Direkt zum Inhalt
Der Stil deutscher Spitzenpolitikerinnen

Modisch oder nicht modisch, das ist hier die Frage

Hosenanzug? Auf keinen Fall. Noch Anfang der 1970er Jahre wurden Frauen schräg angeschaut, die im Deutschen Bundestag Hosenanzüge trugen. Das Argument: zu männlich. Also musste man im Kostüm kommen. Heute tragen Politikerinnen ganz selbstverständlich Hosenanzug, vor allem die, die sich von modischen Experimenten fernhalten wollen. Ja, damit steht man auf der sicheren Seite, aber es geht auch anders. 

Gerade zwei CDU-Politikerinnen fallen aktuell damit auf, kein graues Blazer-Mäuschen sein zu wollen. Julia Klöckner mag stilvolle Kleider und knallige Farben, Dorothee Bär setzt auf unkonventionelle Dirndl und stylische Leder-Outfits. Die SPD-Frauen halten sich lieber, erstaunlich konservativ, am Blazer fest, der leider nicht immer gut sitzt und bisweilen Beerdigungs-Vibes ausstrahlt. Linken-Politikerin Heidi Reichinnek kopiert den Berliner Street-Style, um möglichst viel gewollte Nachlässigkeit auszustrahlen. 

Inhaltsverzeichnis

Julia Klöckner

Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) bei der CHIO Aachen Media Night

Der aus der Modewelt bekannte Begriff Vintage hat woher seinen Ursprung? Das könnte eine typische Quizfrage sein, die Jörg Pilawa seinen Kandidaten stellt. Der bekannte Moderator ist gerade schwer verliebt, und seit August 2025 wissen wir alle, dass Julia Klöckner seine Auserwählte ist. Die übrigens müsste wissen, dass Vintage so viel wie Jahrgang oder Weinlese bedeutet und besonders alte und ausgesuchte Weine bezeichnet. Schließlich ist die Bundestagspräsidentin ehemalige Weinkönigin. Und außerdem modisch versiert. Entertainer Harald Schmidt nannte sie neulich sogar „die wahrscheinlich modebewussteste Frau im Deutschen Bundestag“. 

Im Vintage-Look kleidet sie sich allerdings nicht, denn das würde bedeuten, Kleidungsstücke zu wählen, die bereits gebraucht sind. Aber auch der typische Blazer-Look, der unter ihren CDU-Kolleginnen besonders beliebt ist, ist nicht ihr Fall. Zwar hatte sie mal in den 90er-Jahren eine Blazerphase, doch inzwischen betont Klöckner gerne ihre Weiblichkeit mit farbigen Kleidern, oft eng anliegend, teilweise mit Mustern oder in floraler Optik. Nie kitschig, häufig mit einer gewissen Glamour-Note. 

Alles, was die in ihrem Amt zweithöchste Politikerin in Deutschland trägt, sieht gut durchdacht aus, sie weiß genau, was ihr steht. Das vermittelt den Eindruck, dass sie mit sich im Reinen ist und es ihr an Selbstbewusstsein wahrlich nicht mangelt. Besonders begeisterte Klöckner bei den Nibelungenfestspielen in Worms als sie in einem raffiniert gewickelten Kleid in intensivem Pink auftrat; da wehte sogar ein gewisser Hauch von Hollywood in die deutsche Politikszene hinein. 

Bärbel Bas

Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) bei der Ankunft zur Kabinettsklausur Ende September 2025 in der Villa Borsig in Berlin

Während Alice weiterhin im Wunderland unterwegs ist, treibt sich Bärbel wohl im Blazerland herum. Vielleicht züchtet die Bundesministerin für Arbeit und Soziales auch ihre Blazer selbst. Es sind auf jeden Fall viel zu viele, noch dazu könnten sie besser sitzen. Dort und da spannen sie, sind zu lang oder zu weit, was sie schnell unförmig aussehen lässt. Nach Maß genäht sind sie augenscheinlich nicht. Wie das geht, lässt sich allerdings nicht von ihren SPD-Kolleginnen lernen, denn die treten ebenfalls nicht selten in wenig geglückten Blazer-Varianten auf. Nachhilfe müsste sie da schon von Christian Lindner nehmen, ausgerechnet einem FDP-Mann, der in seinen Anzügen immer tadellos daherkommt. 

