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Interview mit Psychotherapeutin Ingeborg Kraus

„Die CDU hat momentan ein viel feministischeres Programm als die Grünen“

Ingeborg Kraus kann man als Enfant terrible unter den Parteimitgliedern der Grünen bezeichnen. Die promovierte Psychologin kritisiert die Haltung ihrer Partei zu Prostitution, Leihmutterschaft und dem jüngst von der Ampel-Regierung verabschiedeten Selbstbestimmungsgesetz scharf. Am 14. April, zwei Tage nach Bekanntgabe des neuen Gesetzes, stellte sie ihren Essay „Warum ich das Selbstbestimmungsgesetz als Psychotherapeutin gänzlich ablehne!“ ins Netz, der unerwartet eine große Reichweite auf „X“ (vormals Twitter) erzielte. 

Im Gespräch mit Corrigenda erklärt die Psychotherapeutin aus Karlsruhe, die sich entschieden als „links“ bezeichnet, warum ihrer Ansicht nach die Grünen in Deutschland unreflektiert sind und an Niveau verloren haben, wie echte Frauenpolitik aussehen sollte und welche Erfahrungen sie mit Transgender-Klienten gemacht hat.

Frau Kraus, Sie setzen sich für ein Sexkauf-Verbot ein, sind gegen Leihmutterschaft und das neue Selbstbestimmungsgesetz – würden Sie sich trotzdem als „links“ bezeichnen?

Ja, ich bin links, aber die Frauenpolitik, die linke Parteien in Deutschland momentan betreiben, ist nicht links. Das hat sich in den letzten 20 Jahren drastisch verändert.

Warum sind Sie der Meinung, dass die linken Parteien, die im Bundestag vertreten sind – SPD, Linke, Grüne, BSW – derzeit keine linke Politik machen?

Linke Politik bedeutet, dass man Minderheiten schützt, dass man sie vor Ausbeutung schützt. Linke Politik bedeutet, dass man die Situation richtig analysiert, ausbeuterische Systeme mit all ihren Schlupflöchern richtig erkennt. Links steht für Aufklärung. Das wird momentan nicht betrieben. In der Debatte um das Selbstbestimmungsgesetz wurde von SPD und Grünen mit Thesen argumentiert, die völlig unwissenschaftlich und falsch sind. 

Beim Thema Prostitution wissen wir mittlerweile, dass 95 Prozent der Frauen in Prostitution das nicht freiwillig machen, die Mehrheit sogar Opfer von Menschenhandel ist. Das wird von linken Parteien als freiwillige Prostitution verkauft, als Selbstbestimmung. Aber dahinter steckt gnadenlose Ausbeutung, da machen sich auf dem Rücken der Frauenkörper ein paar Männer reich. Das ist keine linke Politik, das ist neoliberale Politik. In so einem System herrscht das Recht des Stärkeren. Frauen mit spezifischen Vulnerabilitäten (z.B. Vortraumatisierung, Migration, Armut) werden nicht geschützt. Durch das Prostituiertenschutzgesetz werden diese Frauen brutalen Ausbeutern zum Fraß vorgeworfen.

„Was die Grünen betreiben, ist niveaulos“

Aber gerade die Grünen schreiben sich doch den Minderheitenschutz groß auf die Fahnen.

Das ist falsch. Die Grünen machen keine tiefreichenden Analysen. Ich habe meine Doktorarbeit in Frankreich gemacht. Die Mehrheit der Professoren und Professorinnen dort war links, aber da ist der akademische Anspruch sehr hoch. Nicht alles geht durch. Man muss die Sachen richtig gut analysieren. Was hingegen die Grünen betreiben, ist niveaulos. Ich habe mir die Diskussion im Parlament angehört, als die CDU das Nordische Modell eingebracht hat. Die linken Parteien haben alle die Mythen der Zuhälter und Menschenhändler einfach so übernommen und wiederholt, völlig unreflektiert. Wie kann es sein, dass man nach 20 Jahren nichts dazugelernt hat? Die traurige Realität ihrer Borniertheit ist aber, dass tausende Frauen täglich in der Prostitution dafür büßen müssen und sexuelle Gewalt erleben.

Warum ist das so?

