Melonis Gegenschlag: Italien stoppt frühe Sexualkunde
Italien scheut die sexuelle Aufklärung – mit der Überschrift titelte ein Beitrag der Deutschen Welle schon vor zwei Jahren. Jüngst sah ein Medium aus dem LGBTQ-Spektrum sogar Italien wieder „zurück im Mittelalter“. Die teutonische Verwunderung ist berechtigt: Während konservative und christliche Familie sich damit konfrontiert sehen, dass Sexualaufklärung nicht nur in der Grundschule, sondern sogar schon im Kindergarten anfangen soll, bleibt das Thema in Italien reichlich unbeackert. Die italienische Prüderie und Abneigung gegen jeden erotischen Reiz sind schließlich weltweit bekannt.
Tatsächlich gibt es in Italien bis heute keinen landesweit verpflichtenden Sexualkunde-Unterricht, und trotz mehrfacher Vorstöße hat sich daran bis heute wenig geändert. Wie sehr allerdings die italienische Linke versucht, das im restlichen Westen verbreitete Modell auch auf der katholischen Halbinsel zu verbreiten, zeigt der Vorstoß von Silvia Salis in Genua.
Die Bürgermeisterin will ab 2026 Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren mit Sexual- und Beziehungsbildung endlich ins 21. Jahrhundert katapultieren. Salis sagt: „Es ist unmöglich zu glauben, dass es keinen Bedarf an sexueller Bildung gibt: Diese Themen zu delegitimieren ist eine Form von Gewalt, die bekämpft werden muss.“
Salis ist eine parteilose Politikerin, wurde aber vom sozialdemokratischen Partito Democratico und den alternativen Linken vom Movimento 5 Stelle und kleineren liberalen Parteien bei der Wahl unterstützt. Sie bezeichnet sich als Feministin. Die ehemalige italienische Spitzensportlerin gilt einigen Linken als mögliche „Anti-Meloni“, obwohl sie keine Verflechtungen in den Parteikadern besitzt.
Das Misstrauen gegen den Staat reicht bis ins linke Lager
Für einen kurzen Aufmerksamkeitseffekt sorgte die Meldung dennoch – sie schaffte es sogar ins ZDF. Der Fall zeigt jedoch, dass es hier nicht um einen reinen Kulturkampf von rechter Seite geht – er wird seit Jahren von Links geführt, teils mit der Parole, auch Sexualerziehung sei ein Menschenrecht. Wie bei der Homo-Ehe und anderen progressiven Projekten stehen dabei aber nicht so sehr Giorgia Meloni und ihre Fratelli d’Italia, denn die italienische Gesellschaft im Weg. Was als Kampf gegen Aufklärung oder gar „Gewalt“ formuliert wird, ist vielmehr das übliche Misstrauen der Italiener, wenn der Staat in Angelegenheiten eingreifen will, die familiär konnotiert sind. Das gilt nicht nur für konservative Eltern.
Das hat sich erst in jüngster Vergangenheit gezeigt. Die „Legge Zan“ war ein italienischer Gesetzentwurf, der darauf abzielte, Diskriminierung und Gewalt aufgrund von Geschlecht, sexueller Orientierung, Geschlechtsidentität und Behinderung zu bekämpfen. Obwohl der Gesetzentwurf, eine „Light-Form“ des deutschen Selbstbestimmungsgesetzes die Abgeordnetenkammer bereits im Herbst 2020 passierte, scheiterte der Entwurf 2021 im Senat.
Der Gesetzesentwurf war nicht nur von der rechten Politik vehement attackiert worden. Als es um das Thema „Geschlechtsidentität“ ging, waren selbst Abgeordnete vom linken Partito Democratico und von Renzis liberaler Bewegung Italia Viva skeptisch geworden. Anders als in den USA oder Deutschland sind die Vorbehalte weiterhin groß, selbst bis in die politische Linke hinein.
Eine Präventivmaßnahme der Konservativen
In diesem Zusammenhang ist der Vorstoß der Mitte-Rechts-Regierung zu sehen. Melonis Kabinett will mit dem Gesetzentwurf, der jüngst in der Abgeordnetenkammer verabschiedet wurde, den Entwicklungen „präventiv“ zuvorkommen. Bildungsminister Giuseppe Valditara, der Matteo Salvinis Lega angehört, sprach davon, die Kinder vor „Indoktrination“ schützen zu wollen. Ihnen dürften keine Gendertheorien aufgedrückt werden.