Die Bas-Blazer sind übrigens oft rot, was ebenfalls für eine SPD-Frau nicht gerade eine originelle Ansage ist. Apropos. Was überhaupt will Bas uns mit ihrem Stil sagen? Dass sie für Innovation und Wagemut nicht zu haben ist? Dass wir vergessen können, dass jemals noch ein Ruck durch unser Land geht? Eine Randnotiz: Als Bas noch das Amt der Bundestagspräsidentin bekleidete, ließ sie sich ihr Styling von Steuergeldern gut bezahlen. Alleine im Jahr 2022 gingen satte 13.270 Euro für Visagisten und Kosmetiker drauf. Ein Posten, der definitiv auf die Liste verschwendeter Steuergelder gehört.

Dorothee Bär

Die damalige Digitalministerin Dorothee Bär mit dem damaligen Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (beide CSU) bei der Verleihung des Deutschen Computerspielpreises 2019

Ist in Zusammenhang mit Dorothee Bär von Mode die Rede, dann ist an ihrem extravaganten Look, den sie bei der Verleihung des Computerspielpreises 2019 trug, kein Vorbeikommen. Also bringen wir es erstmal hinter uns. Damals noch Digitalministerin, trug Bär ein teilweise pinkes, teilweise irisierendes Bustierkleid aus Leder, das mit mehreren Gürtelschnallen besetzt war. Kenner wussten sofort, dass Marina Hoermanseder die Designerin sein musste, die typischerweise gerne mit Variationen von Gürteln arbeitet. Das Outfit wurde viel kritisiert, was wiederum Bär überraschte, die in einem RTL-Interview dazu sagte: „Ich fand es übertrieben. Ich hätte nicht gedacht, dass man im Jahr 2019 damit für Aufsehen sorgen kann.“

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel ergänzt und von der Redaktion empfohlen wird. 

Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Modisch lässt sich die heutige Ministerin für Forschung, Technologie und Raumfahrt weiterhin gerne von Hoermanseder einkleiden und besucht auch deren Fashion-Shows. Doch festgelegt ist die CDU-Politikerin darauf nicht. Mal trägt sie Leo-Print, mal Röcke im 50er-Jahre Stil, mal seitlich geschlitzte Kleider, oft Leder, oft High Heels. Von wegen konservativ! Sie ist die in Sachen Mode wohl experimentierfreudigste Frau im Kabinett Merz. Und wer etwas wagt, muss auch damit rechnen, dass es schief geht. Das rosafarbene Dirndl mit transparenter Trachtenbluse und tiefem Dekolletee, das sie neulich zu einer Kabinettssitzung trug, ist als eher missglückt einzuordnen. Und schade, dass Bär frisurtechnisch so gar nichts wagt. Das macht manchen Looks einen Strich durch die Rechnung. Bär forderte übrigens, dass „alle weiblichen CSU-Minister im Bundestag Dirndl tragen sollten, und zwar täglich“. Das allerdings stellte sich als Aprilscherz heraus.

Katherina Reiche

Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) bei der Kabinettsklausur Ende September in Berlin

Die Ernennung der ehemaligen Energiekonzern-Managerin Katherina Reiche zur Bundeswirtschaftsministerin gehörte sicher zu den großen Überraschungen im Kabinett Merz. Eine nächste Überraschung: Im April bestätigte sie offiziell ihre Partnerschaft mit Karl-Theodor zu Guttenberg – die beiden waren erstmals an Silvester 2023 in Kitzbühel zusammen gesichtet worden. In modischen Angelegenheiten gibt es hingegen bei der CDU-Politikerin keine Überraschung, keine einzige. Blazer und Hosenanzug, das Übliche eben. Immerhin entscheidet sie sich bisweilen für knalliges Rot. So sah man sie beispielsweise bei der Kabinettsklausur ab dem 30. September 2025 in einem schicken, strahlend roten Hosenanzug, der ihren Typ vorteilhaft unterstrich. Und der, was bei Ministerinnen keine Selbstverständlichkeit ist, tadellos saß.