Es ist so eine komische Ideologie geworden, und es hat auch an Niveau verloren. Wissen Sie, die ersten grünen Frauen, zum Beispiel Petra Kelly – wegen denen bin ich noch in der Partei –, haben gelesen, die haben sich richtig Gedanken gemacht über die Sachen. Das findet nicht mehr statt. Es gibt eine Verdummung in der Gesellschaft, aber auch in der Politik. Das ist niveaulos. 

Wie kann es sein, dass die SPD-Bundestagsabgeordnete Anke Hennig in der Debatte um das Selbstbestimmungsgesetz das Beispiel eines sechsjährigen Jungen einbringt, der denkt ein Mädchen zu sein, und dem nun durch das Selbstbestimmungsgesetz unkritisch nachgehen kann? In Frankreich würden Parlamentarier nur den Kopf schütteln, da man weiß, dass Kinder nicht die weitreichenden Folgen so einer Entscheidung ermessen können. Das ist kein Kinderschutz, sondern Kindeswohlgefährdung, die hier Frau Hennig als Beispiel eingebracht hat.

Jede Partei hat ein weltanschauliches Fundament. Was ist denn die Weltanschauung der Grünen, abgesehen von Umwelt- und Klimaschutz?

Was man ihnen schon zuschreiben kann, ist, dass sie eine Zukunftsperspektive haben. Sie stehen für Klimaschutz, fordern Reduktion von CO2 von der Industrie. Aber auch der individuelle Mensch soll sein Verhalten verändern. Das ist alles in Ordnung. Die Grünen haben erkannt, dass wir nicht Freiheit und Wachstum ohne Ende propagieren können, denn Freiheit, die den Planeten zerstört, ist am Ende keine Freiheit mehr, nicht für die Zukunft. Da, finde ich, machen sie das Richtige. Aber was ihre feministische Politik angeht, da machen sie genau das Gegenteil von dem, was sie beim Thema Umweltschutz machen. Da propagieren sie Freiheit ohne Grenzen. Sie schützen die Frau nicht vor Ausbeutung, nicht im Prostituiertenschutzgesetz, nicht im Selbstbestimmungsgesetz, nicht beim Haschisch-Konsum. Jetzt wollen sie weitergehen und eine „altruistische Leihmutterschaft“ umsetzen. Das stimmt doch nicht! Keine Frau gebärt ein Kind freiwillig oder aus altruistischen Gründen für jemand anderes. Das wird den Menschenhandel und die Ausbeutung der vulnerabelsten Frauen wieder ankurbeln.

„Man muss Frauen vor Prostitution schützen“

Kann es sein, dass das vielleicht damit zu tun hat, dass, wenn die Grünen ihre Positionen in Bereichen wie Prostitution, Selbstbestimmungsgesetz oder Leihmutterschaft revidieren würden, sie sich eigentlich angleichen an Positionen, die die CDU oder auch die AfD vertreten?

Bei der AfD ist es sicherlich nicht der Fall, da diese Partei zwar Frauen in ihrer Führung zulässt, jedoch in ihrem Programm die Frauen in sehr traditionellen Rollen sieht und Spitzenpolitiker auch sehr frauenfeindliche Gesinnungen vertreten. Ich finde aber, dass die CDU momentan ein viel feministischeres Programm hat als die Grünen.

Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?

Ich habe mir ihre Reden angehört, als es um das Prostitutionsgesetz ging, und habe mir gedacht: Die haben das verstanden. Sie bezeichnen Prostitution dort als klassistisch, rassistisch und sexistisch. Das sind doch linke Begriffe! Eigentlich müsste das aus dem Mund der Grünen kommen und dem der anderen linken Parteien.

Die Union vertritt das Nordische Modell, also ein Verbot von Sexkauf.

Ja, das schützt die Frauen vor Prostitution. Das ist auch ein Satz, den Dorothee Bär (CSU) ausgesprochen hat, und der ist richtig: Man muss Frauen vor Prostitution schützen und nicht die Prostitution liberalisieren.

Warum sind Sie vor 20 Jahren bei den Grünen eingetreten?

