sich dabei solcher Gummibegriffe wie „völkisch“ oder „nationalistisch“ zu bedienen, ist in keiner Weise harmlos. Dies gilt umso mehr in einem gesellschaftlich aufgeheizten Klima, in dem gewöhnliche Bürger für Äußerungen in den sozialen Netzwerken, die regierenden Politikern nicht gefallen, mit Strafverfolgung rechnen müssen.

Ein Merkmal autoritärer Systeme, kritische Äußerungen mit dem Strafrecht zu verfolgen

Inzwischen trifft es auch Journalisten, wie das Bamberger Urteil gegen einen Journalisten zeigt, der ein sicherlich streitbares, aber legitimes Meme von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) veröffentlichte. Es ist nicht schwer, Satire in Wort und Bild als Hass und Hetze zu framen, denn Satire lebt von Bissigkeit. Gleiches gilt für die Glosse oder die Karikatur. Selbstbewusste Demokraten sind indes resilient gegenüber solchem Spott.

Es ist ein Merkmal autoritärer Systeme, kritische Äußerungen mit dem Strafrecht zu verfolgen. Damit dürfen sich Journalisten niemals gemein machen. Ein Beispiel aus der Praxis mag dieses Risiko und seine Folgen veranschaulichen.

Auf X veröffentlichte kürzlich eine Nutzerin einen Hilferuf: Sie hatte Post von der Staatsanwaltschaft bekommen, weil gegen sie ermittelt werde. Ihr wird laut dem Eintrag vorgeworfen, auf X geschrieben zu haben: „Guten Morgen Patrioten, alles für Deutschland!“ Die Parole „Alles für Deutschland“, so die Ermittlungsbehörde, sei von der SA verwendet worden. Ist es Allgemeinwissen, dass dieser Satz eine Parole der SA war und heute verboten ist?

Denn genau das ist der Fall. Der Satz ist nach Paragraf 86 StGB als Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation strafbar, wenn er als Parole verwendet und verbreitet wird. Insofern ist die ermittelnde Staatsanwaltschaft auf der sicheren Seite, und die Ermittlungen sind legal. Soweit die rein formalrechtliche Seite.

Darf man dann als Mitglied der GKP die Ermittlungen kritisieren?

Nehmen wir an, ein Journalist widmet sich der Sache und berichtet in der Einordnung kritisch über diese Ermittlungen. Es ist kaum zu denken, und ein Blick auf das Profil gibt das auch nicht her, dass die X-Userin der SA hinterherweine. Sie mag Deutschland. Sie postet und repostet politisch, das ist an sich lobenswert. Die Verwendung des verbotenen Satzes war mit Sicherheit eine Dummheit. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Die Verhältnismäßigkeit dieser Ermittlungen in Frage zu stellen, scheint dennoch erlaubt, vielleicht sogar geboten. Man könnte nun als Journalist kommentieren, dass die Ermittlungen eine mutmaßlich übertriebene Aktion einer sich leider immer stärker politisierenden Justiz sind. Das ist eine legitime Sichtweise, denn es gibt hinreichend Anzeichen dafür, dass genau dies gerade in unserem Land geschieht.

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Und nun folgt die Gretchenfrage des katholischen Journalismus in Deutschland: Darf man als Mitglied der GKP diese Sichtweise auf diese Ermittlungen äußern? Das Fallbeispiel zeigt, dass ein Journalist sich hier sehr leicht dem Vorwurf aussetzen könnte, völkische oder nationalistische Positionen zu vertreten, die zum Ausschluss aus der GKP berechtigen würden: Immerhin relativiert man kommentierend die Verwendung einer SA-Parole!

„Ein guter Teil der politischen Fragestellungen sind komplexer Natur“

Was die GKP unter Vorsitz des Journalisten Joachim Frank (Frank ist Mitglied der Chefredaktion beim Kölner Stadt-Anzeiger) da treibt, ist ein gefährliches Spiel mit dem Feuer. Die Demokratie braucht die Debatte und muss die ganze Bandbreite des politischen Spektrums abdecken. Die Allgemeinheit muss neben der AfD auch die Erben der Mauerschützenpartei SED im Deutschen Bundestag ertragen.

Das gehört zu einer lebendigen Demokratie. So ist es im Übrigen auch Lehre der Kirche, die, seitdem sie die Demokratie als legitime Staatsform anerkannt hat, diese auch mit Mitteln der katholischen Soziallehre beleuchtet und untermauert. Die Kirche stellt demokratietheoretisch klar, dass „ein guter Teil der politischen Fragestellungen komplexer Natur sind“.

Dies erkläre, so sagt die „Lehrmäßige Note zu einigen Fragen über den Einsatz und das Verhalten der Katholiken im politischen Leben“ (Kongregation für die Glaubenslehre, 2002), „weshalb es im Allgemeinen mehrere Parteien gibt, in denen die Katholiken aktiv mitarbeiten können, um – insbesondere durch die parlamentarische Vertretung – ihr Recht und ihre Pflicht beim Aufbau der Gesellschaft ihres Landes auszuüben“.

Maßgeblich ist die christliche Moral- und Soziallehre

Natürlich schließt die Note einen „unterschiedslosen Pluralismus in der Wahl der moralischen Prinzipien und Grundwerte“ eindeutig aus. Sie verpflichtet Katholiken in der Politik auf die christliche Moral- und Soziallehre. Das ist der Maßstab, der zu gelten hat. Das wäre es auch, woran sich eine Gesellschaft katholischer Publizisten zu orientieren hätte.

Wer sich als katholischer Journalist und Autor die Sichtweise des Lehramtes der Kirche zum Maßstab macht, wird hinreichend gerüstet sein, auch über die AfD, wie über jede andere politische Kraft im Land, angemessen kritisch zu berichten. Die Notwendigkeit, dies ohne ideologische Scheuklappen und rein der Vernunft folgend zu tun, war selten größer als in unseren Tagen.

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