Sexualkundeunterricht an Kindergärten und Grundschulen wird nicht stattfinden. Ab der Mittelschule nehmen die Schüler teil – wenn eine schriftliche Zustimmung der Eltern vorliegt. Die italienische Ministerpräsidentin stellt klar: „Die Familie bleibt der wichtigste Ort für die Erziehung von Kindern.“
› Abonnieren Sie den Corrigenda-Newsletter und erhalten Sie einmal wöchentlich die relevantesten Recherchen und Meinungsbeiträge
Noch ist das Gesetz nicht final beschlossen – die Zustimmung im Senat scheint aber sicher. Neben erwartbaren Reaktionen der Opposition („Angst vor Sex“) und moralischer Belehrung aus dem Ausland gibt es auch Kritik aus Fachkreisen.
Eine Spitzenfunktion nimmt hier die Provinz Südtirol ein, wo derzeit Sexualkundeunterricht ab der fünften Grundschulklasse besteht. Hubert Fischer, Präsident der Plattform Sexualpädagogik Südtirol, warnte davor, dass ohne schulische Betreuung die Herausforderungen des Internets kaum zu meistern seien. Sehr jung schon sähen sie Dinge, die sie kaum verarbeiten könnten. „Ich frage mich: Wo nehmen dann die Kinder die Informationen her?“, so Fischer weiter. Der Bildungslandesrat Philipp Achammer von der Südtiroler Volkspartei deutete an, Spielräume zu nutzen, um die bisherige Praxis fortzuführen. Ob Südtirols Schulautonomie stark genug wäre, um einen anderen Weg zu gehen, sei noch nicht klar.
„Ein Rollback zum Wohl der Kinder und Familien“
Für Deutschland, das aufgrund der von den Grünen betriebenen Sexualpolitik solche Diskussionen gar nicht mehr gewöhnt ist, kommen solche Entwicklungen wie aus einer anderen Welt. Wie auch bei anderen Politikthemen sind Gesetze und Ideologie fest eingemeißelt und unumkehrbar.
Das italienische Beispiel ist deswegen gefährlich, weil Gesellschaftspolitik offenbar keine Einbahnstraße kennt. Ob der römische Kurs nur ein Verzögern, oder tatsächliche Umkehr ist, wird sich dabei erst in den Folgejahren zeigen – insbesondere aufgrund des „Genuesischen Experiments“, das Nachahmer finden könnte.
Für den Moment handelt es sich jedoch um eine bemerkenswerte Wende in einem großen europäischen Land – und eines, das auf dem Kontinent wahrgenommen wird. Hedwig von Beverfoerde, Sprecherin der Sprecherin der Familienrechtsorganisation DemoFürAlle, sieht in Melonis Gesetzesentwurf sogar ein „Rollback zum Wohl der Kinder und Familien“. Gegenüber Corrigenda sagt sie:
„Die Meloni-Regierung übernimmt damit eine wichtige Vorreiterrolle in Europa gegen die himmelschreiende Sexualisierung und Geschlechtsverwirrung von kleinen Kindern in Kindergärten und Grundschulen.“
Was sich in Europa unter dem Deckmantel von Sexualerziehung und Missbrauchsprävention in zahlreichen Betreuungs- und Bildungseinrichtungen ohne Zustimmung von Eltern abspiele, sei nämlich in Wirklichkeit „nicht nur frühkindliche Indoktrination mit der Gender-Ideologie sondern staatlich organisierter Kindesmissbrauch im ganz großen Stil“, erklärte Beverfoerde weiter.
Auch die Hinweise der Opposition und von Experten auf die WHO seien problematisch. „Die Gegner dieser Korrektur sind schlecht beraten, wenn sie sich auf die ‘WHO-Standards für Sexualerziehung in Europa’ berufen, da eine augenöffnende Studie (PDF) von 2024 im Quellenverzeichnis der Standards eine Reihe pädophiler Hintermänner nachgewiesen hat – ein WHO-Skandal, der dringend einer breiten Öffentlichkeit bekannt werden muss und Konsequenzen verlangt.“
Kommentare
Mehr Meloni wagen ...! ;-)
Ich selbst hatte wirklich guten „Sexualkundeunterricht“. Allerdings fand der erst im Gymnasium statt ... und die beiden staatlichen Biologielehrer (m/w) waren, wie mir später klar wurde, gläubige Katholiken. :-)
Hierbei hat Frau Meloni wirklich mal etwas sehr gut gemacht. Dabei sind schon die von den Zerstörern der Kinderseelen benutzten Begriffe wie „Sexualaufklärung“ oder „sexuelle Bildung“ eine schlimme Verschleierung und Verharmlosung dieser frevelhaften Manipulation der Kleinsten.