Ich bin schon als Kind in eine französische Schule gegangen, habe dann in Frankreich studiert und promoviert. Meine eigentliche Partei sind die Sozialisten in Frankreich, also das Äquivalent von SPD in Frankreich. Aber die SPD hat mit denen überhaupt nichts zu tun. Welche Partei damals vor 20 Jahren am ehesten den linken Franzosen geglichen hat, waren die Grünen. Das war meine Motivation. Das war die einzige Partei in Deutschland, die ein ähnliches Gedankengut hatte.

Warum treten Sie nicht aus der Partei aus, wenn Sie so unzufrieden mit ihr sind?

Klima- und Artenschutz ist mir auch ein sehr wichtiges Anliegen. Ich sehe keine andere Partei, die diese Themen so ernst nimmt wie die Grünen. Aber in der Tat, und so geht es nicht nur mir, frage ich mich oft, ob die Dissidenzen nicht zu groß werden. 

Reden wir über das Selbstbestimmungsgesetz. In einem von Ihnen verfassten Essay, der auf „X“ (ehemals Twitter) viral gegangen ist, „outen“ Sie sich als Gegnerin des Selbstbestimmungsgesetzes.

Ja, ich habe den Ansturm auf meinen Essay gar nicht erwartet. Ich habe ihn einfach mal so am Sonntag nach Bekanntgabe des neuen Selbstbestimmungsgesetzes geschrieben.

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Können Sie in ein paar Sätzen darlegen, warum Sie gegen das neue Selbstbestimmungsgesetz sind?

Man schafft damit die Kategorie Frau ab. Jeder Mann darf durch dieses Gesetz, also ohne Gutachten, zum Standesamt gehen und sagen: „Ich bin jetzt eine Frau“. Dann darf er damit in die Frauensauna gehen – mit Bart und Penis.

Das dürfte ein Mann, der seinen Geschlechtseintrag geändert hat, laut dem Selbstbestimmungsgesetz aber nicht. Es gilt nach wie vor das private Hausrecht. Dieses wird durch das neue Gesetz nicht angerührt.

Wir wissen ja, wie das läuft. Wenn sich dadurch jemand diskriminiert fühlt, gibt’s Streit. Da gab’s schon einige Fälle. Man bezieht sich dann auf das Gleichbehandlungsgesetz. So kann man das Hausrecht wieder aushebeln.

Dazu kommt, dass sich jedes Mal eine Frau wehren und den Mut aufbringen müsste, um zu sagen: „Hallo, raus hier, ich fühle mich nicht wohl, wenn eine Transfrau hier ist!“ Für mich persönlich sind diese Orte, auch wenn kein Mann reingeht, nicht mehr sicher, weil ich weiß, da könnten nun auch Männer reinkommen. Das verunsichert einfach. Damit sind alle Schutzräume für Frauen de facto aufgehoben. 60 Jahre Frauenrechtskampf auf einem Schlag zunichtegemacht.

„Es ist ein Angriff auf unser psychotherapeutisches Handwerk“

Stimmt es, dass in Ihre psychotherapeutische Praxis auch Transsexuelle kommen?

Ja, ich habe dafür sogar eine Fortbildung gemacht vor 15 Jahren. Dadurch bin ich auf eine queer-freundliche Liste von Psychotherapeuten gekommen. Das heißt, wenn Transsexuelle in meiner Stadt einen Psychotherapeuten suchen, dann rufen die bei einer Nummer an und fragen, an welchen queer-freundlichen Therapeuten sie sich wenden können, und so finden sie mich. Obwohl ich auf dieser Liste stehe, waren bisher nur vier von meinen insgesamt 900 Klienten Transsexuelle. Das heißt also, in der Psychotherapie spielen sie keine große Rolle.

Transsexuelle machen circa 0,5 Prozent der Bevölkerung aus, aber diese Beeinträchtigung wird jetzt der ganzen Bevölkerung oktroyiert. Das ist keine Banalität, wenn man sich seinem Geschlecht nicht zugehörig empfindet. Durch das Selbstbestimmungsgesetz wird nun die ganze Bevölkerung verunsichert, weil sie andauernd vor die Frage gestellt wird: „Fühlst du wirklich identisch mit deinem Geschlecht? Bist du im falschen Körper?“ Und in Ländern, wo die Self-ID (das Konzept, dass das rechtliche Geschlecht einer Person durch einen Sprechakt bestimmt wird, ohne medizinische oder psychologische Gutachten, Anm. der Red.) eingeführt wurde, sind die Zahlen der Transsexuellen gestiegen. Nicht weil es mehr von ihnen gibt, sondern weil viele durch das Gesetz verunsichert wurden. 