› Abonnieren Sie den Corrigenda-Newsletter und erhalten Sie einmal wöchentlich die relevantesten Recherchen und Meinungsbeiträge

Für die Tagung hatte sie zwei Paar Schuhe mitgebracht, schwarze Pumps und dunkelrote Samtslipper. Ein Hingucker sind ihre gut durchtrainierten Arme, die sie allerdings nur auf Abendveranstaltungen zur Geltung bringen kann. Im Politik-Alltag ist ärmelloses Outfit nicht sehr angebracht, was in vielen anderen Fällen sicher nicht zu bedauern ist.

Heidi Reichinnek

Fraktionschefin der Linkspartei im Bundestag, Heidi Reichinnek: Hauptsache, nicht elegant

Kapitalismus ist böse, zumindest im Heidi-Reichinnek-Kosmos. Daher sind Markenklamotten schon mal tabu. Bloß nicht schick, bloß nicht elegant, auch das ist die goldene Regel der Linken-Politikerin. Dem ersten Eindruck nach würde man vermuten, dass sie in einem Berliner Kinderladen der siebziger Jahre als Erzieherin arbeitet. Ihren Look hat man zwar im Bundestag nicht schon hundertmal gesehen, aber auf den Straßen der Hauptstadt sieht man ihn Tag für Tag, und das gefühlt seit Ewigkeiten.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel ergänzt und von der Redaktion empfohlen wird. 

Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Wichtigstes Kriterium: Alles soll nach Laisser-faire aussehen, so als hätte man sich überhaupt keine Mühe gegeben und einfach zufällig zwei, drei Kleidungsstücke aus dem Schrank gezerrt – dass allerdings diese Beiläufigkeit oft gut überlegt ist, darf keiner wissen. Nach Kleidern stöbert Reichinnek gewiss auch in Vintage-Boutiquen. Zumindest wirken die Kleider leicht verwaschen, die ausgewählten Farben sind matt und stumpf. Was vielleicht auch eine Referenz an den Kommunismus ist. Der knallrote Lippenstift erinnert an Elfriede Jelinek, der Pony ist aus der Kategorie „Problempony“, die Hosen kennt man von Hardcore-Feministinnen. Besonders wichtig: Kurzarm-Outfits, um die zahlreichen Tattoos zu präsentieren – eines davon zeigt ihre große Heldin Rosa Luxemburg.

Reem Alabali Radovan

Entwicklungsministerin Reem Alabali Radovan: Meist in klassischem Existenzialisten-Schwarz

Ob sie wohl gegen Farben allergisch ist? Bei vielen Auftritten sieht man die Bundesentwicklungsministerin in klassischem Existenzialisten-Schwarz. Das ist unbezweifelbar seriös, strahlt aber auch bisweilen Beerdigungs-Vibes aus. Auch für Grau ist die SPD-Politikerin einigermaßen offen, ein Grau, das Loriot wohl als „ganz frisches Steingrau“ bezeichnet hätte. Auf der helleren Skala ist Beige ihr Favorit, also die Farbe, die Deutsche gern für ihre Wohnzimmercouch aussuchen. 

Aber halt! Da war doch mal dieses rotweißgestreifte Strickjäckchen – ein seltener Ausrutscher, fast schon gewagt im Verhältnis zum sonstigen Look. Nein, sie macht nichts falsch, so gehen Millionen Menschen täglich in ihr Büro oder zum Vorstellungsgespräch. Mit ihrer Kleiderwahl sendet Alabali Radovan die Botschaft, möglichst auf der sicheren Seite bleiben zu wollen. Das Frauenbild der SPD ist auf jeden Fall kein mutiges, man denke an Saskia Esken und Bärbel Bas. Psychologisch ist der Stil allerdings verständlich: Im Chaos des politischen Weltgeschehens kann ein schwarzer Blazer vielleicht einen gewissen Halt geben. Interessant: Die in Russland und Mecklenburg aufgewachsene Politikerin ist Hobby-Boxerin. Inoffiziell wird also der schwarze Blazer auch mal gegen ein Sportshirt ausgetauscht.

› Folgen Sie uns schon auf Instagram und LinkedIn?

4
2

2
Kommentare

Kommentare