Was halten Sie davon, dass sich Menschen, die ihren Geschlechtseintrag beim Standesamt ändern wollen, nun nicht mehr zwei Gutachten dafür holen müssen?

Wie gesagt, das ist keine linke Politik. Linke Politik sollte Minderheiten vor Ausbeutung schützen. Zu sagen, man braucht keine Gutachten mehr, schützt die Menschen nicht. In Ländern, wo es schon seit einigen Jahren diese Self-ID gibt, hat man festgestellt, dass 30 Prozent die Geschlechtsveränderungen bereuen. Das ist nicht wenig. Stellen Sie sich mal vor, Sie haben Ihre Brüste abgeschnitten. Das ist nicht zu vergleichen mit Haare blond färben. Das sind gesunde Organe, die amputiert werden. Das sind Verstümmelungen. Dieses Gesetz wird viele Opfer hervorbringen. Deswegen sollten die Menschen sorgfältig informiert werden, und es sollte auch überprüft werden, bevor man überhaupt etwas durchführt, was nicht mehr rückgängig zu machen ist. 

Zur Person Ingeborg Kraus

Ingeborg Kraus besuchte das französische Lycée Charles de Gaulle in Baden-Baden und studierte anschließend in Frankreich, wo sie in Psychologie promovierte. Von 1995 bis 2002 war die Psychotherapeutin als humanitäre Helferin in Bosnien und im Kosovo, wo sie insbesondere mit Frauen arbeitete, die Opfer sexueller Gewalt wurden. Danach arbeitete sie neun Jahre als Psychologin und als therapeutische Leiterin in psychosomatischen Kliniken in Deutschland. Seit 2011 leitet Kraus eine psychotherapeutische Beratungsstelle in Karlsruhe. Viele ihrer Klienten sind Opfer von Zwangsprostitution. Kraus ist Initiatorin der Initiative „Trauma und Prostitution“, die sich für ein Sexkaufverbot in Deutschland einsetzt. Die Psychotherapeutin ist sein 20 Jahren Parteimitglied der Grünen.

Der Deutsche Psychotherapeutentag, das ist die Bundesdelegiertenversammlung der Bundespsychotherapeutenkammer, ist da anderer Ansicht. Er befürwortet das Selbstbestimmungsgesetz.

Das ist verrückt. In der Psychotherapie schauen wir uns die Ursachen an. Wir fragen, sind neugierig. Mit diesem Gesetz darf man ja gar nichts mehr fragen. Es ist ein Angriff auf unser psychotherapeutisches Handwerk, meines Erachtens nach.

Haben Sie das Gefühl, Psychotherapeuten werden dahingehend gedrängt, psychische Leiden bei Transpersonen als reine Ursache von Diskriminierung zu bewerten?

Natürlich werden Transpersonen aufgrund ihres Erscheinungsbildes diskriminiert. Das verurteile ich aufs Schärfste. Aber sie leiden auch aus anderen Gründen. Da gibt es körperliche Beschwerden durch die Operation. Eine Klientin von mir konnte durch die Schmerzen nicht mehr Vollzeit arbeiten. Man muss sich die Frage stellen dürfen als Psychotherapeutin, ob so eine Operation gerechtfertigt ist, wenn der operierte Körper anschließend so sehr darunter leidet.  

Sehen Sie irgendeine Gemeinsamkeit bei Ihren vier Transgender-Patienten? Oder ein wiederkehrendes Muster, das Sie feststellen?

Sie waren alle sehr unterschiedlich und sie entsprachen nicht dem Bild, welches die Transgender-Aktivisten verbreiten wollen. Obwohl es bis jetzt Gutachterverfahren gab, bevor operative Eingriffe unternommen werden durften, war die Transsexualität bei meinen vier Klienten entweder falsch diagnostiziert oder ambivalent und chirurgische Interventionen erzeugten keine Verbesserung in ihrem Wohlbefinden. Eine Klientin bereute sogar die Amputation ihrer Brüste.

Bei einer anderen Patientin waren so viele Traumata in ihrem Leben, die nicht aufgearbeitet waren, und dann wurde so eine schwere Operation durchgeführt. Sie kam zu mir mit der Diagnose einer schweren Depression. Viele denken, das Problem läge allein am „falschen“ Geschlecht. Aber so ist es nicht. Das Gefühl im falschen Geschlecht zu sein, kann Ausdruck von unterschiedlichen Ursachen sein: Trauma, Ablehnung von sexistischen und stereotypen Geschlechterrollen. Bei einer Patientin war es ein Versuch, sich von einer engen Mutter-Tochter-Bindung zu lösen. Nicht alles ist Trans. Man muss da tiefer hingucken.

„Das neue Selbstbestimmungsgesetz ist gefährlich“

Sie denken also, dass dahinter oft andere Probleme stecken wie Traumata oder Depressionen, die nicht unbedingt etwas mit Transgender zu tun haben?

Ja, es gibt mittlerweile viele sogenannte Detrans-Personen, die darüber sprechen. Es sind Menschen, die dachten transsexuell zu sein und zur Transition durch Therapeuten und Ärzte motiviert wurden. Jahre später, durch Reflexion und Therapie, wechselten sie wieder zu ihrem biologischen Geschlecht zurück. Leider mit unwiderruflichen körperlichen Schäden. Sie wurden Opfer eines Gesundheitssystems, das sie in die Transition pushte. Sie sind auch Opfer einer Gesellschaft, die es nicht geschafft hat ihre engen Käfige der Rollenstereotypen weit zu öffnen. Deshalb betrachte ich dieses Gesetz nicht als Fortschritt, sondern als reaktionär: Es zementiert alte stereotype Geschlechterrollen.

Finden Sie, die Regierung sollte das Transsexuellengesetz, das bis November 2024 noch gilt, beibehalten?

Ja. Das neue Selbstbestimmungsgesetz ist gefährlich. Gefährlich für die Bevölkerung, weil man den Menschen und auch Kindern in Schulen sagt: „Vielleicht bist du transgender“, und dann kommt man in diesen Strudel der Pubertätsblocker und Operationen. Das macht den Körper krank. 

Warum machen die Grünen ein Gesetz für, wie Sie sagen, weniger als ein Prozent der Bevölkerung?

Sie denken, sie schützen Minderheiten, aber eigentlich tun sie das nicht. Die Grünen haben mit dem Selbstbestimmungsgesetz Schutzbedürftigen, zum Beispiel Frauen, alle Schutzräume weggenommen. Die starken, grünen Feministinnen, die die Partei gegründet haben, haben von Anfang an die Frauenquote eingeführt. Doch diese ist jetzt aufgehoben durch das Selbstbestimmungsgesetz, weil jedermann sich als Frau identifizieren kann. Da gilt nicht mehr das Geschlecht, sondern die Geschlechtsidentitäten. Die Grünen arbeiten gegen ihre alten Feministinnen.

Waren die Reaktionen auf Ihren Essay positiv oder gab es auch negative?

Überwiegend positive Reaktionen bisher. Es gab einzelne negative. Ich äußere mich ja auch zum Islam. Da hingegen werde ich beschimpft ohne Ende, da bin ich die „Scheiß Zionistin“ oder ein „Nazi“.

Haben Sie Reaktionen von anderen Grünen-Mitgliedern erhalten?

Ich bin nicht mehr sehr aktiv bei den Grünen, aber ich weiß, dass viele damals wegen des Prostitutionsgesetzes ausgetreten sind. Es gibt dieses offene Manifest „Pro Realität“. Das haben auch Grüne, die ich kenne, mitunterzeichnet, die gegen das Selbstbestimmungsgesetz sind.

„Das ist eine falsche Definition von Frauenpolitik“

Was wird in diesem Manifest gefordert?

Es kritisiert, dass viele Abgeordnete, die das Selbstbestimmungsgesetz durchgesetzt haben, falsche Tatsachenbehauptungen als Fakten verbreitet haben. Es will eine breite Debatte, die die wissenschaftlichen Fakten nicht verleugnet – dass es nur zwei Geschlechter gibt und man das biologische Geschlecht nicht wechseln kann, auch nicht, wenn man äußere medizinische Eingriffe unternimmt –, den Minderheiten gerecht wird ohne die Bedürfnisse anderer zu untergraben, wie Frauenschutzräume.

Ein Vorwurf lautet, dass das Transsexuellengesetz diskriminierend sei, weil bei den medizinischen beziehungsweise psychologischen Gesprächen, die man führen muss, um die Gutachten zu erhalten, sehr intime Fragen gestellt werden.

Das wird aufgebauscht, finde ich. Gewisse Fragen, die den Menschen zu persönlich vorkommen, sollte man streichen. Man sollte jedoch weiterhin professionelle Gutachten erstellen, bevor so schwerwiegende Eingriffe unternommen werden und das Geschlecht gewechselt werden darf. Ich muss Ihnen aber ganz ehrlich sagen, das Geschlecht kann man nicht wechseln. 

Meinen Sie das biologische Geschlecht?

Ja, das biologische Geschlecht kann man nicht wechseln. Vor 20 Jahren waren die Grünen noch für die Einführung eines dritten Geschlechts. Das gibt’s natürlich nicht, aber das wäre eine bessere Lösung für Transmenschen gewesen meines Erachtens. Die, die sich als Transfrauen fühlen, sollen sich halt als Transfrauen eintragen. Das hätte ich durchaus unterstützt. Die Grünen sind irgendwann auf die Idee der Self-ID gekommen. Doch Transfrauen sind keine Frauen. 

Verfolgen die Grünen einen intersektionalen Feminismus?

Ja, anscheinend. Als Annalena Baerbock ihre feministische Außenpolitik angekündigt hatte, sagte sie, dass feministische Außenpolitik nicht bedeute, dass man jetzt nur Frauen fördere, sondern alle Minderheiten. Das ist eine falsche Definition von Frauenpolitik, eine falsche Definition von feministischer Politik. Da verraten die Grünen ihre eigenen Frauen.

 

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Kommentar
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Tweetyselise
Vor 1 Woche 2 Tage

Sehr gut geführtes, ausführlich, nachvollziehbares Interview. Man ist echt erleichtert, dass es trotz allem bei den Grünen noch vernünftige Menschen gibt.
Ich verstehe zwar nicht wirklich wie es Fr. Kraus bei den Grünen noch aushält, da die Grünen aus meiner Sicht ganz andere Gründe für ihre Klima- und Umweltpolitik haben, was so gar nichts mit Schutz derselbigen zu tun hat.

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Marina Piestert
Vor 1 Woche 2 Tage

auch hierzu eine klare, nachvollziehbare und ehrliche Haltung. Danke. Bin mit dem meisten einverstanden und vertrete es genauso

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Heidi Reiser
Vor 1 Woche 1 Tag

Der Artikel spricht mir aus dem Herzen. Genau deshalb bin ich bei den Grünen ausgetreten und hoffe, dass noch mehr erkennen wie reaktionär und frauenfeindlich das Gesetz ist. Eine Riesenenttäuschung für ehemalige Grüne Frauen und brandgefährlich für unsere Gesellschaft. Der Rechtsruck wird damit beschleunigt.

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Marina Piestert
Vor 1 Woche 2 Tage

auch hierzu eine klare, nachvollziehbare und ehrliche Haltung. Danke. Bin mit dem meisten einverstanden und vertrete es genauso

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Andreas Graf
Vor 1 Woche 2 Tage

Wer seine kostbare Lebenszeit verschwenden möchte, der darf sich gerne an dem Schwachsinn der Partei der Grünen abarbeiten. Ein jeder ziehe die richtigen Schlüsse.

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Tweetyselise
Vor 1 Woche 2 Tage

Sehr gut geführtes, ausführlich, nachvollziehbares Interview. Man ist echt erleichtert, dass es trotz allem bei den Grünen noch vernünftige Menschen gibt.
Ich verstehe zwar nicht wirklich wie es Fr. Kraus bei den Grünen noch aushält, da die Grünen aus meiner Sicht ganz andere Gründe für ihre Klima- und Umweltpolitik haben, was so gar nichts mit Schutz derselbigen zu tun hat.